Es hat schon gewaltigere Aktionen gegen Stuttgart 21 gegeben als beim Transport des Tunnelbohrers in der Nacht auf Freitag. Unter den Kritikern des Bahnprojekts gilt die Aktion dennoch als gelungen.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Zwischen 120 und 200 Stuttgart-21-Kritikern sind in der Nacht zum Freitag zur Stelle gewesen, um ihren Ärger über die Anlieferung des ersten Teils der Tunnelbohrmaschine Luft zu machen. Mit Trillerpfeifen und Musikinstrumenten und Transparenten standen sie erst an der Otto-Hirsch-Brücke, in der Nähe des Startpunkts des Schwertransports. Ein unermüdlicher Haufen hatte am Fasanenhof der Kälte getrotzt, um die Zufahrt zur Baustelle zu blockieren. Die Polizei, die den Demonstranten absolute Friedlichkeit bescheinigt, löste die Blockade kurz nach Mitternacht auf.

 

Ein wackerer Haufen, der harte Kern des Widerstands oder nur ein kleines Resthäufchen? Letzteres auf keinen Fall, so beurteilen es mehrere Vertreter aus dem Lager der Stuttgart-21-Gegner. Die Versammlungen am Startpunkt und am Ziel des Transports waren von den Parkschützern angemeldet worden. „Das sind ordentliche Zahlen“, sagt deren Sprecher Matthias von Herrmann. Schließlich würden die Gegner nun schon im vierten Winter Widerstand gegen das Großprojekt leisten. „Man darf auch nicht vergessen, dass Polizisten und Lastwagenfahrer in solchen Nächten Geld verdienen. Unsere Leute nicht, die sind alle in der Freizeit da“, fügt Matthias von Herrmann hinzu. Es sei nachvollziehbar und verständlich, wenn keine großen Massen zu später Stunde und bei Eiseskälte demonstrieren würden. Der Widerstand habe dennoch einen großen Rückhalt: „200 blockieren nachts die Baustellenzufahrt, 2000 kommen zur Montagsdemo, 20 000 unterstützen uns zum Beispiel mit Spenden, 200 000 haben schon mal einen Aufkleber gegen Stuttgart 21 in der Hand gehabt“, rechnet von Herrmann vor. „Jede gewaltfreie Form des Protests ist gleichberechtigt, gut und sinnvoll“, betont er.

Es sei wichtig, weiterhin Flagge zu zeigen“, sagt Clarissa Seitz, Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 und Grünen-Stadträtin. Auch wenn es keine große Zahl gewesen sei, die sich in den Weg gestellt habe, sei der Protest in der frostigen Nacht eine „beachtliche Leistung angesichts der Kälte und des Stresse“ gewesen, sagt sie. Schade findet Seitz jedoch, „wenn zu martialisch vorgegangen wird, man den Leuten vormacht, man könne das Projekt noch stoppen“. „Das ist doch einmalig“, sagt der SÖS-Fraktionschef Hannes Rockenbauch. Eine Bewegung wie die gegen Stuttgart 21 gebe es „bundesweit nicht noch einmal“. Die Protestform des zivilen Ungehorsams, sich mit einer Blockade in den Weg zu stellen, mache jeder aus einer Gewissensentscheidung heraus. „Das war noch nie ein Massenphänomen“, fügt er hinzu. Auch die Polizei habe wohl nicht mit allzu massivem Widerstand gerechnet, so Rockenbauch weiter. „Sonst wäre sie nicht nur mit drei Hundertschaften im Einsatz gewesen“, sagt der Stuttgart-21-Gegner.