Wer in der Türkei von Antakya nach Kappadokien reist, erlebt mythische Landschaften und farbenprächtige Rituale am frühen Morgen.

Antakya - Schwester Barbara ist eine große, stattliche Frau mit langen dunkelblonden Haare. Zur braunen Fleecejacke trägt sie eine schwarze Hose. Nichts an ihrem Äußeren lässt die Nonne erkennen. Kurz vor 12 Uhr bittet die Katholikin zum Mittagsgebet. Die Besucher folgen ihr in den Andachtsraum des Begegnungszentrums in der Altstadt von Antakya, einer Stadt im Südosten der Türkei. Die türkische Köchin kommt dazu, auch der Gemeindevorsteher der jüdischen Nachbargemeinde ist da, gemeinsam stimmt man ruhige Taizé-Lieder an. Plötzlich ertönt der Ruf des Muezzins. Eindringlich schallt der Singsang durch die offenen Fenster. Die Besucher schauen irritiert, doch Schwester Barbara singt unbeeindruckt weiter, so als gehörten die orientalischen Klänge zu dieser christlichen Andacht dazu.

 

Antakya hieß in der Antike Antiochia

Brücken zwischen den Religionen schlagen, so sieht Schwester Barbara ihre Aufgabe. Vor 30 Jahren eröffnete sie das Friedens- und Begegnungszentrum, weil sie davon überzeugt ist, dass „Begegnungen für den Weltfrieden wichtig sind“. Für muslimische, orthodoxe und jüdische Jugendliche veranstaltet sie Friedensgebete und Workshops zu religiösen Themen. Außerdem leitet sie den von ihr initiierten Chor der Nationen, der mit seinem Programm geistlicher Lieder auch schon in Paris aufgetreten ist. Dass sich die 56-Jährige in Antakya niedergelassen hat, ist kein Zufall. Die Stadt und die Region haben für Christen eine besondere Bedeutung. Antakya hieß in der Antike Antiochia - ein Name, den man aus dem Neuen Testament kennt. Die Apostel Paulus und Petrus gründeten hier die ersten christlichen Gemeinden. Paulus selbst, einer der erfolgreichsten Missionare der Christenheit und eifriger Briefeschreiber, stammt aus der Gegend: In Tarsus, nordwestlich gelegen, wurde der Heilige geboren, später brach er von Antakya zu seinen Missionsreisen auf.

Viele Pilger machen deshalb in der 250 000 Einwohner zählenden Stadt Station. Rein aus touristischen Gründen lohnt es sich eher weniger. Mehrstöckige Flachdachhäuser prägen das Bild, viele nur halb fertig oder Ruine, dazwischen verwilderte Grünflächen. Am Straßenrand unzählige kleine Geschäfte, Bars und Bäckereien. Mopeds hupen, Autos drängeln. Antakya ist keine schöne Stadt, aber sehr lebendig. Trotz des Feiertags - es ist die Zeit des islamischen Opferfestes - sind die Straßen voller Menschen. Vor einem Haus blökt ein Schaf. Sein Besitzer will es ins Haus zerren, doch es sperrt sich. Vielleicht hat es den Haufen blutverschmierter Schaffelle gesehen. Es gehört zur Tradition, dass zu diesem Fest geschlachtet wird. Die Mehrheit der Einwohner Antakyas ist heute islamischen Glaubens, die katholische Gemeinde zählt gerade mal 80 Seelen. „Nach 2000 Jahren sind wir wieder eine Hauskirche“, resümiert Pater Domenico nüchtern die Lage. Wie die Urchristen zu Paulus’ Zeiten, die sich in privaten Wohnhäusern versammelten, hat auch seine Gemeinde keine richtige Kirche. Das Gemeindezentrum befindet sich in einer Seitengasse der Altstadt. Durch eine Holztür tritt man in den Innenhof mit schattenspendenden Pomeranzenbäumen, der Kirchenraum ist mit Ikonen und Altar festlich ausgestattet. Alles wirkt gut erhalten - dank der Unterstützung deutscher Gemeinden, wie Pater Domenico betont. Der hagere Italiener, 76, trägt kein Habit. Wie Schwester Barbara will auch er in der Öffentlichkeit weder auffallen noch provozieren.

Die Apfelkirche ist meist überlaufen von Touristen

Nach wie vor haben Christen in der Türkei keinen leichten Stand. Das zeigt sich am deutlichsten an der Tatsache, dass die christlichen Kirchen keine Geistlichen ausbilden dürfen. Doch Kritik äußern weder der Pater noch die Schwester. Ganz hoffnungslos scheint die Lage nicht, es gibt Nachwuchs. Der kleine Halil (4) lächelt scheu die Besucher an, während seine Mutter im gemeindeeigenen Laden Kunsthandwerk verkauft. Zeiten, in denen sich Christen verstecken mussten, weil sie verfolgt wurden, gab es immer wieder. Zeugnisse dafür finden sich in Kappadokien, der kargen, felsigen Hochebene, die in völligem Kontrast zu den fruchtbaren und grünen Ebenen rund um Antakya und Tarsus steht. Das felsige Gestein dieser Landschaft lieferte die materiellen Voraussetzungen für den Bau von unauffälligen Höhlenkirchen und -klöstern wie die von Eski Gümüs. Die Räume wurden direkt in einen gigantischen rotbraunen Felsen geschlagen, von außen nicht zu erkennen. Wie Löcher in einem Käse durchziehen Hohlräume das Gestein. Ob die Klosterkirche wirklich zu den schönsten Kappadokiens gehört, muss jeder für sich entscheiden. Auf jeden Fall ist sie nicht so von Touristen überlaufen wie die Apfelkirche (ja, die heißt wirklich so) im Freilichtmuseum von Göreme. Selbst außerhalb der Saison warten Touristen vor dem Eingang. Im Gänsemarsch geht es durch einen engen Gang auf die andere Seite des Felsens, von wo aus man den prächtig bemalten Kirchenraum betritt. Zeit, diese Relikte des Glaubens auf sich wirken zu lassen, bleibt kaum, schon drängelt die nächste Gruppe. Für meditative Momente ist hier kein Platz. Solche Augenblicke sucht man besser nicht in überlaufenen Kirchen, sondern in der Natur.

Die Tuffkegellandschaft hat etwas Mythisches. Manche Felsformationen unterhalb von Uçhisar sehen aus wie Sahnetupfer einer Torte, so leicht und schwerelos reihen sich die Felsen aneinander. Und wie ein Konditor verändert die Abendsonne im Wechselspiel von Licht und Schatten immer wieder ihre Konturen. Andere ragen wie spitze Zuckerhütchen in die Höhe und bilden kleine Erhebungen in der sonst eintönigen Landschaft. Am frühen Morgen ereignet sich ein besonderes Ritual. Wie von einem Choreografen inszeniert, steigen vor der aufgehenden Sonne rund 120 Heißluftballons in den Himmel. Während die Armada bunter Farbtupfer über die einsame Landschaft gleitet, stehen in den Körben Touristen aus aller Welt und Glaubensrichtungen beieinander. Staunen, Schweigen und Innehalten - in diesem Moment ist auch dieses Erlebnis eine friedvolle Begegnung zwischen Völkern.

Infos zu Antakya

Anreise
Nach Istanbul z. B. von München aus mit Lufthansa ( www.lufthansa.com ) oder Turkish Airlines ( www.turkishairlines.com ), von dort weiter nach Antakya.

Unterkunft
Einfach, zentral: Pilgerherberge von Schwester Barbara in Antakya, mit Verpflegung 28 Euro/Nacht, bei Mithilfe im Zentrum günstiger. Kontakt: barbara.antakya@gmx.net.

Sehr nobel ist das Hotel Grand Bogazici, DZ ab 80 Euro ( www.bogaziciotel.com.tr ). Ganz in der Nähe des Freilichtmuseums Göreme liegt das geschmackvolle Hotel Tourist ( www.touristhotel.com.tr) , ab 80 Euro inkl. Halbpension.

Währung
In der Türkei bezahlt man mit türkischer Lira. Ein Euro entspricht etwa 2,4 Lira. Mitnahme von Bargeld empfiehlt sich nicht, es gibt genügend Geldautomaten.

Veranstalter
Das Bayerische Pilgerbüro bietet eine Rundreise auf den Spuren des Apostel Paulus von Antakya bis nach Kappadokien an. Termine: 25. Mai bis 1. Juni und 6. bis 14. September 2013, 1229 Euro pro Person ( www.pilgerreisen.de ). Biblische Reisen in Stuttgart hat die Studienreise „Mit Paulus von Antiochien nach Ephesus“ im Programm, Termine: 28. März bis 7. April und 12. bis 22. September, ab 1190 Euro ( www.biblische-reisen.de ).

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall sich die vielen tollen Schals anschauen, die an jeder Ecke meist in guter Qualität und zu sehr günstigen Preisen angeboten werden.

Auf keinen Fall eine Fahrt mit dem Heißluftballon verpassen. Das Vergnügen in der Luft kostet pro Person etwa 150 Euro. Es kann direkt im Hotel oder beim begleitenden Reiseführer gebucht werden.