Die Freunde der absoluten Gleichheit haben Konjunktur. Doch sie richten auch viel Schaden an, meint unsere Kolumnistin Sibylle Krause-Burger. Ein Plädoyer gegen den blinden Gleichheitseifer in Grundschulen – und weit darüber hinaus.

Stuttgart - E - Ein Gespenst geht um in der westlichen Welt. Nein, es ist nicht das Gespenst des Kommunismus, das Marx und Engels einstmals in ihrem Manifest heraufbeschworen haben. Es handelt sich um einen entfernten Verwandten, es ist der Gleichheitswahn. Gemeint ist die Überzeugung, dass alle Menschen gleich sind, dass es keinen Unterschied macht, ob jemand als Mann oder Frau geboren wird, ob jemand dumm oder intelligent ist, vollkommen gesund oder behindert. Alle können alles, dürfen alles. Niemand darf ausgegrenzt werden. Eine wahrhaft schöne Idee.

 

Man könnte es auch eine christliche Idee nennen, eine soziale, eine menschenfreundliche. Schließlich lässt sich an vielen Orten auf der Welt mit Erschrecken besichtigen, wohin es führt, wenn Menschen ins Abseits gestellt werden, seien es sogenannte Ungläubige, die man nach Manier der Islamisten bedenkenlos töten darf, seien es Minderheiten, die man, wie jetzt die Rohingya in Myanmar, aus dem Lande vertreibt und dem Elend überantwortet, seien es vermeintliche Volksschädlinge – so nannten die Nazis ihre jüdischen Mitbürger – die man im Dritten Reich beraubte, menschlich ausbeutete und schließlich zu Millionen ermordete. Ob das dann religiös oder weltlich-politisch überhöht, also in einem Glaubenskanon oder einer Ideologie gerechtfertigt wird, bleibt sich gleich. Es ändert nichts an der Abscheulichkeit dieser Taten. Sie sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit, zu denen sich eigentlich niemand bekennen kann, der nicht darüber hinwegsieht, dass zu jedem Menschen, um es mit unserem Grundgesetz zu sagen, eine unantastbare Würde gehört, dass auch alle vor dem Gesetz gleich sind und eine Chance haben sollen, mit ihrem Pfunde zu wuchern.

Spalt der Ungerechtigkeit

Nun gibt es allerdings Leute – und da sind wir bei jenem schon erwähnten Familienmitglied des Kommunismus angelangt – die aus diesem Tableau der Menschlichkeit ableiten, es dürfe um der Gleichheit und Gerechtigkeit willen keine Eliten mehr geben. Kein Unterschied soll sein zwischen dem Eliteschüler und dessen Zeitgenossen, der gerade mal ein paar Grundschulklassen mit Müh und Not hinter sich gebracht hat. Was also tut eine brave, menschenfreundliche Gesellschaft, oder besser: Was drängt sie ihre politische Führung zu tun? Ganz einfach, sie wird versuchen, die Eliteeinrichtungen abzuschaffen, um den Spalt der Ungerechtigkeit zwischen dem Grund- und dem Eliteschüler gar nicht erst aufbrechen zu lassen. Für das öffentliche Bildungssystem der Bundesrepublik heißt das: hinweg mit den Gymnasien und her mit den Gemeinschaftsschulen. Es kann aber ebenso bedeuten, das Gymnasium für jedermann zugänglich zu machen, auch für diejenigen, die es vorhersehbar ganz bestimmt nicht schaffen.

Was aber kommt bei dieser Gleichmacherei heraus? Vor allem eine unvermeidbare Leistungsminderung. Nicht ohne Grund klagen Unternehmer schon seit Jahren über die mäßige Allgemeinbildung von Bewerbern und sogar über Rechtschreibschwächen bei Abiturienten. In Deutschland sind die Niveaus gesunken, wie internationale Studien beweisen.

Wo sind die deutschen Nobelpreisträger? Und was hat der rot-grüne Gleichheitseifer in Baden-Württemberg mittlerweile in den Grundschulen angerichtet, wenn eine vergleichende Studie über die Fähigkeiten in Deutsch und Mathematik das Ländle auf Platz zehn hinter dem Saarland und Brandenburg zeigt? Natürlich geht der Niveauverlust hier auch auf die vielen zugewanderten Kinder aus bildungsfernen Welten zurück. Doch ihr Niveau gibt den Takt vor. Wo der Gleichheitswahn herrscht, müssen sich immer alle nach den Schwächsten richten. Und ob die Fanatiker es nun glauben oder nicht: Es gibt Schwache, es gibt Dumme, es gibt Ungeschickte, es gibt Mittelmäßige und es gibt außerordentlich Begabte. Es kann nicht jeder Mozart sein. Wo also liegt der Denkfehler?

Jeder ist wertvoll für die Gesellschaft

Er liegt darin, dass die Gleichheit an sich für absolut und gerecht genommen wird, nicht die Würde des Menschen, nicht sein Wert. Denn jeder ist gleichermaßen wertvoll für die Gesellschaft, ob er nun ein Handwerk ausübt, an der Universität unterrichtet oder den Müll abtransportiert, ob er gesund oder krank, schwarz oder weiß ist. Er ist ein Mensch und hat allemal den Respekt der ganzen Gesellschaft verdient.

Aber das heißt doch nicht, dass der Maurer auch die Firma leiten kann, für die er arbeitet. Es bedeutet nicht, dass der Krankenschwester zusteht, selbst das Skalpell zu führen. Und es sollte auch nicht dazu führen, dass ein geistig behindertes Kind via Inklusion über Jahre hinweg zusammen mit normalen Schülern im Unterricht sitzt. Auch wenn es sich um eine Vorgabe der UN handelt, so sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand, dass die Inklusion nur Verlierer produziert: das geistig kranke Kind – nicht das im Rollstuhl – , das in einer mehrheitlich gesunden Umgebung sein Anderssein empfindet und leidet; ebenso die Gesunden, um die sich die Pädagogen nicht ausreichend kümmern können; nicht zuletzt die Lehrer selbst, die überfordert sind. Die Inklusion bewirkt eine Exklusion für kranke wie gesunde Kinder. Im Grunde sehen sich beide von der ihnen zustehenden Förderung ausgeschlossen. Nur die Gleichheitsideologen dürfen zufrieden sein. Ihnen ist Genüge getan.