Die Weinregion rüstet auf, um finanzstarke Genussgäste nach Württemberg zu locken – ein Instrument der Selbstvermarktung.

Heilbronn - Claudia Steinbrenner streicht über die zarten feinen Blätter und blickt dann auf die Blüten. Ihre schwach rötlichen Spitzen verraten, dass an diesem Weinstock der 2017-er Jahrgang eines Heilbronner Trollinger im Werden ist. Es wird also doch welchen geben, trotz des Kälteeinbruchs vor einigen Wochen. Damals waren viele Triebe erfroren. Und auch an dieser Rute, die Steinbrenner nun fachmännisch beäugt, hat es drei von sieben Trieben erwischt. Die anderen rettete vermutlich die Nähe zur warmen Stadt, die bis dicht an die Weinberge reicht.

 

Als Tochter eines Weinbauern in Granschen bei Erlenbach ist die 46-Jährige in den Weinbergen aufgewachsen. Dort hat sie im Kinderwagen gelegen, später Verstecken gespielt und ihre Hausaufgaben gemacht. Und auch wenn sie den elterlichen Betrieb nicht übernehmen will, ist ihr der Wein doch keineswegs egal. Zur Weinerlebnisführerin hat sie sich ausbilden lassen und geleitet nun Kegelclubs, Seniorengruppen oder die Teilnehmer von Junggesellinnenabschieden durch die Steillagen rund um Heilbronn und in die pittoresken Wengerthäusle.

Tourismusinitiative soll Absatz beflügeln

„Der Weintourismus wird immer wichtiger“, sagt Jessica Deutsch von der Regio Stuttgart Marketing und Tourismus Gesellschaft und beschreibt den typischen Weintouristen als finanzstark, genussorientiert und älter als 50. Die Erlebnisführer seien ein zentrales Element. Allerdings gebe es auch immer mehr Weinreisende, die Württembergs Weinwege durch die terrassierten Steillagen auf eigene Faust erkundeten. Immer wieder kreuzen sich die Weinstraße, der Weinradweg und der Weinwanderweg. Es können E-Bikes, sogenannte Trikkes – also elektrische Dreiräder – geliehen oder der Oldtimerbus bestiegen werden. Und für die Rast ist reichlich gesorgt.

Dazu haben Deutsch und ihre Kollegen wahre Fleißarbeit geleistet und die Adressen von 600 Weingütern und 150 Besenwirtschaften gesammelt. Auf einer eigenen Internetseite (www. weinwege-wuerttemberg.de) sind sie aufgelistet und mit einer interaktiven Landkarte kombiniert, die auch auf Smartphones geladen werden kann. „Fast täglich werden die Angebote mehr“, sagt Deutsch. Der Weintourismus habe einen Quantensprung hinter sich, sagt der Präsident des Württembergischen Weinbauverbandes, Hermann Hohl.

Weingüter seien Traditionsunternehmen, sagt Andreas Fischer. Er selbst führt seinen Betrieb in achter Generation. Auf den neun Hektar wächst viel Trollinger und Lemberger, doch neuerdings auch ein feiner Sauvignon Blanc und ein schwerer Merlot, der im Holzfass gekeltert wird. „Die Leute wollen den Winzer zum Anfassen“, sagt Fischer und bittet zur Weinprobe.

Wengerter wollen Selbstvermarktung verstärken

Die Struktur des Weinmarkts habe sich verändert. „Früher waren wir in Württemberg verwöhnt.“ Der Verkauf erledigte sich fast von selbst. Doch kleine Weinhändler gebe es immer weniger. Einige große Abnehmer beherrschten den Markt. „Die Selbstvermarktung muss mehr werden“, hat Fischer erkannt. Daher sei es entscheidend, die Kunden auf das Weingut zu lotsen. Dies funktioniere mit Veranstaltungen, durch Besenwirtschaften und Übernachtungsplätze.

Gerade hat er einen Bauantrag über acht Appartments in Vorbereitung. Andere schaffen Wohnmobilstellplätze. Auch beim preisgekrönten Neubau der Kellereigenossenschaft Heilbronn-Erlenbach wurden solche Stellplätze eingerichtet. „Das ist genau das, was wir uns wünschen“, sagt die Touristikerin Deutsch.

Viele Weg führen zum Wein

Weinstraße
Reisende mit dem Auto nutzen am besten die mehr als 500 Kilometer lange Württembergische Weinstraße. Sie beginnt in Oberstetten im äußersten Nordosten des Landes und führt bis nach Metzingen. Eine kleine Exklave findet sich in Kressbronn am Bodensee.

Weinradweg
Wer dem Fahrradwegweiser mit dem Weinrebensymbol im Vorderrad folgt, fährt von Niederstetten im Taubertal bis nach Rottenburg am Neckar. Die 355 Kilometer lange Strecke führt durch Heilbronn, Ludwigsburg und Stuttgart und ist überwiegend asphaltiert.

Weinwanderweg
Der 470 Kilometer lange Fernwanderweg ist an weißen Tafeln mit roten Weinreben darauf zu erkennen. Er führt von Aub in Franken durch 56 Weinbaugemeinden im Norden Württembergs bis nach Esslingen. Als beliebteste Wanderzeit gilt der Herbst.