Zum umstrittenen Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan herrscht Ausnahmezustand in der Domstadt. Zehntausende Anhänger und Gegner drängeln sich in Köln.

Zum umstrittenen Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan herrscht Ausnahmezustand in der Domstadt. Zehntausende Anhänger und Gegner drängeln sich in Köln.

 

Köln - Mehrere zehntausend Menschen haben am Samstag gegen den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und seinen Besuch in Köln protestiert. Bereits am Mittag versammelten sich laut Polizei rund 30 000 Demonstranten, die durch die Innenstadt zu einer Kundgebung marschieren wollten. „Stoppt den Diktator Erdogan“, forderten die Teilnehmer auf Plakaten. Manche skandierten sogar „Mörder“ und „Faschist“. Zugleich trafen auf der anderen Rheinseite mehr als zehntausend Anhänger des türkischen Regierungschefs ein. Manche hatten schon seit den frühen Morgenstunden ausgeharrt. Vor der Lanxess-Arena, in der Erdogan sprechen sollte, drängten sich unübersehbare Menschenmassen.

Erdogan wollte am Abend - ungeachtet der massiven Kritik auch deutscher Politiker - eine Rede vor seinen Landsleuten halten, wenige Wochen vor der Präsidentenwahl in der Türkei. „Erdogan, du bist nicht willkommen“, machten die Demonstranten auf Transparenten deutlich. Aufgerufen zu dem Protest hatte die Alevitische Gemeinde.

Veranstalter beider Lager und die Polizei hatten sich auf rund 30 000 Anhänger und 30 000 Gegner des Ministerpräsidenten eingestellt. Sie wurden auch aus europäischen Nachbarländern wie Frankreich, Belgien, Österreich und den Niederlanden erwartet. Die Polizei war mit Hundertschaften vertreten, um Zusammenstöße zwischen beiden Gruppen zu verhindern. „Aber es wird nicht einfach sein“, sagte Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) im Südwestrundfunk.

Am Samstag herrschte Ausnahmezustand in Köln

Am Samstag herrschte Ausnahmezustand in der Millionenstadt. Neben den Protesten gegen Erdogan gab es weitere rund ein Dutzend Kundgebungen - unter anderem von Tausenden Bikern. Die Polizei sei gut gerüstet, betonte eine Sprecherin. „Momentan alles gut hier“, sagte sie.

Viele Demonstranten warfen dem türkischen Regierungschef vor, Menschenrechte einzuschränken und Minderheitenrechte zu missachten. Die Meinungsfreiheit in der Türkei werde immer weiter beschnitten. Dass sich Erdogan keine zwei Wochen nach dem schweren Grubenunglück von Soma mit 301 Toten nun Zeit für einen Deutschland-Trip nehme, sei unverzeihlich, meinten viele. „Der Umgang mit der Katastrophe ist schrecklich. Die Menschen trauern, und Erdogan macht Propaganda in Köln“, kritisierte Taylan Can, einer der Demonstranten.

Offiziell sollte Erdogan zum zehnjährigen Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) sprechen, die als verlängerter Arm seiner Partei AKP gilt. Die Türkische Gemeinde in Deutschland und die meisten anderen gehen aber davon aus, dass Erdogan Wählerstimmen sammeln will. Denn es gilt als wahrscheinlich, dass er im August für das Präsidentenamt in der Türkei kandidieren wird. Dabei können erstmals auch fast 1,5 Millionen Türken in Deutschland ihre Stimme abgeben.

Viele deutsche Politiker hatten eine Absage seines Redeauftritts verlangt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief Erdogan mehrfach zur Zurückhaltung auf.