Schließlich entwickelte sich bei diesem enorm starken Aufprall in einer Höhe von etwa 90 Kilometern eine gewaltige Schockwelle. In 83 Kilometern Höhe begannen die gigantischen Kräfte den durch die Luft rasenden Gesteinsbrockens zu zerreißen, in 54 Kilometern Höhe beschleunigte sich das Auseinanderbrechen. In 29,7 Kilometern Höhe war die Luft um den Meteoriten und seine Trümmer schließlich so weit aufgeheizt, dass der Feuerball 30mal heller als die Sonne strahlte, vermuten Peter Brown von der University of Western Ontario in Kanada und seine Kollegen in einem parallel erscheinenden Artikel in der Fachzeitschrift „Nature“. Etliche Menschen auf dem Erdboden erlitten dadurch leichte Augenverletzungen oder einen leichten Sonnenbrand. Als die Schockwelle des Treffers auf den Erdboden traf, fegte sie dort einige Menschen von den Füßen, die viele Kilometer unter der Flugbahn des Meteoriten standen. Etliche Fenster flogen unter dem Druck dieser Schockwelle aus dem Rahmen, sehr viele Menschen wurden von den Splittern getroffen, insgesamt wurden 1491 Menschen verletzt. Zum Glück blieb es bei leichteren Verletzungen, auch die meisten der 3700 beschädigten Gebäude konnten einfach repariert werden.

 

Eher geringe Schäden entstanden durch die vier bis sechs Tonnen Material aus dem Meteoriten, die schließlich auf den Erdboden prallten. Das größte dieser Bruchstücke schlug ein Loch mit sieben Metern Durchmesser in das 70 Zentimeter dicke Eis des Tschebarkulsees. Am 16. Oktober 2013 holten Forscher einen gewaltigen Brocken davon vom Grund des Gewässers. Als sie dieses Bruchstück wiegen wollten, gab die Waage jedoch bei 570 Kilogramm ihren Geist auf.

Norbert Hertkorn und Philippe Schmitt-Kopplin vom Helmholtz-Zentrum München haben das Innere zweier von etlichen im Schnee Sibiriens gelandeten winzigen Meteoritenbruchstücken analysiert. Mit einer „hochauflösende Massenspektroskopie“ genannten Methode fanden die Forscher Hinweise auf einige tausende chemische Verbindungen, von denen sie rund die Hälfte identifizieren konnten. Davon enthalten 2536 die für die Grundbausteine des Lebens wichtigen Elemente Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Schwefel. „Die Daten zeigen auch, dass die meisten dieser Verbindungen tatsächlich aus dem Weltraum stammen und nicht etwa erst auf der Erde dazu gekommen sind“, erklärt Norbert Hertkorn.

Der Tscheljabinsk Meteorit öffnet mit solchen Analysen daher auch ein Fenster in die Urzeit des Sonnensystems und zeigt, dass die Grundbausteine, aus denen Leben entstehen kann, offensichtlich im Sonnensystem gleich am Anfang vorhanden waren. Prallt ein solcher Brocken von der Größe eines Mietshauses auf die Atmosphäre der Erde, ist er allerdings kein Lebensspender, sondern gefährdet Mensch und Natur: Peter Brown und seine Kollegen schätzen, dass der Meteoritentreffer ähnlich viel Energie freigesetzt hat wie die Explosion von einer halben Million Tonnen des herkömmlichen Sprengstoffs Trinitrotoluol (TNT). Seine Sprengkraft entspricht also der stärksten Atombombe, die je von den USA getestet wurden. Nur die Explosion einer Wasserstoffbombe kann mit bis zu 50 Millionen Tonnen TNT noch deutlich stärker sein, während die auf Hiroshima und Nagasaki am Ende des zweiten Weltkriegs abgeworfenen Atombomben „nur“ eine Sprengkraft von 13 000 und 20 000 Tonnen TNT hatten. Auch wenn die Wirkung beider Kernwaffenexplosionen deutlich verheerender war, weil sie nur in 600 und 470 Metern Höhe stattfanden, sollten die Gefahren bei Explosionen von kleineren Meteoriten mit zehn bis 50 Metern Durchmesser in der Atmosphäre nicht unterschätzt werden.