Endzeitszenarien, virtuelle Welten und Filmerlebnisse auf Picknickdecken: Ein Rundgang über das Trickfilmfestival führt zu hoffnungsvollen Nachwuchsfilmern, in eine Zone für Computerspiele und zu den Spezialisten für digitale Spezialeffekte.

Stuttgart - Es gibt an diesen Tagen kaum einen Ort, an dem man ihnen nicht begegnet. Im Mercedes-Benz Museum, in den Innenstadtkinos, im Jugendhaus Mitte, im Haus der Wirtschaft und vor allem am Schlossplatz. Die bunten, lustigen, aber auch leisen und bewegenden Trickfilme sind überall. Ein Rundgang durch die Stadt.

 

Herz des Festivals: Der Schlossplatz

Das 22. Internationale Trickfilmfestival, das noch bis Sonntag die ganze Stadt für sich einnimmt, ist nicht nur eines der bedeutendsten Festivals für den Animationsfilm weltweit, sondern auch ein Fest für alle Kinobegeisterten. Die große Leinwand zieht schon während der Mittagszeit Besucherströme an den Schlossplatz – ein beliebter Platz für die Mittagspause. Die Nudeln aus der Pappbox werden in dieser Woche zu animierten Kurzfilmen gegessen. „Wir sitzen jeden Mittag hier“, sagt ein Besucher, der sich auf dem Rasen niedergelassen hat. „Und heute laufen im Hintergrund Trickfilme, das ist toll, eine schöne Atmosphäre.“ Mit dem Wetter haben die Veranstalter bisher Glück. Nur am Eröffnungstag hat es richtig geregnet, lediglich ein paar Hartgesottene haben sich da mit Regenschirm in den Festival Garden gewagt. Levin, Franzi und David haben den Schulschluss genutzt, um gleich mit ihrer halben Klasse der Michael-Bauer-Schule an den Schlossplatz zu kommen. „Wir mögen das Festival. Man sieht, dass Trickfilme nicht nur etwas für Kinder sind, sondern eine Botschaft vermitteln“, ist sich die Gruppe einig.

Kreative Gäste: Die Animationsfilmer

Eine Botschaft vermittelt auch „Wrapped“ von Falko Paeper, Roman Kälin und Florian Wittmann. Die drei haben an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg studiert und sitzen jetzt vor den Innenstadtkinos in der Gloria-Passage. Mit ihrem Abschlussfilm sind sie nicht nur auf dem Filmfestival vertreten, sondern auch für den Lotte-Reiniger-Förderpreis nominiert. „Wrapped“ zeigt eine Art Endzeitszenario, in dem sich die Natur gewaltsam ihre Stadt zurückerobert. Äste, Grashalme, Blüten und Gebüsch drängen sich durch die Ritzen der Straßen und Hochhäuser New Yorks, bis alles explodiert und die ganze Erde mit Grün übersät wird. Falko Paeper kommt ursprünglich aus Berlin, für sein Studium ist er in den Süden gegangen – und auch nach seinem Abschluss genau wie Florian Wittmann geblieben. Nur Roman Kälin hat es zurück in die Schweizer Heimat gezogen. „Stuttgart hat sich zu einem guten Standort für Produktionsfirmen entwickelt. Ein wachsender Markt, den man noch mitgestalten kann“, sagt Paeper. Nicht zu vergessen sei die wirtschaftliche Stärke der Stadt. „In Stuttgart gibt es große Firmen, die Animationen brauchen“, sagt er. Stuttgart sei vielleicht nicht so kreativ wie Berlin, berge aber viele Möglichkeiten, die einfach nur genutzt werden müssen.

Abgezockt: Die Game Zone

Wie sich die Stadt im Bereich Spiele entwickelt, zeigt die Game Zone im Württembergischen Kunstverein nahe des Schlossplatzes. Kuratorin Sabiha Ghellal, Professorin an der Hochschule der Medien, hat den Schwerpunkt bewusst auf Computerspiele aus Baden-Württemberg gesetzt. Auch ein Spieleautomat, den einige ihrer Studenten an der HdM entwickelt haben, kann dort getestet werden. Der Automat ist angelehnt an alte Daddelmaschinen, die früher in Kneipen standen. Der eigentliche Trend ist aber zurzeit die virtuelle Realität, also das Eintauchen in eine künstliche Welt, diese nicht nur zu sehen, sondern von ihr umgeben zu sein. Vor einem Computer sitzt der Schüler Christian mit einer „Oculus Rift“ auf der Nase, einer Brille, die 2016 auf den Markt kommen soll und ihren Nutzer in virtuelle Welten versetzt. Christian ist an diesem Tag schon zum zweiten Mal da, um diese Neuheit auszutesten. Auch an den anderen Stationen wird gezockt.

Zukunftsvisionen: Die FMX

„Ich war heute schon unter Wasser, auf dem Mount Everest und im Krieg“, sagt Andreas Hykade. Momentan ist der Animationsfilmer und Leiter des Animationsinstituts an der Filmakademie froh, wieder in der echten Welt zu sein – konkret im Haus der Wirtschaft. Hykade ist Chef der internationalen Fachkonferenz FMX, die parallel zum Festival stattfindet. Hier treffen Nachwuchskräfte auf Produktionsfirmen aus aller Welt, Projekte werden entwickelt, Netzwerke ausgebaut. „Stuttgart ist das deutsche Zentrum des Animationsfilms, hier gibt es enthusiastische Leute und die Verbindung von Technik und Kreativität“, sagt Hykade. Er hoffe, dass sich Stuttgart in der Zukunft zu einem europäischen Zentrum der Branche entwickelt.

Davon hat dann am Ende nicht nur die lokale Animationsbranche etwas, sondern auch all jene, die jetzt auf Picknickdecken Trickfilme in der Abendsonne auf dem Schlossplatz genießen.