Österreich schmiedet mit den Anrainer-Staaten der Balkanroute eine Allianz in Sachen Flüchtlingsabwehr. Dass die geladenen Politiker Wiens Führungsanspruch akzeptieren, ist wenig überraschend.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Stuttgart - Als „enge Allianz” pries Gastgeberin Johanna Mikl-Leitner das Stelldichein von 18 Innen- und Außenminister aus Südosteuropa am Mittwoch in Wien. Mit gemeinsam abgesprochenen Maßnahmen zur Einschränkung der Flüchtlingsbewegung solle in der EU eine „Kettenreaktion der Vernunft“ ausgelöst werden, so Österreichs konservative Innenministerin.

 

Nicht erst seit der Flüchtlingskrise führen fast alle Wege auf dem Balkan nach Wien. Doch es sind nicht nur enge historische Habsburger-Bande, die die Minister der Balkanländer willig dem Ruf ihrer österreichischen Amtskollegen folgen ließen.   Wirtschaftlich und politisch pflegt Österreich zum Südosten des Kontinents traditionell sehr enge Bande. Und während deutsche oder westeuropäische Botschafter ihre Amtsjahre in Belgrad, Sarajevo oder Zagreb meist auf Englisch oder eben der eigenen Muttersprache hinter sich bringen, sind vorzügliche Kenntnisse der Landessprache bei ihren österreichischen Amtskollegen durchaus üblich.  

Der Außenminister putzt eifrig Klinken auf dem Balkan

Schon seit Monaten setzen vor allem die ÖVP-Minister in Österreichs Regierung als Vertreter einer „harten“ Linie in der Flüchtlingsfrage auf eine rege Pendeldiplomatie. Während Innenministerin Johanna Mikl-Leitner mit ihren eher oberlehrerhaft wirkenden Vorhaltungen Griechenland schon von Anfang an kräftig brüskierte, suchte sie gleichzeitig mit ihren Amtskollegen auf dem Westbalkan den intensiven Kontakt. Jung-Außenminister Sebastian Kurz putzte derweil   in den Balkan-Hauptstädten kräftig die Klinken: Kaum ein anderer Chefdiplomat machte im letzten halben Jahr der Region so häufig die Aufwartung wie der umtriebige Österreicher.

Doch erst seit Ungarn seine Grenzen für Flüchtlinge abgeriegelt und die Balkanroute sich in Folge dessen nach Westen verschoben hat, kann Wien für die anvisierte Drosselung der Flüchtlingszahlen mit seinem Nachbarn Slowenien auf einen kooperativen Mitspieler zählen: Wien und Ljubljana geben seitdem bei der immer strikteren Auslese der Flüchtlinge den Takt vor.

Die Anrainer suchen den Schulterschluss

Wie sieht die Lage in den anderen betroffenen Ländern aus? Ungarn preschte am Mittwoch mit seinem Vorschlag zu einem Referendum vor: Seine Bürger sollen über das System der EU-Flüchtlingskontingente abstimmen. Das von Österreich in der Flüchtlingskrise kräftig hofierte Mazedonien mimt freudig den Schleusenwärter – zum großen Ärger Griechenlands. Die Aufwertung durch Wien kommt Mazedoniens starkem Mann Nikola Gruevski angesichts der zunehmenden internationalen Kritik an seiner autoritären Amtsführung dabei mehr als zupass.

In Staaten wie Serbien und Kroatien ist das Verständnis für die Flüchtlinge wegen der eigenen Kriegserfahrungen sicher größer als in Österreich. Doch es ist die Angst, bei einer unkoordinierten Abriegelung der Balkanroute zum unfreiwilligen Hotspot zu werden, die deren Anrainer – bis auf Griechenland – ungewohnt einig den Schulterschluss mit Österreich suchen lässt.

Die Balkanstaaten wissen nicht, was die EU will

Die fehlende EU-Strategie tut da ein Übriges. Schon seit Monaten fordert Serbiens Außenminister Ivica Dacic die EU-Partner immer wieder dazu auf, den Anrainer-Staaten zu sagen, was man von ihnen eigentlich erwarte: den Transit der Flüchtlinge möglichst reibungslos zu gewährleisten – oder zu verhindern.   Eine deutliche Antwort bleibt aus. Mit der EU und Berlin will es sich der EU-Anwärter Serbien zwar keineswegs verderben. Andererseits lässt die Furcht vor den Folgen einer plötzlichen Abriegelung der Route auch Belgrad die österreichische Regie in der Flüchtlingskrise akzeptieren. Wie sich Österreich in der Flüchtlingskrise verhalte, werde das auch Serbien tun, versichert Sozialminister Aleksander Vulin.

Während die EU sich nicht einmal auf einen Schlüssel zur Verteilung von Kriegsflüchtlingen einigen kann, bastelt Österreich also im Alleingang entschlossen an seinem Mini-Balkanpakt.