Wer einen schönen Ausblick haben will, muss bekanntlich hoch hinauf: Der schmucklose Turm auf dem Haller Einkorn ist zwar nur 14 Meter hoch, bietet aber dennoch einen tollen Blick auf die Hohenloher Ebene.

Schwäbisch Hall - Wer einen Ausblick haben will, muss bekanntlich hinauf. In diesem Fall auf 510 Meter. So hoch ist die höchste Erhebung im Hohenloher Land, der Haller Hausberg Einkorn – über Normalnull freilich. Vom Fuß bis zum Gipfel sind gerade mal 120 Höhenmeter zu überwinden. Dann noch die rund 150 Stufen auf den 14 Meter hohen Aussichtsturm und es ist geschafft: Der Betrachter wird mit einem wunderbaren Blick über das weite Hügelland belohnt. Gelbe Getreidefelder, saftige Wiesen, dunkle Wälder und kleine Dörfer liegen ihm zu Füßen. Nur zu erahnen ist von hier oben der Kocher, der sich tief in den Muschelkalk eingeschnitten hat. „Bei gutem Wetter sieht man sogar bis zum Hohenstaufen“, schwärmt Frieder Wieland. Der Naturführer wohnt am Fuße des Einkorns und kennt das Gebiet wie seine Westentasche. Im Herbst führt er die Besucher an ergiebige Pilzstellen, im Frühjahr zum Kräutersammeln in den weitläufigen Einkornwald, der seit 1963 unter Landschaftsschutz steht.

 

Schon immer war der Einkorn beliebtes Ausflugsziel der Haller Bürger, ursprünglich war er sogar ein Wallfahrtsort. Verbrieft ist der Beginn des Wallfahrens im Jahr 1472. In seinem Büchlein „Der Einkorn“ beschrieb der Pfarrer und Heimatforscher Willi Bidermann treffend das Geschehen: „Mit dem Wallfahren verbanden die Hilfesucher ein ,grasmal‘, das heißt, man ließ sich im Gras nieder und leerte ,flaschen und speissecken‘.“ Geschäftstüchtige Wirtsleute von Hall, so Bidermann, brachten also genug zu essen und zu trinken an den Wallfahrtsort. Im Biergarten sitzt Frieder Wieland, grinst und greift zum Glas: „Man kann also sagen, dass die Gastronomie hier oben eine 500-jährige Tradition hat.“ Dazu später mehr.

Hochwachturm entstand auf Ruinen des Kirchturms

Das erste Gebäude auf dem ursprünglich nicht bewaldeten Bergvorsprung ließ das Chorherrenstift Comburg im Jahr 1506 errichten: die Kapelle der 14 Nothelfer. Sie wurde umgebaut, ausgebaut, abgerissen und 1716 an derselben Stelle neu errichtet. Mit der Säkularisation der Comburg im Jahr 1802 ging auch der Einkorn als Klosterbesitz an den Staat Württemberg. Vor 200 Jahren – am 6. Mai 1814 – tobte ein heftiges Gewitter über dem Einkorn. Ein Blitzschlag traf die Kirche: Das Gotteshaus brannte vollständig aus und liegt seither als Ruine da. Die Amtskörperschaft Hall – Vorläuferin des heutigen Landratsamts – erwarb das Gelände und errichtete auf den Ruinen des einstigen Kirchturms einen Hochwachturm. Er sollte zur frühzeitigen Erkennung von Bränden dienen, bereits 1848 wurde die Feuerwache aber wieder eingestellt. Auf dessen Fundamenten schließlich wurde der rechteckige Turm errichtet, wie er heute auf dem Einkorn steht. Die Begeisterung für das Vorhaben scheint groß gewesen zu sein: Finanziert wurde das Bauwerk ausschließlich mit Spenden der Haller Bürger.

Am 1. Mai 1893 wurde der „König-Karl-Turm“ mit einem weithin sichtbaren Leuchtfeuer feierlich eröffnet – „zum Andenken an die segensreiche Regierung des unvergesslichen Königs Karl von Württemberg“. Der großspurige Name ist freilich längst vergessen, heute spricht jeder nur vom Einkornturm. Während des Zweiten Weltkriegs vom Fliegerhorst Hessental für militärische Zwecke beschlagnahmt, nach dem Krieg vom Landkreis zurückgekauft, 1958 renoviert und wiedereröffnet ist der Turm geblieben, was er war: eine recht schmuckloses, von Holzlatten ummanteltes Bauwerk auf dem Einkorn. Der Beliebtheit des Berges hat das keinen Abbruch getan. Dazu trägt auch die Gastronomie bei. Wer nicht mit Wurst mit Weck im Gepäck an der Grillstelle anfeuert oder die Gleitschirmflieger beobachtend sein Picknick verzehrt, kehrt hier gerne und gut ein. Seit der Haller Szenegastronom Matthias Messerschmidt die Gaststätte übernommen hat, brummt es auf der Höhe. Zum Programm gehören Jazzfrühschoppen und Konzerte. Der Wirt setzt auf Speisen aus regionalen Zutaten. Selbst gebackener Kuchen, üppig belegte Vesperbrote oder das Berggröstl schmecken, dazu servieren die allzeit freundlichen Servicekräfte regionales Bier sowie Hohenloher und Heilbronner Weine.

Einkehr und Unterkunft in Gaststätte mit Hostel

Im gekiesten Biergarten sitzt es sich im Sommer angenehm unter Schatten spendenden Schirmen. Im Winter kann es eng werden in der gemütlichen, mit einem Kachelofen befeuerten Gaststube. Das Wirtshaus stammt aus dem Jahr 1745, wie das Wappen über dem Eingang verrät. Wer am liebsten gleich dableiben möchte: Zur Gaststätte gehört ein Hostel mit sieben Doppelzimmern und einem Schlafsaal für zwölf – wie gemacht für Wandergruppen.

Auch die sind hier gerne gesehene Gäste. Rund 21 Kilometer lang ist die Etappe des zum Kocher-Jagst-Trail gehörenden Bühlersteigs, die vorbei an unberührten Wiesen, durch die dicht bewaldeten Limpurger Berge über verschlungene Waldwege auf den Einkorn führt. Die Wege sind gut ausgeschildert, der wilde Rechberger aus Ludwig Uhlands Gedicht („Rechberger war ein Junker keck, / Der Kaufleut und der Wanderer Schreck“) führt heute niemanden mehr in die Irre.

Wer’s gemächlicher mag, steigt einfach am Bahnhof Schwäbisch Hall-Hessental aus dem Zug, wandert durch die Einkornallee und dann links durch den Wald – immer der Nase nach. 120 Höhenmeter, das müsste doch zu schaffen sein.