Ein Motorrad, das in Japan vom Tsunami ins Meer gerissen wurde, ist an Kanadas Westküste aufgetaucht. Der Besitzer ist außer sich vor Freude.

Kanada - Ikuo Yokoyama kann es kaum fassen. Immer wieder nimmt der 29-jährige Japaner eines der Bilder in die Hand, die er aus dem Internet heruntergeladen und ausgedruckt hat. Sie zeigen seine Harley-Davidson, die an einem Strand der Haida-Gwaii-Inseln an der Westküste Kanadas liegt. „Es ist ein Wunder“, sagt Ikuo. Vor einem Jahr, am 11. März 2011, hatte die schreckliche Tsunami-Welle Japan getroffen, seinen Wohnort Yamamoto und die Region Miyagi verwüstet. Er habe im Tsunami drei Angehörige und sein Haus verloren, erzählt er bewegt einer japanischen Fernsehstation. Auch der weiße Container, in dem sein Motorrad stand, wurde ins Meer gerissen und trieb davon.

 

Die Geschichte ist wahrlich fantastisch. Denn jetzt ist das Fahrzeug nach einer mehr als 5000 Kilometer langen Reise über den Pazifik an einem einsamen Strand der Haida-Gwaii-Inseln aufgetaucht, die früher Queen-Charlotte-Inseln hießen. Ikuo hofft eines Tages dem Mann, der es fand, persönlich danken zu können: Peter Mark. Der Kanadier war vor zwei Wochen mit seinem Geländefahrzeug über die Strände der zum Haida-Gwaii-Archipel gehörenden Graham-Insel gefahren. Er traute zunächst seinen Augen nicht, als er den Container sah, der dem Laderaum eines Umzugswagens ähnelt. „Die Tür war aufgerissen und der Reifen eines Motorrads war zu sehen. Ich ging näher und fand eine Harley-Davidson“, erzählte er dem kanadischen Rundfunk CBC. Mark sah sich das Gefährt näher an und entdeckte das Nummernschild mit japanischen Schriftzeichen. „Das Erste, was mir in den Sinn kam, war: das ist wahrscheinlich vom Tsunami in Japan.“

In 48 Stunden war der Besitzer ausfindig gemacht

Er sollte recht behalten. Das Nummernschild wies auf die Präfektur Miyagi hin. Es dauerte keine 48 Stunden, bis der Besitzer des Motorrads gefunden war. Ein Harley-Davidson-Vertreter in Japan sah die Geschichte und ermittelte Yokoyama als Eigentümer. Das vom Meerwasser angegriffene verrostete Motorrad bedarf größerer Reparaturarbeiten. Ein Sprecher der Harley-Davidson-Vertretung in Japan sagte, das Unternehmen plane, das Motorrad zurückzubringen und zu reparieren.

Diese bemerkenswerte Geschichte steht nicht allein. Auch für den 16-jährigen Japaner Misaki Murakami grenzte es an ein Wunder, als er dieser Tage einen Anruf aus Alaska erhielt. Ein Mann hatte am Strand einen Fußball gefunden, und seine japanische Frau konnte die Schriftzeichen lesen, die Hinweise auf den Jungen und seine Schule gaben. „Ich habe niemals gedacht, dass der Ball Alaska erreichen könnte. Ich habe im Tsunami alles verloren“, sagte der Junge den „Anchorage Daily News“.

Anderthalb Millionen Tsunami-Trümmer treiben noch im Meer

Bei der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe am 11. März 2011 hatten annähernd 20 000 Menschen ihr Leben verloren. Die Flutwelle riss gewaltige Mengen Trümmer ins Meer. „Viele Millionen Tonnen Schiffe, Fischereiboote, Häuser, Baumaterial sowie Netze und anderes Material für Fischfang“, sagt Nikolai Maximenko vom International Pacific Research Center an der Universität von Hawaii, der mit seinem Kollegen Jan Hafner versucht, mit Modellberechnungen den Weg der Trümmer durch den Pazifik darzustellen. Geschätzt wird, dass der Tsunami 20 Millionen Tonnen Trümmer hinterließ, von denen fünf Millionen ins Meer geschwemmt wurden. „Wir glauben, dass 70 Prozent davon sehr bald versanken, so dass noch etwa anderthalb Millionen Tonnen im Meer treiben“, sagt Hafner.

Die Modellberechnungen zeigen ein Trümmerfeld, das sich über 4000 Kilometer Länge und 1000 Kilometer Breite erstreckt und das Meer bei Hawaii erreicht hat. Das Modell bezieht sich nur auf Trümmer, die tief im Wasser liegen, kaum über die Wasseroberfläche hinausragen und fast ausschließlich von der Meeresströmung bewegt werden. Dieses Trümmerfeld könnte im Herbst 2013 in den US-Staaten Oregon, Washington und Alaska sowie der kanadischen Provinz British Columbia ankommen. Trümmer, die – wie der Container – aus dem Wasser herausragen, können schneller wandern, „wenn sie der Kraft des Windes ausgesetzt sind“, sagt Hafner. Nach Angaben des Ozeanografen Curtis Ebbesmeyer in Seattle legt Treibgut durch die Strömung am Tag sieben Seemeilen zurück, ragt es aus dem Wasser heraus und wird es vom Wind getrieben, sogar 15 bis 25 Seemeilen.

Die Behörden in Kanada und den USA bitten die Bevölkerung, respektvoll mit den Fundstücken umzugehen. Das tat auch Peter Mark: „Das sind Teile des Lebens von Menschen. Viele Menschen haben alles verloren. Daran sollten wir denken, wenn wir so etwas finden.“