Erneut erschüttert ein Organspende-Skandal das Vertrauen der Menschen. Am Transplantationszentrum der Uniklinik Leipzig werden Patienten kränker geschrieben, als sie sind – damit rutschen sie auf der Warteliste nach oben. War Geld im Spiel?

Stuttgart - In den Organspende-Skandal in Leipzig hat sich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Auch wenn die Hintergründe der Affäre bis jetzt unklar sind, schließt die Führung des Uniklinikums nicht aus, dass bei den Manipulationen an ihrem Transplantationszentrum Geld geflossen sein könnte. Die Staatsanwaltschaft Leipzig leitete ein Verfahren ein, um eine mögliche strafrechtliche Relevanz zu prüfen. Die externe Prüf- und Überwachungskommission kündigte für die kommende Woche einen erneuten Besuch in Leipzig an. Die Experten, die alle Zentren in Deutschland überprüfen, hatten die Unregelmäßigkeiten aufgedeckt. Der Direktor des Zentrums und zwei Oberärzte wurden beurlaubt.

 

„Ich kann nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass kein Geld geflossen ist“, sagte Wolfgang Fleig, der medizinische Vorstand am Uniklinikum Leipzig (UKL). Soweit er die beschuldigten Ärzte und die betroffenen Patienten kenne, könne er sich eine Bestechung nicht vorstellen.

„Keine Einzelfälle“

Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery erwartet, dass noch weitere Unregelmäßigkeiten entdeckt werden. „Die Prüfkommission untersucht etwa 140 Transplantationsprogramme, was etwa drei Jahre dauern wird. Deshalb rechnen wir damit, dass noch mehr ans Licht kommt“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte die Einrichtung einer zentral arbeitenden Schwerpunktstaatsanwaltschaft. „Die neuen Manipulationsvorwürfe zeigen: die Unregelmäßigkeiten im Organspendesystem sind keine Einzelfälle“, erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Je mehr Transplantationszentren überprüft würden, desto mehr Manipulationen kämen ans Licht. Es sei ein Fehler, dass das Transplantationssystem nicht in staatlichen, sondern in den Händen privater Akteure liege. Brysch forderte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auf, dies zu ändern. Der Minister müsse endlich eine unabhängige Kommission beim Bundesgesundheitsministerium einrichten, forderte er, der auch „kritische Ärzte, Ethiker und Juristen angehören, die nicht am Transplantationssystem beteiligt sind und damit Geld verdienen“.

Bestürzendes Ergebnis

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, forderte Konsequenzen. Der „Rheinischen Post“ sagte er: „Manipulationen, um auf der Warteliste nach oben zu kommen, können für andere Patienten, die dringender auf ein Organ warten, das Todesurteil sein. Das muss mit aller Konsequenz geahndet, geächtet, bestraft und für alle Zukunft vermieden werden.“

Das Bundesgesundheitsministerium wies Kritik daran zurück, dass die Prüfung der Transplantationszentren unter dem Dach der Bundesärztekammer stattfindet. „Es gibt Überwachungs-, Prüfungs- und Kontrollmechanismen, die funktionieren“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums in Berlin. „Das sind Einzelfälle, und das betrifft nicht das Gesamtsystem.“

Fleig sagte, er habe im Moment keine Erklärung, warum seit 2010 insgesamt 38 Patienten fälschlicherweise als Dialysefälle ausgewiesen wurden. Sie rutschten damit auf der Warteliste von Eurotransplant nach oben. Er könne auch nicht erklären, warum es in den Jahren davor keine Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Fleig betonte, die eigene Innenrevision nehme das Transplantationszentrum seit Sommer 2012 unter die Lupe. Sie sei jetzt um vier Experten verstärkt worden. Zu den Unregelmäßigkeiten sagte er: „Das ist ein für mich bestürzendes Ergebnis. Ich bin fest davon ausgegangen, dass wir ein regelkonformes Verfahren haben. Ob Dialyse oder nicht ist ein Kreuzchen am Computer“, sagte Fleig. Die suspendierten Mediziner hätten gesagt, sie könnten sich die Falschangaben nicht erklären. Ähnliche Vorwürfe waren 2012 aus München, Regensburg und Göttingen bekannt geworden.