Die Tunnelbauer planen für die Karlsruher Kombilösung mit mehr als 30 Zügen pro Stunde unter dem Marktplatz. Damit gehen sie ans Kapazitätslimit, Kritiker befürchten häufige Staus und Verzögerungen.

Karlsruhe - In Karlsruhes Innenstadt entsteht bald ein rund zwei Kilometer langer Tunnel für die Stadtbahnen. Am kommenden Wochenende soll der Tunnelanschlag, eine Art Grundsteinlegung, groß gefeiert werden. Spätestens von November an wird sich dann eine 80 Meter lange Tunnelbohrmaschine in den Untergrund fräsen. Doch schon vor der Planfeststellung bezweifelten Kritiker, ob der Tunnel alle Linien aufnehmen kann, die die Planer in den Genehmigungsunterlagen festgeschrieben haben. Selbst die Verkehrsbetriebe monierten intern schon vor Jahren einen Hang zu technischem Optimismus. Problematisch ist in den Plänen nach wie vor ein unterirdischer Abzweig mit Ampel.

 

Seit 40 Jahren wird in Karlsruhe über einen Tunnel unter der zentralen Kaiserstraße nachgedacht. Bei einem zweiten Bürgerentscheid im September 2002 votierte eine deutliche Mehrheit für das Vorhaben, das vor Ort meist als „U-Strab“ („Unterpflaster-Straßenbahn“) firmiert und als größter Stadtumbau in Karlsruhes Nachkriegsgeschichte gilt.

Die Taktdichte der Stadt- und S-Bahnlinien ist erheblich

In den Planfeststellungsunterlagen vom Dezember 2008 ist die Rede von sechs Stadt- und S- Bahnlinien, die im östlichen Teil der Kaiserstraße bis zur Mitte des Tunnels beim Marktplatz verkehren sollen. Im westlichen Teil und im Südabzweig unter dem Stadtzentrum sollen es jeweils fünf Linien sein. Bis zu zwei weitere Straßenbahnlinien sollen in die 300 Meter südlich liegende Kriegsstraße verlegt werden. Die Taktdichte unter dem Marktplatz, wie sie die Genehmigungsbehörden absegneten, war offenbar Voraussetzung für die „Standardisierte Bewertung“ – eine nach strengen Kriterien erfolgende Kosten-Nutzen-Analyse, die in Karlsruhe bei 1,18 endete. Die Bewertung muss über eins liegen, um auch staatliche Zuschüsse zu bekommen.

Ein internes Papier der Verkehrsbetriebe kam schon im Februar 2009 zum Schluss, dass es besser sei, eine Linie aus dem Tunnel herauszunehmen, um funktionsfähige Betriebsabläufe zu gewährleisten. Die Befürchtung war, dass bereits kleinere Störungen zu sofortiger Umleitung und lang anhaltenden Verspätungen führen könnten. Auch im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens hatte es wiederholt Mahnungen bezüglich der Kapazitätsgrenzen gegeben. Eine von Gutachtern ins Spiel gebrachte Zugfolge von 90 Sekunden wurde als „unrealistisch“ angesehen. Das von Kritikern damals beauftragte Münchner Büro Vieregg & Rößler hatte viele ernstzunehmende Gegenargumente aufgelistet.

Die neue Kostenschätzung sorgt für Diskussionen

Doch darüber debattiert in Karlsruhe derzeit kaum einer – viel eher beschäftigt die Menschen die nach Amtsantritt von OB Frank Mentrup (SPD) aktualisierte Kostenschätzung, die derzeit bei knapp 900 Millionen Euro liegt. „Die von der DB-International nach anerkannten Regeln und Berechnungsmethoden erstellten Untersuchungen und Gutachten vom März 2006 und Juli 2009 haben den Nachweis erbracht, dass der vorgesehene Fahrplan im Tunnel konfliktfrei umgesetzt werden kann“, sagt der Geschäftsführer der städtischen Tunnelbaugesellschaft, Uwe Konrath. 2011 habe eine weitere Untersuchung zudem den Nachweis erbracht, dass selbst bei einem gestörten Betriebsablauf Verzögerungen und Staus abbaubar seien.

Der Karlsruher Verkehrsplaner Axel Kühn, der seit rund 20 Jahren freiberuflich Stadtbahnprojekte in ganz Europa betreut, kennt alle Details der Kombilösung. Danach ähnelt die in der Genehmigung festgeschriebene Taktdichte dem ambitionierten Fahrplan der Pariser Metro. Dort würden je Stunde und Richtung 38 Züge verkehren, sagt Kühn. In der Kaiserstraße komme man nach den Planungen auf eine stündliche Zuganzahl von 33 bis 35. Dagegen würden 30 Züge ganz überwiegend als Grenze für einen zuverlässigen Betrieb gesehen, auch in vielen deutschen S-Bahn-Systemen.

Kühn nennt ein Detail, das es in Stuttgarts oder Münchens S-Bahn-Verkehr nicht gibt: der unterirdische Abzweig mit beampeltem Kreuzungsverkehr gilt als bundesweit einzigartig. Kühn kennt europaweit nur ein solches Beispiel, den 1969 eröffneten U-Strab-Haltepunkt am Matzleinsdorfer Platz in Wien. Dieser bringe im Betrieb Verzögerungen mit sich. Gut möglich also, dass noch mehr als nur eine Linie raus muss aus Karlsruhes Tunnel.

Die Karlsruher Kombilösung

Am kommenden Samstag wird der bevorstehende Start der Tunnelvortriebsmaschine, die den zwei Kilometer langen Stadtbahntunnel unter der Kaiserstraße zwischen Durlacher Tor und Mühlburger Tor bauen wird, gefeiert. Die frühere Karlsruher Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle wird den Tunnel taufen. Am Sonntag gibt es dann von 9 bis 17 Uhr an den Baufeldern West und Ost am Durlacher Tor einen Tag der offenen Baustelle. Frühere Berechnungen gingen von Kosten für beide Projektteile von insgesamt 588 Millionen Euro aus, damals mit gut 172 Millionen Eigenanteil der Stadt. Laut neuesten Berechnungen liegen die Kosten nun voraussichtlich bei 860 Millionen Euro. Derzeit hinken die Bauarbeiten um fast zwei Jahre hinter dem Zeitplan her