Julia Gajer hat eine simple Erklärung für den Schlüssel ihres Erfolges: „Ich habe mein eigenes Rennen gemacht, nicht nach links oder rechts geschaut“, sagt die 32-Jährige aus Ditzingen-Hirschlanden, die beim Ironman auf Hawaii als beste Deutsche nach 3,8 Kilometern Schwimmen, 180 Kilometern Radfahren und 42 Kilometern Laufen in der Frauenkonkurrenz auf dem sechsten Platz landete.

Ditzingen - Julia Gajer hat eine simple Erklärung für den Schlüssel ihres Erfolges: „Ich habe mein eigenes Rennen gemacht, nicht nach links oder rechts geschaut“, sagt die 32-Jährige aus Ditzingen-Hirschlanden, die beim Ironman auf Hawaii als beste Deutsche nach 3,8 Kilometern Schwimmen, 180 Kilometern Radfahren und 42 Kilometern Laufen in der Frauenkonkurrenz auf dem sechsten Platz landete. „Es war mein bisher krassestes Rennen“, sagt die Profisportlerin nach ihrer Rückkehr. Überglücklich, dass sie bei diesen Weltmeisterschaften ihr Ziel, unter den zehn Besten zu landen, mehr als erreicht hat. „Ich hatte mir Rang neun oder zehn ausgerechnet“, so die Debütantin. Eine Chronik der Ereignisse in Kailua-Kona auf Big Island. Akklimatisation Zwei Wochen vor dem großen Ereignis reist Julia Gajer nach Big Island im Pazifischen Ozean an. „Am Anfang hatte ich mit den klimatischen Bedingungen mit über 30 Grad und der Zeitverschiebung zu kämpfen, habe mich dann aber gut angepasst“, erzählt Julia Gajer.

 

Für jeden Nicht-Triathleten, sagt sie, sei es vermutlich nur schwer zu verstehen, warum man bei diesen Temperaturen und starkem Wind auf dem Highway fast unendliche Kilometer Rad fährt und läuft, nachdem man bei Wellengang im Pazifik 3,8 Kilometer geschwommen ist. „Es gibt hunderttausend Geschichten und Mythen über den Ironman auf Hawaii, dieses Rennen ist ein besonderes. Von Beginn an hat mich der Triathlon-Spirit, der hier herrscht, gepackt und ich habe versucht, jede Sekunde davon zu genießen und aufzusaugen.“ Für Gajer ist es eine große Ehre, auf Hawaii starten zu dürfen. Stimmung Ihre letzten wichtigen Trainingseinheiten absolviert Julia Gajer auf allen Original-Wettkampfstrecken und testet diese bis ins Detail. „Deshalb konnte ich beruhigt in das Rennen gehen.“ Auch ihre Form stimmt. „Mein Ziel war es, gut zu schwimmen, stabil und kontrolliert Rad zu fahren und dann beim Laufen anzugreifen.“ Sie ist sich sicher: „Wenn mir in allen drei Disziplinen ein gutes Rennen gelingt, ist ein Platz unter den Top-Ten möglich, und das wäre ein tolles Debüt bei den Weltmeisterschaften“, so ihre Stimmung kurz bevor es losgeht. Am Abend vor dem großen Tag bringen die Athleten ihre Räder in die Wechselzone. Die promovierte Apothekerin entscheidet sich für ein „Angsthasenrad“, wie sie später erzählen wird. Die Felge des vorderen Laufrads ist bei dieser sicheren Variante nicht ganz so breit, bietet dem Wind, der auf dem Highway zumeist heftig von der Seite bläst, nicht ganz so viel Widerstand. Gajer wird mit ihrer Entscheidung richtig liegen. Tag X Für einen entspannten Hawaii-Urlauber wäre das die Hölle. Julia Gajers Wecker klingelt am Renntag mitten in der Nacht um halb vier. „In den Tagen zuvor war ich sehr relaxed und freute mich auf den Tag X, doch so allmählich wurde ich immer nervöser.“ Vor großen Wettkämpfen spult sie ihre Standards ab. Ein bis zwei Brötchen mit Marmelade und Honig zum Frühstück, die Tasse Kaffee darf nicht fehlen. Dann ein letzter Rad-Check. Luft prüfen. Getränke nicht vergessen. Jeder Athlet bekommt seine Startnummer auf die Arme „tätowiert“. Der Startschuss am Kailua Pier ertönt für die Männer um 6.25 Uhr, um 6.30 Uhr folgen die Frauen. Danach stürzen sich die Amateure in die Fluten. Das Rennen Die Wellen des Pazifiks machen der Profisportlerin aus Hirschlanden zu schaffen. „Ich bin nicht gut geschwommen, doch im Meer, zudem noch ohne Neopren, ist man immer langsamer.“ Normalerweise stemmt sie die 3,8 Kilometer in 50 Minuten. In Kailua-Kona kehrt sie mit der späteren Siegerin, der Australierin Mirinda Carfrae, im Mittelfeld nach einer Stunde zum Pier zurück. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Spitzengruppe bereits seit sechs Minuten auf der Radstrecke. Der Tag ist noch lang, das weiß Gajer. Sie kann mit Carfrae, die schon 2013 den Ironman gewann, auf dem Rad gut mithalten. „Darüber war ich etwas erstaunt, weil sie zuletzt beim Ironman in Roth schneller war.“ Gajer schöpft daraus Motivation und hält bei mehr als 30 Grad und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit ihr Tempo hoch. Immer geradeaus durch die Lavafelder, dem starken Gegen- und Seitenwind trotzen. Nichts denken, nicht abschweifen, die Konzentration beibehalten. Windschattenfahren ist nicht erlaubt, Gajer und Carfrae wechseln sich mit mindestens 13 Metern Abstand mit der Führung ab, rollen das Feld von hinten auf und kommen als Neunte in die Wechselzone. Betreuer Gajers Ehemann, Vater, Schwester und ein Betreuer aus ihrem Profiteam verfolgen das Geschehen vor Ort an der Strecke und geben der Athletin wichtige Informationen über den Rennverlauf. Zu Hause in Deutschland sitzt der Bruder die ganze Nacht vor dem Fernseher und Computer, füttert die Begleiter via WhatsApp mit Informationen. Ein eingespieltes Team. Somit weiß die Profisportlerin genau, was vor und hinter ihr passiert. Zieleinlauf Nach 5:06,13 Stunden auf dem Rad folgt der Marathon. Julia Gajer ist eine starke Läuferin, hinter ihr folgen Konkurrentinnen, die langsamer zu Fuß sind. Das Ziel Top-Ten ist zum Greifen nah. „Ich wusste, dass ich die letzte Disziplin entspannt angehen kann.“ Die ersten 21 Kilometer absolviert sie nach Plan. Auf dem sechsspurigen und welligen Highway ist sie relativ einsam. Hierhin verirrt sich kaum ein Zuschauer. Dann wird es richtig hart. Jeder fürchtet den legendären Energy Lab zwischen Kilometer 25 und 30. Ein markanter Wendepunkt auf der Marathonstrecke. „Wenn es sonnig ist, ist das die heißeste Stelle“, sagt Gajer. Die 32-Jährige beißt die Zähne zusammen und überholt noch drei Konkurrentinnen. Ein „Wahnsinnsgefühl“ überkommt sie auf dem berühmten Alii Drive. Nur noch wenige Meter. Von den Begeisterungsstürmen der Zuschauer wird sie ins Ziel getragen. „Da ist die ganze Quälerei von mir abgefallen und ich wusste, wofür ich diesen Aufwand betrieben habe.“ Ausblick Eine Woche Urlaub auf Hawaii gönnt sich Julia Gajer mit ihrem Mann nach diesem Triumph. Zeit, den Erfolg zu realisieren und dann zu genießen. Zu Hause angekommen macht sie erst einmal vier Wochen Pause. Doch es juckt schon wieder. „Ich habe viele Ideen, was ich noch besser machen kann“, sagt sie. Im nächsten Jahr will sie auf jeden Fall wieder dabei sein.