Nach der Visite des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in Berlin macht Kanzlerin Angela Merkel weiter Druck. Die Linke feiert hingegen den griechischen Ministerpräsidenten.

Berlin - Am Tag zwei seiner Deutschlandvisite hielt Alexis Tsipras, das Schreckgespenst der Euro-Gruppe, Hof im vornehmen Marriott-Hotel unweit des Potsdamer Platzes. Nur kurz unterbricht der griechische Ministerpräsident seine Audienz, um dem Holocaust-Mahnmal einen Besuch abzustatten. Gut fünf Stunden hatte er am Montagabend mit Kanzlerin Angela Merkel über die Lage gesprochen. Eine „umfassende Aussprache“ sei das gewesen, sagte danach Regierungssprecher Steffen Seibert, „in guter und konstruktiver Atmosphäre“ habe man sich ausgetauscht. Unter Diplomaten heißt das gemeinhin: man hat Standpunkte ausgetauscht, kam sich kaum näher, verhielt sich dabei aber immerhin gesittet.

 

Recht viel mehr ist aber auch gar nicht erwartet worden. Sein Besuch sollte vor allem etwas Normalität in die aufgewühlte Stimmung bringen. Zwar wurden, anders als zunächst kolportiert, weder konkrete Reformpläne der Syriza-Regierung bekannt, noch lief die Visite gänzlich ohne protokollarische Zumutungen und Sticheleien ab, aber zumindest konnte auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nach einem kurzen Hotel-Gespräch mit Tsipras am Dienstagvormittag festhalten: „Ich freue mich, dass sich die Tonlage in den deutsch-griechischen Gesprächen in den letzten Tagen deutlich verändert und deutlich verbessert hat.“

Die Fraktionschefs von Union und SPD waren nicht gefragt

Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel fuhr vor, sprach eine Stunde mit dem Regierungschef und sagte dann: „Ich glaube, was wir erleben, ist Gott sei Dank eine Normalisierung des Verhältnisses zwischen Griechenland und Deutschland.“ Gleichwohl hob der SPD-Chef abermals mahnend den Finger. Man wolle ja helfen. Aber das setze voraus, „dass die griechische Regierung selbst eine Politik betreibt, bei der die verabredeten Ziele und Programme eingehalten werden“.

Man hat geredet, ohne sich zu beleidigen. Das wird schon mal als Erfolg gewertet in diesen Tagen. Mit einigen hat Tsipras allerdings gar nicht erst sprechen wollen. Mit Unionsfraktionschef Volker Kauder zum Beispiel. Tsipras bot Kauder einen Stellvertreter zum Gespräch an, was dieser nach Angaben des parlamentarischen Geschäftsführers der Fraktion, Michael Grosse-Brömer, aber dankend ablehnte. Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann blieb eine Visite verwehrt, vielleicht ja auch deshalb, weil dieser erneut einen „Grexit“, also ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone, nicht ausschließen wollte.

Die Linke nennt Tsipras einen Glücksfall für Europa

Nun muss ein Ministerpräsident rein protokollarisch keineswegs zwingend die Fraktionschefs der Regierungsparteien eines Gastgeberlandes zum Gespräch empfangen. Umso ungewöhnlicher ist es allerdings dann, stattdessen die Führungsriege der Opposition zu herzen.

Zunächst nahm sich Tsipras eine Stunde Zeit für die Linke, die noch immer fest entschlossen ist, Tsipras als Hoffnungsträger für ganz Europa zu feiern – obwohl dieser ausgerechnet den rechtskonservativen Unabhängigen Griechen die Hand für ein Regierungsbündnis reichte. Strahlend verließ Linken-Chefin Katja Kipping, gemeinsam mit Fraktionschef Gregor Gysi, nach dem Gespräch das Hotel. Man habe den Eindruck, dass Merkel „etwas mehr Verständnis für die Situation in Griechenland“ und die sozialen Verwerfungen dort gewonnen habe, sagte Kipping. Gysi nannte Tsipras einen „Glücksfall für Europa, weil erstmals über eine Wende in der Euro-Zone“ nachgedacht werde.

Später dann empfing Tsipras auch noch die grüne Doppelspitze Simone Peter und Cem Özdemir. Damit endete seine zweitägige Visite. Auf dem Heimflug wird man Tsipras nicht vorenthalten haben, was die Kanzlerin dem Vernehmen nach in der Unionsfraktion sagte: „Die Zeit drängt.“ Griechenland müsse jetzt liefern, damit der Weg für eine Auszahlung der letzten Tranche des zweiten Griechenland-Hilfspakets geebnet werden könne. Merkel bleibt also vorerst hart. Trotz des angeblich so freundlichen Gesprächs.