Die neue „Echt Bodensee Card“ soll die touristische Kleinstaaterei am Bodensee beenden. Die Deutsche Tourismus GmbH in Friedrichshafen wirbt für die flächendeckende Servicekarte, die auch in Bus und Bahn benutzt werden kann. Trotzdem bringt die Idee einige Vermieter auf die Barrikaden.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Uhldingen-Mühlhofen - Protesttermin im Rathaus von Uhldingen-Mühlhofen. Eine erzürnte Riege örtlicher Zimmervermieter ist gekommen, um dem Bürgermeister Edgar Lamm die Meinung zu sagen. Es geht um die geplante flächendeckende Einführung der „Echt Bodensee Card“, geplant für das kommende Frühjahr. Der Rathauschef der Gemeinde im Bodenseekreis, in der die Tourismusbetriebe der stärkste Wirtschaftsfaktor sind, befürwortet wie eine Reihe andere Kommunalpolitiker die Neuerung. Der örtliche Campingplatzbetreiber Manfred Maier, der gut 10 000 Übernachtungen jährlich zählt, warnt vor ruinösen Folgen. Er wolle sich nicht zwingen lassen, unendlich viel Zeit für den „PC und den ganzen Kruscht“ aufzuwenden. Ein Vermieter schimpft, für das Geld, das die neue Karte koste, solle man „lieber Parkplätze und Parkhäuser bauen“, zum Beispiel im überlaufenen Meersburg. Lamm nimmt die Protestunterschriften von 90 Vermietern entgegen.

 

Die „Echt Bodensee Card“ ist eine Kreation der Deutschen Tourismus Gesellschaft (DBT) mit Sitz in Friedrichshafen. Ihr Einflussgebiet reicht von Lindau bis Überlingen. Wenn die Karte vom nächsten Jahr an kommt, soll sie schrittweise die vielen lokalen Kurkarten in den deutschen Bodenseeorten ablösen. Der DBT-Geschäftsführer Enrico Heß sagt, die Karte mache „einen Nachteil des Bodensees im Vergleich zu anderen Destinationen wett“. Die Erfolge der Allgäu-Walser-Card oder der für den Schwarzwald geltenden Konus-Gästekarte sprächen für sich. Deren wesentliche Merkmale sind Vergünstigungen für allerlei Freizeitattraktionen, vor allem aber die Möglichkeit, Busse und Bahnen im Feriengebiet kostenlos zu benutzen. Die Echt Bodensee Card soll erstmals auch freie Fahrt im ÖPNV gewähren. Sie sei ein „in die Zukunft gerichtetes Projekt“, sagt der Geschäftsführer Heß. Die demografische Entwicklung zeichne schließlich einen härter werdenden Wettbewerb innerhalb Deutschlands vor.

Im Sommer ist die Nachfrage höher als das Angebot

Davon spüren die Bodensee-Vermieter bisher aber noch wenig, die Geschäfte gehen überwiegend gut. Das weiß auch Heß: „Zwischen Ostern und Oktober ist meistens die Nachfrage höher als das Angebot. Das heißt, die Bereitschaft für Neues ist nicht so ausgeprägt.“ Das ist angesichts der Stimmung im Rathaus von Uhldingen-Mühlhofen noch untertrieben formuliert. „Macht lieber nachts mal ein paar Lampen mehr an“, schimpft ein Gastronom. Ein anderer sagt, die Kommunen sollten gucken, dass sie ihre Touristen-Informationen besser miteinander vernetzten, als den Wirten die elektronische Karte aufzuzwingen.

Deren Einführung ist tatsächlich nicht ganz trivial. Die Karte soll nämlich nur in Koppelung mit einem elektronischen Meldesystem funktionieren. Die gewohnten Papier-Meldescheine fallen dann weg. Die Kosten für die Hardware auf den Rezeptionstresen sowie für die kostenlos nutzbaren ÖPNV-Betriebe soll der Gast bezahlen. Die Kurtaxen würden dann um rund einen Euro pro Tag und Person steigen – in Uhldingen-Mühlhofen wären das künftig 2,70 Euro anstatt, wie bisher, 1,70 Euro. In Meersburg zum Beispiel stiege die Taxe von zwei auf drei Euro.

Konstanz lehnt die Pläne aus Friedrichshafen ab

Unter anderem deshalb macht Meersburg beim neuen Kartensystem nicht mit; der Gemeinderat hat deutlich dagegen votiert. Selbst wenn die Echt-Karte kommt, so viel ist jetzt schon klar, wird der Dschungel der Gästekarten allenfalls gelichtet, aber nicht beseitigt. Auf der anderen Seite des Bodensees, im Landkreis Konstanz, gibt es keinerlei Liebe gegenüber den Friedrichshafener DBT-Plänen. Dort kümmert sich die „Internationale Bodensee-Tourismus-GmbH“ (IBT) um Urlauberbelange, und sie hat bereits die so genannte VHB-Gästekarte, die das kostenlose Bus- und Bahnfahren einschließt. Dass sich die Konstanzer Kooperationen verweigern, versteht der Geschäftsführer Heß in Friedrichshafen nicht: „Das finde ich ganz fürchterlich. Das schadet dem Bodensee insgesamt als Destination“. Das „Kirchturmdenken“ vieler Gemeinden sei für den Urlauber nicht nachvollziehbar.

In einer Reihe von Städten und Gemeinden stehen Beschlüsse zur Echt-Karte noch bevor. Überlingen und Lindau sind ihr dem Vernehmen nach zugeneigt. Am kommenden Dienstag will Lothar Wölfle, der Landrat des Bodenseekreises, bei einer Pressekonferenz noch einmal öffentlich für die Umstellung werben. Der Uhldinger Bürgermeister Lamm will im neuen System dabei sein, sein Gemeinderat hat bereits 2015 eine Kooperation mit der DBT beschlossen. Wenn es wirklich so käme, warnt ein Vermieter im Rathaus, müsse sich die Verwaltungsspitze auf eine „Welle“ von Urlauberprotesten gefasst machen.