Der Parksünder-Boom in der zur Mischverkehrsfläche umgebauten Tübinger Straße geht nach wie vor ungehemmt weiter: In diesem Jahr haben die städtischen Kontrolleure in zwischen der Querspange und der Sophienstraße bereits 7140 Strafzettel verteilt.

Stuttgart - Der Parksünder-Boom in der zur Mischverkehrsfläche umgebauten Tübinger Straße geht nach wie vor ungehemmt weiter: Vom 1. Januar bis zum 27. Oktober haben die städtischen Kontrolleure in diesem Jahr zwischen der Querspange und der Sophienstraße bereits 7140 Strafzettel verteilt.

 

„Ich rechne bis zum Jahresende mit mehr als 9000 Verwarnungen“, sagt Joachim Elser, der Leiter der städtischen Verkehrsüberwachung. Das sei im Vergleich zu 2013 in dem nur 200 Meter langen Straßenabschnitt eine Steigerung um 50 Prozent. Und trotz intensiver Kontrollen gebe es sogar noch immer eine hohe Dunkelziffer. Für den erwarteten Ansturm der Autofahrer im bevorstehenden Weihnachtsgeschäft hat die Stadt deshalb bereits Vorsorge getroffen: Für alle Kontrolleure gilt im Dezember eine Urlaubssperre.

Zu den bereits mehrmals in der Mischverkehrsfläche im Halteverbot geparkten Fahrzeugen zählt auch der Dienstwagen von Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD). „Der Wagen von Frau Öney hat schon mehrmals im Halteverbot gestanden, während die Ministerin wohl einen in der Nähe liegenden Friseursalon aufgesucht hat“, berichtet ein ortskundiger Kenner der Verhältnisse. Der hat auch vernommen, dass der beim Fahrzeug wartende Fahrer gegenüber Politessen recht barsche Töne angeschlagen habe. Er müsse aus Sicherheitsgründen hier warten, bis seine Chefin von ihrem Coiffeur zurückkomme, soll der Chauffeur erklärt haben. Offenbar mit Erfolg, denn ein Strafzettel wurde wohl bis jetzt noch nicht an der Staatskarosse entdeckt.

Abends stehen „Protzschlitten“ im Parkverbot

In der Stellungnahme des Ministeriums ist trotz der haarigen Angelegenheit kein ministerielles Wort des Bedauerns über die Parksünden enthalten: „Wie jeder Verkehrsteilnehmer sind Fahrer des Landes verpflichtet, die Straßenverkehrsordnung einzuhalten. Verstöße werden von den Fahrern selbst verantwortet, für Ordnungswidrigkeiten haften sie persönlich, Bußgelder zahlen sie aus der eigenen Tasche.“ Die Ministerin dürfe den Dienstwagen auch für private Termine – beispielsweise für Friseurbesuche – benutzen. In solchen Fällen müsse der Fahrer die Kilometerstände notieren, damit die Ministerin diesen geldwerten Vorteil später versteuern könne. „Der Fahrer wurde auf das in diesem Bereich der Tübinger Straße bestehende Halteverbot hingewiesen“, hieß es auf StZ-Nachfrage im Integrationsministerium.

Die Anwohner in der Tübinger Straße müssen aber nicht nur tagsüber viele Falschparker ertragen. Seit Monaten stellen auch abends ständig „Fahrer von Protzschlitten“, so ein Anwohner, trotz des Halteverbots ihre teuren Supersportwagen bei einem Straßencafé „möglichst direkt neben der Kaffeetasse“ ab. „Die 15 Euro Bußgeld sind für die offenbar nur ein Trinkgeld“, vermutet der Anwohner: „Diese ungeheure Dreistigkeit bringt die Leute zum Kochen. Aber Streifenwagen fahren einfach an den kreuz und quer abgestellten Nobelschlitten vorbei, die Polizei tut gar nichts.“ Dabei seien die Beamten verpflichtet, auch den ruhenden Verkehr zu kontrollieren.

Beim Reizthema MPU gelten klare Grundsätze

„Uns sind etliche Wiederholungstäter mit teuren italienischen und deutschen Nobelmarken bekannt“, berichtet Elser. Gegen mehrere Personen, die sich innerhalb kurzer Zeit 20 bis 30 Parkverstöße geleistet hätten, habe man bei den zuständigen Verkehrsbehörden im Umland, etwa in Esslingen, eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) – umgangssprachlich als Idiotentest bekannt – beantragt. „Die Strafzettel haben bei den Herrschaften leider nichts bewirkt“, sagt Joachim Elser. In diesen Fällen bestünden daher Zweifel an der charakterlichen Eignung der Halter, einen Wagen zu führen. Leider gebe es von den um Amtshilfe gebetenen Behörden in benachbarten Städten bis jetzt noch keine Rückmeldungen über die beantragten Verfahren.

Um diese will sich jetzt die Rathausspitze kümmern. „Ich werde mich in allen Fällen nach dem Stand der von uns vorgeschlagenen MPU-Verfahren erkundigen“, betont Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU). Aus seiner Sicht rechtfertigten die den Betroffenen zu Last gelegten Verstöße die Vorladung zu einem medizinisch-psychologischen Gutachten.

Bei der Landeshauptstadt gelten beim Reizthema MPU klare Grundsätze. „Wer innerhalb von drei bis vier Monaten 25 Strafzettel erhält, bekommt von uns einen blauen Brief mit der Androhung einer MPU“, so Joachim Elser. Meistens reiche diese „gelbe Karte“ schon aus, um das Verhalten der Verkehrssünder zu verbessern – und zwar nachhaltig.