Der Mobile World Congress in Barcelona zeigt, wie sich Maschinen immer stärker dem menschlichen Denken annähern. Digitale Assistenten kommunizieren mit uns, alles ist künftig vernetzt.

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Stuttgart/Barcelona - Auf der größten Mobilfunkmesse MWC, die am Sonntag in Barcelona eröffnet wird, rückt die Technik immer näher an den Menschen heran. Fitnessarmbänder und Kopfhörer messen die Vitalwerte, Sprachassistenten dirigieren das vernetzte Zuhause, virtuelle Brillen helfen bei der Arbeit und glubschäugige Roboter üben sich im Dialog. Die Vernetzung mit dem Internet erfasst inzwischen alle Lebensbereiche und Alter – von der vernetzten Babypuppe bis zum smarten Gehstock. Was wird noch alles geboten? Ein Ausblick auf die fünf größten Technik-Trends in diesem Jahr, die unseren Alltag verändern werden.

 

Huawei und LG wollen Apple und Samsung die Show stehlen

In Barcelona ist der Wettlauf um das beste Smartphone die Prestigefrage der Messe. Wie wichtig sie ist, zeigt auch, dass die Smartphone-Shows mit den Spitzenmodellen in separaten Pressekonferenzen bereits am Nachmittag und Abend vor dem offiziellen Messeauftakt präsentiert werden. Da die beiden Marktführer Apple und Samsung passen, könnten die Konkurrenten den Smartphone-Thron erklimmen bzw. zumindest die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen: Samsung will nach dem Batterie-Debakel das Note 7 sein neues Spitzenmodell erst später zeigen und nur ein Tablet präsentieren; Apple ist traditionell nicht auf der Messe vertreten und zeigt das neue iphone erst im Herbst.

Der chinesische Hersteller Huawei ist Verfolger Nummer eins, verrät aber über das neue Spitzenmodell P 10 nichts. Die Einladungskarte zur Pressekonferenz, auf der die Hersteller Andeutungen machen, lässt darauf schließen, dass Huawei wieder mit einer zweifachen Kamera auf der Rückseite punkten will, die vom Produzenten Leica stammt. Glaubt man den Spekulationen der Technik-Blogs könnte es auch eine besonders scharfe Frontkamera für Selfies, einen besonders schnellen Arbeitsspeicher sowie einen Fingerabdrucksensor und Iris-Scanner bieten.

LGs neues Spitzenmodell G6 verzichtet auf die modulare Bauweise des Vorgängermodells, die den Absatz nicht befördern konnte. Es könnte mit einem extrem schmalen Rahmen, einem besonders starkem Akku und Googles Edel-Sprachassistenten Assistent punkten. Mit Spannung erwartet wird auch Nokias Rückkehr als Smartphone-Produzent. Das Nokia P1 will offenbar wie früher vor allem mit einer exzellenten Kamera überzeugen, die von Carl Zeiss zertifiziert wurde. Ob der einstige Handy-Marktführer sich im Wettkampf mit Samsung, Huawei, Apple und Co. allerdings behaupten kann, ist wohl eher fraglich.

Künstliche Intelligenz ist ein wichtiger Trend auf der Messe

Sprachassistenten helfen bei der Nutzung des Smartphones. Computerprogramme unterhalten sich mit den Kunden und nehmen Bestellungen auf. Programme ergänzen zu Fotos automatisch die Namen. Künstliche Intelligenz – kurz KI genannt – ist ein Megatrend der Messe. Ob autonome Autos, Drohnen oder Roboter – die smartesten Produkte werden nicht nur mit dem Internet vernetzt und programmiert, sondern lernen selbstständig dazu. Eine „kognitive Technologie, die denken kann wie ein Mensch“, erklärt IBM den Begriff. Der Konzern investiert für seinen Supercomputer Watson in München 200 Millionen Euro. Watson lernt bei der Diagnose von Krebserkrankungen dazu, hilft bei der Steuererklärung oder bearbeitet Versicherungsfälle.

Das sind aktuelle Beispiele, die zeigen, wie sehr künstliche Intelligenz und die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine unseren Alltag verändern könnte. Und auch immer häufiger auch anspruchsvolle Tätigkeiten von Menschen übernimmt. Deshalb erhöhen IBM, Amazon, Apple, Microsoft, Bosch & Co. ihre Forschungsausgaben rasant. So will Bosch binnen zehn Jahren praktisch jedes Produkt mit künstlicher Intelligenz versehen und steckt dafür allein bis 2011 rund 300 Millionen Euro in die KI-Forschung. Der Weltmarkt für KI und maschinelles Lernen wird nach Prognosen des Digitalverbands Bitkom dieses Jahr um 92 Prozent auf 4,3 Milliarden Euro wachsen. Bis 2020 soll er gar 21,2 Milliarden Euro erreichen.

Die Messe steht im Zeichen der Vernetzung

Milliarden von Geräten werden mit dem Internet vernetzt

Natürlich steht die Messe auch ganz im Zeichen der Vernetzung – mehr als eine Milliarde Geräte sind inzwischen vernetzt, diese Zahl soll sich in den nächsten Jahren vervierfachen. Anschluss an das Internet finden Menschen, Wohnungen, Industrieanlagen und ganze Städten. Dabei werden inzwischen alle Lebenslagen abgedeckt – von der Babykamera zum Gehstock mit integriertem Alarmknopf. Was bereits zeigt, dass nicht immer Sinnvolles herauskommt, wenn man Dinge ans Internet anschließt: Dieses Jahr zieht im Bad nach der vernetzten Zahnbürste auch die Internet-Bürste ein, die unter anderem Bürstenstriche misst. Brause-Liebhaber können sich den Duschkopf zulegen, der sich über eine App steuern lässt.

Aber es gibt auch seriöse Trends. So wächst der Markt mit dem vernetzten Zuhause rasant: Inzwischen sind Lampen, Lautsprecher, Steckdosen, Türschlösser, Thermostate, Heizungen und aller Varianten von Haushaltsgeräten internettauglich und können mit Apps dirigiert werden. Dabei gewinnt die Sprachsteuerung an Bedeutung, wie sie Amazon mit dem vernetzten Lautsprecher Alexa praktiziert. Immer häufiger sind auch Roboter zu sehen, die meist große Augen und niedliche Gesichter haben. Sie werden von den großen Unternehmen als Kommunikations- und Haushaltshilfe erprobt und haben Namen wie Kuri (Bosch), Zenbo (Austec), Pepper (SoftBank) oder Jibo (Acer). Die vernetzten Geräte soll auch in Barcelona persönlicher und emotionaler wirken. Ein Dauerbrenner bereits sind Fitnessbänder und Computeruhren, die in allen Farben und Formen daherkommen und Gesundheitswerte wie Blutdruck, Herzfrequenz, Schlafdauer, Sauerstoffgehalt und Blutzucker messen. Unter dieser tragbaren Technik – Wearables genannt – sind derzeit intelligente In-Ohr-Kopfhörer im Kommen.

Sprachassistenten beantworten Fragen und steuern das Zuhause

Immer mehr Menschen unterhalten sich mit dem Sprachassistenten ihres Smartphones. Laut einer Umfrage von Statista DMO haben in Deutschland im vergangenen Jahr 17 Millionen Menschen Googles Sprachassistent Now genutzt, rund elf Millionen Apples Siri und rund sieben Millionen Microsofts Cortana. Sie lassen Kontakte aufrufen, sich navigieren, Informationen suchen, Nachrichten verfassen und Termine verwalten.

Im Kommen sind auch Assistenten, die sich auf die Steuerung der Wohnung spezialisieren, um das Licht zu dimmen, Musik abzuspielen oder die Heizung zu regulieren – hier ist Amazons Sprachsteuerungs-Lautsprecher Alexa am weitesten verbreitet, den es seit Oktober vergangenen Jahres zu kaufen gibt. „Die Assistenten stellen eine neue Schnittstelle zwischen Mensch und Internet dar“, sagt Bitkom-Experte Timm Lutter,

Die Hersteller konkurrieren in Barcelona um die Sprachhoheit, denn die Kommunikation mit den digitalen Assistenten könnte einen Großteil der Technik steuern und so manchen Bildschirm überflüssig machen. Google will mit dem Edel-Sprecher Assistent punkten, der im neuen Flaggschiff-Handy Pixel steckt. Samsung hat erst kürzlich den Sprachassistenten-Entwickler Viv Labs gekauft und arbeitet an einem neuen Assistenten, der S Voice verbessern soll. Auch IBM, Bosch oder Digitalstrom versuchen, mit eigenen Assistenten auf dem Boom-Markt Fuß zu fassen.

Virtuelle Brillen helfen beim Einkauf und bei der Arbeit

Wenn Verbraucher von Computer erzeugte Welten als real empfinden, wird das virtuelle Realität (VR) genannt. Neue Brillen, Handgeräte und Computerprogramme von HTC, Oculus, Sony und Samsung sorgen derzeit für einen Boom in der Spieleindustrie. Im vergangenen Jahr wurde nach Schätzungen der Beratungsfirma Deloitte mit VR-Hardware und VR-Inhalten in Deutschland mehr als 150 Millionen Euro umgesetzt. 2020 sollen es bereits eine Milliarde Euro sein.

In Barcelona stehen auch die Anwendungen im Geschäftsbereich im Fokus, insbesondere in den Bereichen Marketing, Präsentation, Schulung, Produktentwicklung, Wartung und Logistik. Audi und Ikea bieten schon jetzt an, sich Auto bzw. Küche nach den persönlichen Vorlieben zu konfigurieren. Mieter können virtuell Wohnungen besichtigen, Autobauer wie Daimler Prototypen entwickeln, Feuerwehrleute üben, Brände zu löschen. Montagearbeiter lernten die Fertigung mit Brille und mit Sensoren bestückten Handschuhen. Teilweise kommen auch die seit Jahren erprobten Augmented-Reality-Brillen (Brillen der erweiterten Realität) zum Einsatz, bei denen in das Gesichtsfeld der Nutzer zusätzliche Informationen eingeblendet werden wie zum Beispiel die Wartungsanweisungen für einen Monteur.

Jim Bailey, Geschäftsführer bei Accenture Mobility, erwartet deshalb einen Boom für diese Geschäftsanwendungen, der nachhaltiger sein werde als jener im Unterhaltungsbereich. Brillen „können auch Geschäftsprobleme lösen helfen“, so Bailey. Die Technologie weder in einer mit dem Internet vernetzten Industrie unabdingbar sein.