Der gescheiterte Putschversuch in der Türkei ist nun auch Thema bei der grün-schwarzen Landesregierung. Sie reagiert verärgert auf die Forderung, Einrichtungen der Gülen-Bewegung zu überprüfen.

Stuttgart - Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat irritiert auf die Forderung des türkischen Generalkonsuls reagiert, Einrichtungen der Gülen-Bewegung zu überprüfen. „Klar ist jedenfalls, dass wir für diese Institutionen verantwortlich sind und sonst niemand“, sagte er den ARD-„Tagesthemen“ am Freitag. „Und wir beurteilen diese Organisationen aus eigenem Ermessen.“ Kretschmann verurteilte auch Boykottaufrufe gegen Einrichtungen der Gülen-Bewegung. „Es geht überhaupt nicht, dass auf irgendeinen Verdacht hin Aufrufe gemacht werden, dort nicht mehr hinzugehen, nicht einzukaufen, was auch immer.“

 

Die türkische Regierung macht die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen für den gescheiterten Putschversuch der Streitkräfte Mitte Juli gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan verantwortlich. Sie fordert von Deutschland die Auslieferung türkischer Gülen-Anhänger.

Von dem Schreiben des Generalkonsuls an die Landesregierung hatte Kretschmann in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag) berichtet. Er zeigte sich davon befremdet und kündigte an, der Aufforderung nicht zu folgen. Ihm seien keine Belege für die Behauptung bekannt, dass die Gülen-Bewegung für den Putschversuch in der Türkei verantwortlich sei. Schulen, die der Gülen-Bewegung nahestehen, sind deutsche Schulen, an denen nach dem baden-württembergischen Bildungsplan unterrichtet wird, wie Kretschmann betonte.

Einflussversuche der Türkei

Wie das Innenministerium mitteilte, sah der Verfassungsschutz im Südwesten 2014 keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass von Einrichtungen in Baden-Württemberg, die der Gülen-Bewegung zugeordnet werden können, verfassungsfeindliche Aktivitäten ausgehen könnten. Grünen-Bundeschef Cem Özdemir kritisierte nach Darstellung der Zeitung die Einflussversuche der Türkei in Deutschland.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) will den Konflikt in der Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch nicht im Südwesten ausgetragen sehen. „Dafür gibt es hier keinen Raum“, sagte er in Stuttgart. Der Großteil der im Südwesten lebenden türkischstämmigen Menschen sei friedlich. „Sie müssen innerhalb ihrer Landsleute dafür sorgen, dass es friedlich bleibt.“ Das sei in ihrem eigenen Interesse.

„Es werden Freundschaften aufgekündigt“

Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) rief Türken in Deutschland zur Besonnenheit auf. „Ehrlich gesagt bin ich entsetzt über das Verhalten vieler Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, die freiheitliche Ordnung hier kennengelernt haben und hier von der Rechtsstaatlichkeit, Vielfalt und Offenheit profitieren“, sagte Aras „Heilbronner Stimme“ und „Mannheimer Morgen“ (Samstag). „Und dass genau diese Menschen die Politik Erdogans unterstützen und mit ihr sympathisieren, ist unglaublich.“ Menschen mit türkischen Wurzeln müssten sich fragen, wo ihre Wurzeln seien.

Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Stimmung unter den türkischstämmigen Menschen in Deutschland sei sehr angespannt. Es gehe ein Riss durch die türkische Gesellschaft. „Es werden Freundschaften aufgekündigt. Und auch innerhalb von Familien gibt es Probleme.“