Die Stimmung im Trainingslager VfB Stuttgart in St. Gallen ist gut. Und zwar so gut, dass sie dem Manager des Fußball-Bundesligisten fast schon zu gut ist. Robin Dutt tritt deshalb auf die Euphoriebremse. Ein bisschen wenigstens.

Sport: Carlos Ubina (cu)

St. Gallen - Günther Schäfer ist gut drauf. Das ist er ja so gut wie immer. Doch in diesen Tagen von St. Gallen bekommen die Ohren des Teambetreuers noch häufiger Besuch von seinen Mundwinkeln als sonst – so breit ist das Lächeln des ehemaligen Fußballprofis während des Trainingslagers des VfB Stuttgart am Fuße des Alpsteinmassivs in der Schweiz.

 

Geschickt und genüsslich rangiert Schäfer mit dem Materialtransporter auf dem Gelände des Gründenmoosstadions, er witzelt mit den Fans, er tut und macht alles für die Mannschaft. Und das mit einem Eifer und einer Energie, dass der Eindruck entsteht, man könnte den mittlerweile 53-jährigen Ex-Verteidiger getrost um drei Uhr nachts bitten, er möge seine legendäre Leverkusener Rettungstat aus dem Meisterjahr 1992 nochmals wiederholen. Nur um die Opfer- und Einsatzbereitschaft für den Fußball-Bundesligisten zu demonstrieren.

Doch auf dem Trainingsplatz sieht man keine halsbrecherischen Fallrückzieher à la Schäfer. Was man sieht: viele Trainingsstangen und -hütchen, abgesteckte Felder, aufmerksame Spieler. Was man hört: die laute Stimme des neuen Cheftrainers. Alexander Zorniger weist an, muntert auf, korrigiert und dirigiert. Bei vielen taktischen Spielformen und dem Einstudieren von Standardsituationen.

Immer wieder geht es um Abläufe und Laufwege. „Da kommt man sich manchmal wie in der Schule vor“, sagt Daniel Didavi. Was keinesfalls abwertend gemeint ist, sondern nur verdeutlichen soll, dass für die Spieler auch auf dem Rasen viel Kopfarbeit gefragt ist. Und was man im knapp 50-köpfigen Tross aus Schwaben am meisten spürt, ist eine gespannte Erwartung.

Beweise für die Aufbruchstimmung

Die Spieler sind neugierig, welche Überraschungen und auch Irritationen das neue System und die neue Spielweise für sie noch bereithalten. Die etwa täglich 40 Anhänger vor Ort schweben stellvertretend für alle VfB-Fans zwischen der Hoffnung, die schlechten Zeiten nun endgültig hinter sich zu haben, und der Skepsis, sich auf diesen VfB doch nicht verlassen zu können. Und der Manager Robin Dutt stellt fest, dass viele Parameter eine Aufbruchstimmung rund um die Stuttgarter belegen: der Dauerkartenverkauf läuft gut, die Testspiele sind gut besucht, die Trikots finden guten Absatz und die persönlichen Rückmeldungen sind ebenfalls gut.

Fast läuft es dem Manager in diesen ersten Vorbereitungswochen zu gut. „Das eine ist es, eine Erwartungshaltung zu schüren“, sagt Dutt, „das andere, diese durch harte Arbeit zu unterlegen.“ Er weiß zu genau, dass eine positive Atmosphäre noch lange keine positiven Ergebnisse garantiert – und die braucht der VfB, um Zeit für sein Projekt mit einer komplett neuen Konzeption zu gewinnen.

Selten war ein Saisonstart für die Stuttgarter deshalb so wichtig wie diesmal. Vor allem atmosphärisch. Denn kommt die Mannschaft nicht in die Gänge, gerät sie mit ihrem Coach nicht nur sportlich gleich unter Druck. Dann ereilt den VfB auch sofort eine Grundsatzdebatte, die nach dem verhinderten Abstieg und dem proklamierten Neuanfang erst einmal verstummt ist. Dutt ahnt jedoch, dass im negativen Fall schon im August, spätestens im September die letzten Spiele der Vorsaison inner- und außerhalb des Vereins glorifiziert werden könnten – und die große Frage im Raum steht: Warum um Gottes willen wurde denn alles geändert?

Schon das erste Spiel soll ein Endspiel sein

Mit Huub Stevens und dem zuletzt gezeigten Offensivschwung lief es doch! Oder etwa nicht? „Wir haben den Spielern klargemacht, dass sie schon das erste Spiel so angehen müssen, als sei es ein Endspiel“, sagt der Manager, der erst seit Januar im Dienst ist, sein drittes Trainingslager mit dem VfB erlebt und den Eindruck hat, dass die Spieler „jetzt anders miteinander umgehen“. Was Didavi bestätigt. „Diesmal muss man die Mannschaft nicht dazu zwingen, dass sie zusammenwächst“, sagt der Mittelfeldspieler, „das passiert auf ganz natürliche Art und Weise.“

Viel ist also vom Zusammenhalt die Rede. Von einer Mentalität, die Dutt einfordert: sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen. Nicht wieder 30 Spiele zur Selbstfindung zu benötigen und erst dann mit dem Fußball richtig loszulegen, wenn das Team mit dem Rücken zur Wand und der Verein am Abgrund steht. „Wir haben den Spielern auch verdeutlicht, dass sie in der vergangenen Saison zum Ende hin Teil der Lösung waren“, sagt Dutt – und betont, dass die Spieler aber auch Teil des Problems waren. Doch mit dem guten Geist vom Säntis, dem Hausberg von St. Gallen, nach dem das Mannschaftshotel benannt ist, soll jetzt vieles anders werden – und keiner verkörpert das gerade besser als der altgediente und stets fröhliche Günther Schäfer.