Die Trennung von Alexander Zorniger kommt angesichts der Talfahrt des VfB Stuttgart nicht total überraschend. Der Sportvorstand Robin Dutt hat sich daher auch schon mit der Frage nach einem Trainer-Nachfolger beschäftigt.

Stuttgart - Im letzten Absatz der Pressemitteilung Nummer 82 vom 24. November 2015 heißt es unter der Überschrift „VfB beendet Zusammenarbeit mit Alexander Zorniger“, dass jetzt Jürgen Kramny (44) die Mannschaft übernimmt – ausdrücklich mit dem Zusatz: „bis auf Weiteres“. Das bedeutet, dass der Coach des in der dritten Liga in Abstiegsgefahr schwebenden U-23-Teams die in der Bundesliga ebenfalls in Abstiegsgefahr schwebenden Profis auf die Partie am Sonntag bei Borussia Dortmund vorbereitet und sie dort dann auch betreut. Dann ist „bis auf Weiteres“ voraussichtlich vorbei – und wie geht es danach weiter?

 

Weil die Trennung von Zorniger angesichts der Talfahrt mit nur zehn Punkten aus 13 Saisonspielen nicht gerade total überraschend gekommen ist, hat sich der VfB in Person seines Sportvorstands Robin Dutt auch schon mit dieser Frage beschäftigt und Nachfolgelösungen geprüft. Dabei spielte Markus Gisdol (46) eine Rolle, der am 26. Oktober in Hoffenheim entlassen wurde. Er würde Stallgeruch mitbringen, da er von 2005 bis 2007 für die U 17 des VfB verantwortlich war. Aber das Problem bei Gisdol ist erstens, dass sein schöner Vertrag in Hoffenheim bis 2018 läuft und bis auf Weiteres nicht aufgelöst werden kann. Und zweitens hat er Kontakte zu RB Leipzig.

Auf dem Markt wäre weiter auch Lucien Favre (58), der am 20. September bei Borussia Mönchengladbach zurückgetreten ist. Der Schweizer ist jedoch bei Erstligisten in England im Gespräch. Außerdem wäre die Rollenverteilung mit Dutt schwierig. Favre ist ein erfahrener und starker Trainer, der die Richtung selbst bestimmen will und dazu keinen Manager benötigt.

Deshalb liegen zwei andere Kandidaten vorne: Jos Luhukay (52) und Tayfun Korkut (41), der nach StZ-Informationen der Favorit ist. Als gebürtiger Stuttgarter und vor allem als Konzepttrainer würde er zum Weg des VfB passen, der dann seine Idee, eine einheitliche Spielphilosophie von den Profis bis zur Jugend zu installieren, bis auf Weiteres weiterverfolgen könnte. Dutt müsste diese Strategie nicht gleich in den Papierkorb werfen, nachdem sie erst vor wenigen Monaten entwickelt wurde. Korkut hat eine klare Vorstellung, wie Fußball gespielt werden soll. Insofern könnte der VfB seine Verpflichtung so verkaufen, dass nicht das Modell ausgetauscht wird, sondern nur eine Person in diesem Modell.

Außerdem ist Korkut von seiner Stellung her als Trainer ein Newcomer, der im Gegensatz etwa zu Favre unter Dutt arbeiten und diesen als Chef anerkennen würde. Und wie Gisdol wäre auch Korkut kein Fremder beim VfB, bei dem er vor vier Jahren schon als Trainer der U 19 tätig war. Danach ging er als Assistent von Abdullah Avci zur türkischen Nationalmannschaft, ehe er am 31. Dezember 2013 als neuer Coach von Hannover 96 vorgestellt wurde.

Nach einem verheißungsvollen ersten Jahr 2014 mit 48 Punkten aus 34 Partien stürzte der Club jedoch in die Krise. Deshalb wurde Korkut am 20. April 2015 nach 13 sieglosen Begegnungen (sechs Unentschieden, sieben Niederlagen) beurlaubt. Trotz der schwarzen Serie äußerten sich aber weder die Vereinsführung noch die Spieler in Hannover negativ über Korkut. Der Nationalkeeper Ron-Robert Zieler lobte ihn sogar noch nach dem Abgang.

Weiter würde Korkut auch kein eigenes Spezialistenteam zum VfB mitbringen, der neben Zorniger auch die Co-Trainer André Trulsen und Armin Reutershahn sowie den Torwarttrainer Andreas Menger freigestellt hat. So könnte Dutt einen Stab zusammenstellen, der seinen Vorstellungen entspricht. Als Nachfolger von Menger ist bereits Marco Langner (46) im Gespräch, der Dutt schon auf dessen Stationen beim SC Freiburg, bei Bayer Leverkusen und bei Werder Bremen begleitet hat. Schließt sich der Kreis jetzt beim VfB?

Bis die Fronten geklärt sind, dürfte es noch einige Tage und mindestens bis nächste Woche dauern. Bis auf Weiteres kann sich also auch Jos Luhukay ganz gute Chancen ausrechnen – zumal er keinen unwichtigen Fürsprecher hat. Er kennt Christoph Schickhardt – und die Meinung des Sportanwalts aus Ludwigsburg hat beim VfB traditionell Gewicht. Er hat Einfluss auf viele Entscheidungen im Club.

Auf jeden Fall wurde Luhukay nun bereits bei Dutt platziert. Seine Referenzen sind nicht so schlecht, nachdem er einst mit Borussia Mönchengladbach (2008) und dem FC Augsburg (2011) in die Bundesliga aufgestiegen ist. Obwohl er mit dem Außenseiter FCA dann den Klassenverbleib geschafft hat, trat Luhukay am Ende der Saison im Mai 2012 von seinem Amt zurück.

Zur neuen Runde wechselte er zu Hertha BSC, wo ihm der dritte Bundesligaaufstieg gelungen ist. Der VfB ist allerdings schon in der Bundesliga und braucht von daher keinen Trainer, der weiß, wie man aufsteigt, sondern einen, der einen Plan hat, wie der Abstieg zu verhindern ist.

Zumindest bis auf Weiteres kann nun Jürgen Kramny die Ausgangsposition dafür verbessern – wobei es leichtere Aufgaben als ein Duell bei Borussia Dortmund gibt. Womöglich verlängert sich seine Amtszeit auch etwas, weil sich der VfB bei seiner Trainersuche nicht unter Druck setzen lassen will. Einen Schnellschuss werde es nicht geben, verlautet aus der Clubzentrale. Die Gespräche wurden jedoch bereits aufgenommen – beginnend mit der Nummer eins auf der Liste der Anwärter. Korkut sitzt in den Startlöchern und wäre wie Luhukay sofort verfügbar.

Zunächst muss jedoch Kramny ran. Er hat auch schon Erfahrungen mit der Borussia gemacht – keine guten. Am 3. Mai gastierte er in der dritten Liga mit Stuttgart II bei Dortmund II und verlor mit 0:2. Aber selbst wenn das Ergebnis am Sonntag erfreulicher sein sollte, scheint es fast ausgeschlossen, dass Kramny eine ähnliche Karriere hinlegt wie aktuell André Schubert. Der frühere U-23-Trainer von Borussia Mönchengladbach war nach dem Abgang von Favre auch als Interimslösung vorgesehen. Dann eilte er von Sieg zu Sieg. Inzwischen wurde er offiziell zum Chefcoach befördert – bis auf Weiteres jedenfalls.