Die Tübinger Medizinerin und Leiterin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm) fordert neue Strategien im Kampf gegen Ebola. Die Helfer müssten in die Dörfer gehen, um dort den Übertragungsweg zu stoppen.

Tübingen - „Jeder im Land vermeidet den direkten Kontakt. Keiner schüttelt sich mehr die Hand, niemand umarmt sich – aus Angst, sich mit dem Ebola-Virus anzustecken. Man wäscht sich ständig die Hände und desinfiziert sie“, berichtet Gisela Schneider, Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm) in Tübingen. Am Wochenende ist sie aus Liberia zurückgekommen, dem Land, das in Westafrika am stärksten von der Epidemie betroffen ist. Noch diese Woche schickt das Difäm eine Hilfslieferung mit Schutzanzügen, Handschuhen und Desinfektionsmitteln nach Liberia. Eine zweite Lieferung wird gerade geplant. Finanziert wird diese Hilfe mit Spendengeldern.

 

Die Tübinger Medizinerin hat sich Krankenhäuser und Behandlungszentren angesehen – auch Einrichtungen, in denen sich Pflegekräfte infiziert haben und gestorben sind. „Hier herrscht Trauer, Betroffenheit und große Angst, aber auch der Wille weiterzumachen“, sagt sie. Man müsse den Menschen vor Ort helfen, sich richtig zu verhalten. Dann könne man in den Kliniken die Ansteckungsgefahr gegen null bringen. Ebola ist zwar ein hochinfektiöses Virus. Es reicht, wenn man einem infizierten Menschen die Hand gibt und sich danach die Augen reibt. Das Virus wird vor allem über die Schleimhäute übertragen. „Aber es fliegt nicht“, erklärt die Ärztin. Es wird nicht durch die Luft per Tröpfcheninfektion, wie etwa Grippeviren, verbreitet. Das Pflegepersonal müsse daher jeglichen Kontakt mit Infizierten vermeiden und dazu seien Handschuhe, Schutzanzüge und Desinfektionsmittel unerlässlich.

Schneider: Man muss in die Dörfer gehen

Die Kliniken und Behandlungszentren, die eigens für Ebolapatienten errichtet werden, sind völlig überfüllt und müssen Patienten abweisen. Daher sollte man umdenken, neue Strategien entwickeln, sagt Schneider. Man müsse in die Dörfer direkt gehen, denn hier werden die Menschen krank. In den Familien stecke man sich gegenseitig an. Oft werde versucht, die Kranken mit einem Motorrad-Taxi in ein Behandlungszentrum zu bringen, um dort vor verschlossener Türe zu stehen. So verbreite sich das Virus. Diesen Übertragungsweg gelte es zu stoppen. Mit einer Organisation in Liberia hat sich das Difäm fünf lokale Gemeinden vorgenommen, die nun betreut werden: Vor Ort wird das Gesundheitspersonal geschult, Isolierstationen geschaffen. Die isolierten Familien werden mit Essen, Trinken und Medikamenten versorgt. Ein speziell geschultes Team entnimmt Blutproben, die sicher verpackt an Labors verschickt werden – um Ebola von anderen Erkrankungen wie etwa Malaria unterscheiden zu können. „Das Selbsthilfepotenzial vor Ort ist vorhanden, das muss man nutzen“, meint Schneider.

In der Millionenstadt Monrovia, der Hauptstadt Liberias, sei die Situation katastrophal. Erstmals in der Geschichte verbreite sich das Virus in einer Millionenstadt. Bisher blieben Ebola-Ausbrüche lokal begrenzt auf kleinere Gebiete. Daher habe zu Beginn der Epidemie auch kaum jemand mit diesem Ausmaß gerechnet.