Fünf Bands haben sich zur „Tour of Tours“ zusammengeschlossen. In Stuttgart haben sie sich auf Händen durchs ausverkaufte Zwölfzehn tragen lassen – und sich in Mannschaftsstärke auf die Bühne gezwängt.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Bands werden ja gerne in „groß“ und „klein“ eingeteilt, was sich in dem Fall auf die Größe der Konzertlocations bezieht, die sie zu füllen imstande sind. Für die „Tour of Tours“, die am Dienstag im Zwölfzehn Halt gemacht hat, haben sich fünf „kleine“ Acts zusammengeschlossen: mehr als ein Dutzend Termine in etwas mehr als zwei Wochen, und weil man gemeinsame Sache macht, kommen nicht nur mehr Menschen zum Konzert – es lohnt sich sogar der Nightliner. Synergieeffekt sozusagen, das Supergroup-Konzert ins Extreme weitergedacht. Sogar einen eigenen Tour-Sampler haben Tim Neuhaus, Jonas David, Town of Saints, Ian Fisher & The Present und Honig produziert.

 

Stefan Honig ist sozusagen der Kern dieser in Mannschaftsstärke angetretenen Riesenband. Bei seinem Konzert im Oktober herrschte im Zwölfzehn ein weit weniger tropisches Verhältnis von Temperatur und Luftfeuchtigkeit, am Dienstag kommt er aus dem Schmachten und, ja, auch aus dem Blödeln zwischen den Songs kaum heraus.

Er ist hier der Chef

Auch wenn Honig seinen Mitmusikern immer wieder den Vortritt lässt, merkt man schon, dass er hier der Chef ist (und ein echter Bühnen-Troll!). Zweite auffällige Figur: Tim Neuhaus, der noch munterer als alle anderen die Instrumente durchwechselt und dabei immer eine gute Figur macht. Wegen ihm sind auch die ganzen Mädels in den vorderen Reihen gekommen, und man kann das gut verstehen. Neuhaus sieht nicht nur gut aus und macht auf der Bühne eine gute Figur, er schreibt auch fantastische Songs.

Songs, die zeigen, was in Deutschland (und den Niederlanden) geschriebener Pop heutzutage kann. Im übrigen steht da eine reichlich internationale Musikermannschaft auf der Bühne, was zur Vielfalt und zum Charme des Vortrags beiträgt. Zweieinhalb kurzweilige Stunden dauert das Konzert, die Playlist ist gut durchdacht, sie variiert laute und leise, schnelle und langsame, introvertierte und Feierlieder. Da ist durchweg Tiefgang, aber ohne Pathos. Ein Auf und Ab ohne Extreme, Pop für Nichthipster, Distinktionsgewinn ist hier ausnahmsweise kein Wert an sich, und das tut auch mal gut.

Stilistisch reicht die Bandbreite des Konzerts von Songwriter über Country und Boogie bis hin zu Folkpop, man hört mal Turin Brakes, mal Arcade Fire und beim Indieradio-Hit „Golden Circle“ von Honig natürlich die Neo-Folk-Pioniere Mumford & Sons.

Das überzeugt aus zwei Gründen

Daran überzeugen zwei Dinge: zum einen das popmusikalische Konzept, der Gesamtsound. Da steht ein Kollektiv auf der Bühne, eine Mannschaft. Jeder Spieler ist Spezialist für einen bestimmten Part; neben den genannten Frontmännern Stefan Honig und Tim Neuhaus ist das etwa Martin Hannaford, der einen Eins-A-Stagedive hinlegt oder Heta Salkolahti, die sich als einzige Frau auf der Bühne an der Violine und am Akkordeon auf wunderbare Weise behauptet, ja dem Sound eine schön folkige Note gibt. Neben all den anderen.

Zweiter Pluspunkt: Die Musiker tun sich nicht nur aus rein pragmatischen Gründen zusammen, sie verbindet auch eine gemeinsame Sound-Idee. Diese Tour dokumentiert den Stand der Popmusik aus Deutschland anno 2015.

Die Zuschauer, darunter viele Fans der einzelnen, in Stuttgart allesamt nicht unbekannten Acts dieser Tour of Tours, kriegen insofern ziemlich viel fürs Geld – und das wiederum weniger, weil da fünf Acts auf einmal spielen, sondern weil das mehr ist als die Summe der einzelnen Teile.

Umso erfreulicher, dass dieses Konzept nicht nur künstlerisch aufgeht. In Stuttgart wie offenbar auch anderswo stößt die Tour of Tours auf so viel Zuspruch, dass sich das Ganze für die beteiligten Künstler auch rechnet.

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