Nach einer Trennung leben Kinder in Deutschland überwiegend bei den Müttern. Doch der Ruf nach gleichberechtigter Betreuung wird lauter. Die Justizminister haben angekündigt, das sogenannte Wechselmodell zu prüfen.

Stuttgart - Johannes Fels hofft auf die FDP. Die will sich dafür stark machen, dass minderjährige Kinder nach der Trennung oder Scheidung ihrer Eltern abwechselnd bei beiden Elternteilen leben können, beispielsweise eine Woche bei der Mutter, eine Woche beim Vater. So hat sie es in ihrem Bundestagswahlprogramm angekündigt. Damit kommen die Liberalen vor allem dem Wunsch von Vätern nach, die sich statt des bisherigen Residenzmodells ein Wechselmodell wünschen.

 

„Die jetzige Regelung benachteiligt die Väter und schadet den Kindern“, sagt Fels, der sich mit anderen Betroffenen für eine Gesetzesänderung stark macht. Für ihn selbst käme diese zwar zu spät, denn seine beiden Kinder, die seit der Trennung in Norddeutschland leben, sind beinahe erwachsen. Aber es gehe ihm um eine grundsätzliche Änderung, sagt der Sindelfinger. Die Auffassung, die Mutter betreue, der Vater bezahle, sei nicht mehr zeitgemäß. Kinder bräuchten beide Eltern. Damit die Bindungen erhalten blieben, müssten sie auch genügend Zeit miteinander verbringen können. Eine Studie aus Schweden, wo das Wechselmodell seit längerem praktiziert wird, kommt zu dem Ergebnis, dass Trennungskinder, die mit beiden Elternteilen leben, weniger Loyalitätskonflikte haben.

Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes gab es im vergangenen Jahr bundesweit knapp 82 000 Scheidungen. Davon betroffen waren rund 132 000 minderjährige Kinder, dazu kommen noch zehntausende Trennungswaisen unverheirateter Paare. Etwa 90 Prozent der Kinder leben bei ihren Müttern – in der Regel sprechen ihnen die Gerichte die Kinder zu, wenn sich die Eltern nicht anders einigen.

Justizminister prüfen neue Regelung

Das könnte sich ändern. Anfang des Jahres entschied der Bundesgerichthof, grundsätzlich sei nichts dagegen einzuwenden, dass Familiengerichte das Wechselmodell anordnen, auch wenn einer der Partner dagegen sei. Voraussetzung sei aber immer, dass das dem Wohl des Kindes entspreche. Eineinhalb Jahre zuvor hatte bereits der Europarat beschlossen, die Rolle der Väter zu stärken. Sie sollten auch nach einer Trennung die volle Teilhabe an der elterlichen Sorge haben.

Im Sommer zogen die Justizminister des Bundes und der Länder nach. Die Rechtspolitik müsse sich der Diskussion um das „Wechselmodell“ stellen und prüfen, ob und welche gesetzlichen Regelungen dazu geboten seien, erklärten sie. Bislang fehle eine gesetzliche Grundlage. Zudem müssten Fragen wie Unterhalt, Rente, Steuern und mehr geklärt werden. Derzeit müssen Väter beispielsweise auch dann vollen Unterhalt bezahlen, wenn die Kinder die Wochenenden oder Ferien bei ihnen verbringen.

Kinderschutzbund gegen Wechselmodell

Der Bundesverband des Deutschen Kinderschutzbundes spricht sich dagegen aus, das Wechselmodell zum gesetzlichen Leitbild zu machen. „Das Wohl der Kinder kann beim Doppelresidenzmodell nur dann im Mittelpunkt stehen, wenn die elterliche Kommunikation sehr gut ist wenn und sich die Eltern darin einig sind, dass ihre Kinder einen Teil der Zeit beim einen, den anderen Teil beim anderen Elternteil verbringen“, sagt Beate Naake, Rechtsprofessorin an der Evangelischen Hochschule Dresden und Vorstandsmitglied im Deutschen Kinderschutzbund. Diese Paare, die sich einvernehmlich trennen, machten das aber schon heute untereinander aus und seien auf eine entsprechende gesetzliche Regelung gar nicht angewiesen. „Können sich Eltern hingegen nicht einigen, dann verstärkt eine solche Grundsatzregelung die Konflikte noch.“ Kinder litten dann unter Loyalitätskonflikten, und die Richter müssten im Einzelfall darlegen, warum das Kind nur bei einem Elternteil leben soll.

Auch die Juristin verweist auf eine Studie aus Schweden. Diese zeige, dass in Fällen, in denen die Doppelresidenz gerichtlich angeordnet werde, das Modell nicht funktioniere. Nach einem Jahr praktiziere es nur noch die Hälfte der zerstrittenen Paare. Um das Tauziehen um die Kinder zu verhindern, seien mehr Beratungsangebote für Eltern und Kinder nötig. „Im Vordergrund muss das Wohl der Kinder stehen, nicht die Wünsche und Bedürfnisse der Eltern.“