Eine detaillierte Untersuchung des New Yorker Generalstaatsanwalts kratzt am Image des Online-Vermittlers Airbnb: Fast Dreiviertel der in der Stadt gelisteten privaten Unterkünfte werden rechtswidrig angeboten.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Airbnb, ein im Jahr 2008 in San Francisco gegründeter und inzwischen in 35 000 Städten weltweit aktiver Online-Vermittler von Privatunterkünften, hat seinen bisher größten juristischen Rückschlag erlebt. Nach einer monatelangen Untersuchung, die sich auf von Airbnb angeforderte Nutzerdaten stützte, hat der New Yorker Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman etwa Dreiviertel der Mietangebote von Airbnb in New York für illegal erklärt. Zwischen Januar 2010 und Juni 2014 seien bei 25 532 von 35 354 in das Angebot aufgenommenen Unterkünften die Gesetze gebrochen worden. New York werde von nun an solche Verstöße systematisch ahnden. Eine gesetzeswidrige Übernachtung kann den Vermieter Strafgelder von mehreren zehntausend Dollar kosten. Ein Verbot der Online-Vermittlung insgesamt steht allerdings nicht zur Diskussion.

 

Bisher profitierte Airbnb nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland von einer juristischen Grauzone. Zwar ist die Zweckentfremdung von Wohnraum vielerorts verboten, aber die Behörden sind zumeist nicht in der Lage, dies systematisch zu kontrollieren.

„Wir müssen sicherstellen, dass durch Online-Marktplätze nicht die Gesetze, welche Sicherheit und Lebensqualität schützen sollen, unter dem Vorwand der Innovation über Bord geworfen werden“, sagte der Generalstaatsanwals Schneiderman. Dazu gehört ein 2010 mit Blick auf Airbnb verabschiedetes New Yorker Gesetz, das die Kurzzeitvermietung von Apartments in größeren Gebäuden unter Strafe stellt.

Im Untersuchungszeitraum erhielten sechs Prozent der Vermieter in New York 37 Prozent der Mieteinnahmen. Rekordhalter war ein Immobilienbesitzer, der mit der Vermietung von 272 Wohneinheiten mit einem Durchschnittspreis von 358 Dollar je Nacht binnen fünf Jahren 6,8 Millionen Dollar verdiente. Demnach werden inzwischen ganze Wohngebäude in der Stadt mehrheitlich für Kurzzeitnutzer angeboten. Die meisten Wohnungen konzentrieren sich auf das eigentlich schon gut erschlossene Manhattan und nicht, wie Airbnb behauptete, auf die touristisch benachteiligten Stadtteile in den Außenbezirken. Das Unternehmen stellte die Zahlen nicht in Frage, wies aber darauf hin, dass man 2000 Mietobjekte mit besonders eklatanten Gesetzesverstößen aus dem eigenen Angebot entfernt habe. Dennoch wird so das in New York von einer aufwendigen Werbekampagne gezeichnete Bild konterkariert, wonach es Airbnb vielen Familien ermögliche, ihr karges Budget durch die gelegentliche Untervermietung an Touristen aufzubessern und gleichzeitig Besucher in die Stadt bringe, die sich ansonsten einen Aufenthalt nicht leisten können.

Airbnb lebt davon, dass es für die Vermieter die Übernachtungsgebühren einnimmt und dafür eine Provision verlangt sowie von den Mietern einen Anteil von sechs bis zwölf Prozent der Übernachtungskosten kassiert. Durch seine Geschäftsklauseln zieht sich das Unternehmen allerdings aus allen juristischen Haftungsfragen heraus. Der Vermieter werden lediglich dazu ermahnt, die jeweiligen Gesetze zu beachten. Außerdem deckt Airbnb eine Versicherung für Schäden ab, die von dem Untermieter verursacht wurden.

Das Image von der Tauschgemeinschaft ist angekratzt

Die Ergebnisse aus New York rütteln am Image einer innovativen Tauschgemeinschaft, deren Zweck angeblich nicht nur Einnahmen, sondern auch menschliche Begegnungen sind. Laut der Untersuchung des New Yorker Generalstaatsanwalts bleiben die wenigsten Inhaber in ihrer Wohnung, wenn sie diese vermieten – dies würde die bezahlten Übernachtungen auch nach New Yorker Recht legalisieren. In New York ist es deshalb bereits zu zahlreichen Konflikten gekommen. So machte etwa die Nutzung eines Apartments als Pornotreff Schlagzeilen. Ein Bündnis aus Politikern und Sozialaktivisten hat im September eine Gegenkampagne gestartet, in der angeprangert wird, dass preisgünstiger Wohnraum zu Gunsten der lukrativen Vermietung an Touristen umgewidmet wird. Allerdings gibt es auch Gegenstimmen. „Wie viele Leute haben sich denn über die neuen Hochhäuser erregt, die als Teilzeitdomizile für die globale Aristokratie dienen?“, fragte die „New York Times“ noch im Sommer.

Einen wichtigen juristischen Durchbruch kann Airbnb hingegen verbuchen. Seit Oktober ist die private Untervermietung auf seinem Heimatmarkt San Francisco legalisiert. Nach langen politischen Diskussionen wurde die auch dort bisher nur geduldete Praxis formalisiert. So müssen sich Vermieter registrieren lassen und dürfen ihre Unterkünfte nicht länger als für 90 Tage im Jahr anbieten. Außerdem müssen sie eine Haftpflichtversicherung abschließen und die übliche Tourismussteuer abführen. Airbnb, dessen Firmenwert bei einer Finanzierungsrunde im Frühjahr auf zehn Milliarden Dollar geschätzt wurde und das einen Börsengang plant, will das Gesetz zum Modell machen – in der Hoffnung, das eigene Geschäft so zu etablieren, dass es nicht mehr gestoppt werden kann.

Wie ist die Rechtslage in Deutschland?

Grauzone
– Die Rechtslage ist je nach Stadt sehr unterschiedlich. Dennoch gilt, dass auch in Deutschland die ständige tageweise Vermietung von Wohnraum ohne Genehmigung als illegale Zweckentfremdung gilt. Vor dem Aufkommen von Online-Vermittlungsbörsen, bei denen Airbnb nur der größte von mehreren Anbietern ist, war das aber nur ein Problem in Einzelfällen. Mit der Überwachung eines Massenphänomens sind die Behörden überfordert.

Beispiel Berlin –
Berlin ist in Deutschland wie New York in den USA der Vorreiter. Mit einer Gesetzesänderung versuchte Berlin im Frühjahr einige Leitplanken einzuziehen. Jeder Vermieter der neu bei Airbnb aktiv wird, muss sich beim Wohnungsamt melden und eine Genehmigung beantragen. Für bisherige Anbieter gilt eine Übergangsregelung bis 2016. Allerdings sind die Kriterien für eine Genehmigung so unklar formuliert und die Behörden mit der Prüfung der Einzelfälle derart überfordert, dass nun erst recht juristische Unsicherheit besteht.