Die Kartellbehörde des Landes wirft der EnBW missbräuchliche Überhöhung des Wasserpreises in der Landeshauptstadt vor – und entscheidet, dass die Preise im Schnitt um 30 Prozent gesenkt werden müssen. Der Energiekonzern kündigt eine Klage an.

Stuttgart - Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) muss den Stuttgarter Wasserpreis im Schnitt um 30 Prozent senken. Das hat die Kartellbehörde des Landes in einer Verfügung entschieden. Die Entscheidung gilt rückwirkend bis August 2007. Zuvor hatte es lange, letztlich aber ergebnislose Verhandlungen über eine gütliche Einigung mit dem landeseigenen Energiekonzern gegeben.

 

„Die EnBW hat von der Kartellbehörde in unserem Haus am Donnerstag eine entsprechende Verfügung erhalten“, bestätigte Frank Lorho, Sprecher des Umweltministeriums. Die Kartellwächter seien der Ansicht, dass der von der EnBW verlangte Bruttopreis von 2,87 Euro für einen Kubikmeter Wasser zu hoch sei. Dank der Verfügung könne ein Vierpersonenhaushalt mit einem durchschnittlichen Wasserverbrauch in Höhe von 150 Kubikmeter im Jahr nach einem rechtskräftigen Urteil zu Gunsten der Kartellbehörde mit einer Rückzahlung von bis zu 900 Euro rechnen, heißt es in einer Pressemitteilung des Umweltministeriums.

Für die EnBW, die mit dem Wasserverkauf in der Landeshauptstadt jährlich rund 80 Millionen Euro einnimmt, geht es um viel Geld. Falls sich die Kartellwächter durchsetzen sollten, müsste für den beanstandeten Zeitraum ein Betrag von mehr als 150 Millionen Euro an die 100 000 Stuttgarter Hausbesitzer zurückgezahlt werden. Nach Angaben des Ministeriums zahlen die Stuttgarter seit August 2012 für 150 Kubikmeter Trinkwasser jährlich 430,21 Euro. In Schramberg koste die gleiche Menge 373,38 und in Bad Säckingen 268,38 Euro. Deshalb sei die Kartellbehörde zu dem Ergebnis gekommen, dass die „von der EnBW geltend gemachten Kosten überzogen sind“. Der Vergleich mit anderen Versorgern zeige, dass die EnBW „missbräuchlich überhöhte Preise“ verlange.

EnBW-Manager Groß: „Wir sind sicher kein billiger Jakob“

Die EnBW wird diese Entscheidung nicht akzeptieren. Das Unternehmen hat am Freitag auf einer Pressekonferenz erklärt, das es gegen die Entscheidung auf jeden Fall vor dem Oberlandesgericht klagen wird. „Das Vorgehen der Landeskartellbehörde ist für uns nicht nachvollziehbar“, heißt es in einer Erklärung des Energiekonzerns. Wegen der enormen Höhenunterschiede zwischen Stadtkessel und Filderebene sei die Wasserversorgung der Landeshauptstadt eine besondere Herausforderung, die einen enormen technischen Aufwand erfordere. Die von den Kunden zu Recht erwartete gute Wasserqualität sei mit den Preisvorstellungen der Behörde nicht erreichbar.

„Gegen die Verfügung werden wir uns entschieden zur Wehr setzen“, bestätigte der für Vertrieb und Netze zuständige Konzernvorstand Dirk Mausbeck. „Wir sind sicher kein billiger Jakob“, ergänzte der für die Stuttgarter Wasserversorgung zuständige EnBW-Manager Matthias Groß auf der eilig einberufenen Pressekonferenz. Angesicht des Aufwands und der schwierigen Topografie sei der Preis aber fair und angemessen. Auf Nachfrage bestätigte Groß, dass das Trinkwasser für rund 60 Cent je Kubikmeter von der Landes- und Bodenseewasserversorgung bezogen wird. Hinzu käme noch eine Konzessionsabgabe von 18 Prozent. Die Feinverteilung in der Stadt verursache aber erhebliche zusätzliche Kosten. In den vergangenen Jahren habe man auch rund 50 Millionen Euro in neue Hochbehälter und Leitungen investiert.

Kuhn: Gute Nachricht für die Bürger

„Der Wasserpreis in Stuttgart ist trotz der schwierigen Topografie zu hoch“, erklärte dazu Ministeriumssprecher Lorho. Der enorme Höhenunterschied sei von den Kartellwächtern bei der Entscheidung angemessen berücksichtigt worden. „Das ist eine gute Nachricht für die Bürger“, sagte Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). Das Votum der Kartellbehörde bestätige die Auffassung der Stadt, dass der zum 1. August 2012 von der EnBW um 9,3 Prozent erhöhte Wasserpreis nicht gerechtfertigt gewesen sei. „Es muss eine deutliche Entlastung beim Wasserpreis geben.“ Die Stadt hatte der EnBW nach der Anhebung vor zwei Jahren den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Macht vorgeworfen.

Die Rathausspitze geht jetzt davon aus, dass die Entscheidung der Kartellbehörde auch Auswirkungen auf den Rechtsstreit zwischen Stuttgart und der EnBW über den Rückkauf des Stuttgarter Wassernetzes haben wird. Es müsse aber abgewartet werden, wie sich die Entscheidung der Kartellbehörde auf den Wert des Wassernetzes auswirken werde. Wie mehrfach berichtet, hat der Gemeinderat vor zwei Jahren die Rekommunalisierung der Wasserversorgung beschlossen.

Deren Wert könnte sich nach Ansicht der Stadt erheblich verringern. Bei dem Streit um das 2350 Kilometer lange Wassernetz geht es um viel Geld. Die EnBW verlangt von der Stadt 600 bis 750 Millionen Euro. Im Rathaus wird der angemessene Preis für Hochbehälter und Leitungen hingegen mit 139 Millionen Euro beziffert. Im Dezember werden sich die Kontrahenten darüber erstmals vor Gericht streiten.

Martin Körner, SPD-Fraktionschef im Gemeinderat, sieht in der Entscheidung der Kartellwächter „ein starkes Signal für die Verbraucher“. Deren Rechte seien gestärkt worden. Die EnBW müsse den Bürgern das über Jahre zu viel gezahlte Geld rasch zurückerstatten.