Zwischen Luxor und Assuan ist der Tourismus seit dem politischen Umsturz in Ägypten fast völlig zusammengebrochen. Nach vier Jahren Krise sollen vor allem deutsche Urlauber die Wende bringen und die wichtigste Einnahmequelle wieder sprudeln lassen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Luxor - Luxor am Abend. Die touristische Hochsaison hat begonnen im Land der Pyramiden. Doch auf den Uferpromenaden der alten Pharaonenstadt am Nil herrscht kaum Betrieb. In langen Reihen liegen Dutzende Kreuzfahrtschiffe am Ufer vertäut, kaum erkennbar in der Dämmerung. Eine Gespensterflotte, ohne Licht, ohne Gäste, totes Kapital. Eine wirtschaftliche Katastrophe für die Unternehmen und Beschäftigten, eine soziale Katastrophe für die ganze Region.

 

„Die Menschen hier leiden gewaltig unter der Krise im Tourismus“, sagt Moslem Ali. Der studierte Ägyptologe stammt aus Luxor und arbeitet als Reiseführer besonders für deutsche Gäste. Der 42-jährige Familienvater hat richtig gute Zeiten im Reisegeschäft erlebt. Noch 2010 kamen fast 15 Millionen Touristen nach Ägypten, gut 1,3 Millionen allein aus Deutschland. Die Rekordzahlen brachten Hochbetrieb vor allem in den beliebten Badeorten am Roten Meer, aber auch in den Kulturzentren entlang des Nils zwischen Kairo und Assuan.

„Es sind Regionen, in denen der Tourismus die meisten Menschen ernährt“, sagt Moslem. Wie in Luxor, das sich in den letzten Jahrzehnten dank seines kulturellen Welterbes zu einer Großstadt mit rund 500 000 Einwohnern entwickelt hat. Ein Segen in guten Zeiten, doch die Abhängigkeit vom Tourismus kann zum Fluch werden. Kaum irgendwo zeigt sich das deutlicher als in Ägypten, wo der Brite Thomas Cook vor 150 Jahren die ersten Nilkreuzfahrten entlang der Pharaonentempel und Totenstädte zwischen Assuan und Luxor organisierte und damit die Pauschalreise erfand. Immer wieder meiden viele Urlauber das so reizvolle Wüstenland wegen politischer Umstürze, Attentaten und Terroranschlägen. „Nie aber war die Krise so schlimm wie dieses Mal“, sagt Moslem.

Nur ein Zehntel der Kreuzfahrtschiffe im Einsatz

Kaum ein Zehntel der Flotte von mehr als 300 Kreuzfahrtschiffen ist bisher unterwegs, die für die klassische Kulturreise den Nil aufwärts bis zum Nasser-Stausee und den Tempeln von Abu Simbel nahe der Grenze zum Sudan bereitstehen. In den Tempelanlagen von Edfu, Esna oder Kom Ombo, die zum Programm der Kreuzfahrt gehören, sind Besucher meist unter sich. Die Läden vieler Souvenirhändler sind geschlossen, die Restaurants menschenleer.

Auch in Luxor sieht man viele Geschäfte, deren Rollläden seit Jahren nicht mehr hochgezogen worden sind. „Wer im Tourismus arbeitet, muss harte Zeiten durchstehen“, erzählt Moslem. Im September waren die Hotelzimmer in der Stadt nur zu drei Prozent belegt, eine desaströse Zahl. Keine Gäste, keine Arbeit, kein Einkommen. Viele leben seit Jahren von Erspartem, doch die Reserven gehen zur Neige.

Um mehr als ein Drittel sind die Besucherzahlen landesweit seit Beginn der Krise vor vier Jahren eingebrochen. Voriges Jahr kamen weniger als 10 Millionen Gäste, darunter kaum noch 900 000 aus Deutschland. Das trifft den Wüstenstaat hart, denn rund ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts stammt aus dem Tourismus. Vier Millionen Menschen sind dort direkt beschäftigt, viele ernähren von ihrem Einkommen die ganze Familie. Umso zermürbender ist das Warten, ob endlich wieder mehr Besucher kommen.

Der Fluch des Arabischen Frühlings

Doch trotz Tiefstpreisen auch in deutschen Reiseprospekten gibt es besonders für Nilkreuzfahrten kaum Nachfrage. Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Mubarak kommt Ägypten nicht mehr zur Ruhe. Damals begann die politische Wende, verbunden mit Demonstrationen, Unruhen, Gewaltexzessen und blankem Terror. Die Fernsehbilder aus der Hauptstadt Kairo schockierten die Welt, so hatte man sich den Arabischen Frühling nicht vorgestellt. Es folgte die kurze Herrschaft der Muslimbrüder, die Ägypten in einen Religionsstaat verwandeln wollten und deren Ex-Präsident Mursi inzwischen wie Tausende Anhänger in Haft sitzt. Sein Nachfolger Sisi kommt wieder aus den Reihen des Militärs und kennt kein Pardon mit Gegnern und Kritikern. Mehr als 600 Muslimbrüder wurden zu Todesstrafen verurteilt, kritische Journalisten weggesperrt, die Bürgerrechte drastisch eingeschränkt.

Ein friedlicher demokratischer Wandel, den auch die Bundesregierung immer wieder anmahnt, sieht anders aus. Vorigen Sommer eskalierte bei der „zweiten Revolution“, dem Sturz Mursis durch das Militär, die Gewalt erneut, und das nicht nur auf den Straßen Kairos. Die Regierung erklärte den Ausnahmezustand, der Tourismus brach in der Folge völlig zusammen. Das Auswärtige Amt riet von Reisen nach Kairo, aber auch in die Touristenzentren in Oberägypten und sogar von Nilkreuzfahrten dringend ab. In der Folge flogen viele Reiseveranstalter ihre Gäste aus, nahmen Ägypten zeitweise ganz aus ihren Programmen. Auch die Airlines strichen Flüge.

Der Tourismusminister wirbt mit guter Laune

Hisham Zaazou ist der Mann, der Ägypten wieder zu einem der beliebtesten Reiseziele weltweit machen soll. Der eloquente Tourismusminister lässt keine Gelegenheit aus, mit viel Charisma für sein Land zu werben: „Es gibt keinen Grund für deutsche Urlauber, nicht mehr nach Luxor zu reisen, hier ist seit 17 Jahren keinem Touristen mehr etwas passiert.“ Damals allerdings richteten islamische Terroristen vor dem Hatschepsut-Tempel ein fürchterliches Massaker an, dem mehr als 60 Menschen zum Opfer fielen, darunter viele Schweizer und mehrere Deutsche.

Auch seinerzeit brach der Tourismus in der Region völlig zusammen. Seither werden die meisten antiken Stätten und die Hotelanlagen noch strenger von schwer bewaffneten Sicherheitskräften bewacht, was bei Besuchern meist zwiespältige Gefühle auslöst. Weitere Anschläge aber wurden verhindert. Es dauerte einige Jahre, dann erreichte Luxor wieder Rekordzahlen. Touristen vergessen schnell, lautet eine Erkenntnis der Branche, auf die auch Zaazou und die neue Regierung am Nil setzen.

Schon nächstes Jahr soll Ägypten die Rekordzahlen von 2010 sogar übertreffen. Dieses Wunschziel verkündete der Minister auf einer Veranstaltung des weltgrößten Reiseveranstalters Tui, der in Luxor kürzlich den deutschen Medien seine neuen Sommerprogramme präsentiert hat. Zaazou ließ den Journalistentross mit großem Tamtam empfangen, die lokalen Zeitungen und das Fernsehen berichteten vorab, überall in den Straßen winkten die Menschen den Besuchern in den Reisebussen zu wie Heilsbringern.

Auch die Bundseregierung soll helfen

Damit es bald wieder steil aufwärts geht, kämpft Zaazou an vielen Fronten. Zum Beispiel in Berlin: die Bundesregierung hat ihre Reisewarnungen abgeschwächt. Seit der Wahl Mursis im Mai habe sich die politische Lage „etwas stabilisiert“, heißt es auf den Internetseiten des Auswärtigen Amts. Damit die Reiseindustrie Ägypten wieder auf ganzer Breite anbietet, unterstützt das Land die Veranstalter und Airlines massiv mit Subventionen. Auch nach Luxor soll es spätestens ab Weihnachten wieder einige Direktflüge ab Deutschland geben.

„Strategisch bleibt Ägypten für uns ein wichtiges Reiseland“, beteuert Christian Clemens. Der Chef von Tui Deutschland hat dabei allerdings mehr die Touristenhochburgen am Roten Meer im Blick, wo inzwischen vier Fünftel der Gäste aus Deutschland ausspannen und noch viel Raum für Wachstum ist. Dort liegen die Buchungszahlen aktuell schon wieder um ein Viertel höher als 2013, denn an den mehr als tausend Kilometern Küste scheinen die Krisen weit entfernt zu sein.