Es ist ein Hoffnungsschimmer aus Warschau: Merkels Einladung nach Polen wird in Berlin als Hinweis gesehen, dass die Politik Trumps und Putins Europa wieder einen könnten.

Berlin - Auch durch Europa“, so hat es der polnische EU-Ratspräsident Donald Tusk in Gedenken an Roman Herzog kürzlich beim Staatsakt für den verstorbenen Altbundespräsidenten in Berlin gesagt, „muss ein Ruck gehen.“ Schon viele vermeintliche Weckrufe hat es für die Europäische Union gegeben, der aggressive Ton gegenüber der Gemeinschaft vonseiten des neuen US-Präsidenten Donald Trump gilt nun gemeinhin als der letzte: Nur geschlossen könnte sie beispielsweise dem amerikanischen Werben um bilaterale Handelsabkommen mit einzelnen, schwächeren Staaten widerstehen oder einer denkbaren Allianz der beiden Präsidenten Trump und Wladimir Putin auf Kosten Osteuropas etwas entgegensetzen. „Diese Zeit“, sagt etwa CDU-Mann Gunther Krichbaum, der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, „müsste die Sternstunde Europas sein.“

 

Die Realität aber ist eine andere, was auch das Einigkeit betonende Schlusskommuniqué des EU-Gipfels auf Malta nicht verdecken kann. Erst die Schuldenkrise und vor allem die Flüchtlingskrise haben tiefe politische Gräben in Europa hinterlassen. Nun meint die Bundesregierung ein Anzeichen dafür ausgemacht zu haben, dass die neue Weltlage die Europäer vielleicht tatsächlich wieder enger zusammenrücken lässt – und zwar ausgerechnet in Polen.

Polen schaut auf einmal wieder sehr interessiert in Richtung Europa

Ausgerechnet Jarosław Kaczynski, der mächtige Mann im Hintergrund der polnischen Rechtsregierung, soll dem Vernehmen nach vergangene Woche Kanzlerin Angela Merkel angerufen und dringenden Gesprächsbedarf angemeldet haben. Es soll der erste direkte Kontakt mit dem Ex-Premier und EU-Skeptiker gewesen sein seit dem Wahlerfolg seiner Partei 2015. Damit Merkel am Dienstag den Mann ohne öffentliches Amt treffen kann, organisierte die ihm ergebene Ministerpräsidentin Beata Szydlo zusätzlich einen offiziellen Regierungsbesuch.

Grund für Kaczynskis Anruf ist Trump gewesen. „Dass die neue US-Führung im Zuge einer Annäherung an Putin bereit sein könnte, Warschauer Interessen zu übergehen, lässt Polen plötzlich wieder sehr interessiert in Richtung EU schauen“, so Krichbaum. Das Horrorszenario ist bekannt: Teil eines möglichen Trump-Deals mit dem russischen Präsidenten, der auf der Habenseite eine Befriedung in Syrien verbuchen würde, könnte beinhalten, Putins Völkerrechtsbruch auf der Krim und in der Ostukraine zu vergessen und ihm vielleicht auch andernorts in Osteuropa freie Hand zu lassen. In diesem – zum Glück noch theoretischen Fall – müssten sich betroffene Staaten andere Sicherheitsgarantien jenseits der Nato holen. Das könnte die EU mit der Atommacht Frankreich sein.

Der Warschauer Hoffnungsschimmer ist klein

Gerade dieses Beispiel jedoch zeigt, wie klein der Warschauer Hoffnungsschimmer ist. Sollte die Nationalistin und Putin-Verbündete Marine Le Pen im Mai die französischen Präsidentschaftswahlen gewinnen, könnte dies das Ende der Gemeinschaft bedeuten. Und auch die jüngsten Aussagen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán sind zuletzt eher noch EU-kritischer denn EU-freundlicher geworden. So hört sich die neue Aufgabenbeschreibung für die deutsche Politik aus dem Auswärtigen Amt fast schon ein wenig beschwörend an: „Angesichts der zahlreichen Umwälzungen in der Welt ist eine starke EU für Deutschland unersetzlich.“

Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Joachim Poß, ebenfalls Mitglied im Europausschuss, sieht die Lage kritisch, aber mit Verweis auf Polen eben nicht ganz hoffnungslos: „Das Bemühen um europäische Einigkeit wird natürlich gestärkt, wenn selbst Leute wie Kaczynski, Putin im Nacken, jetzt zu neuen Schlussfolgerungen kommen.“