Schon vor der Wahl mehren sich die Turbulenzen in der Landes-CDU: Ob Guido Wolf nun an Koalitionsverhandlungen teilnehmen darf oder Grün-Schwarz ausgeschlossen ist – die zutiefst verunsicherte Partei schlingert.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Thomas Strobl hätte nur ein einziges Wort sagen müssen. Ob er garantieren könne, wurde der CDU-Landeschef gefragt, dass Guido Wolf zum Kreis jener Christdemokraten gehöre, der nach der Landtagswahl Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen führen werde – und zwar unabhängig vom Wahlergebnis? Selbstverständlich, wäre die einzige richtige Antwort gewesen, um wenige Tage vor dem Schicksalsdatum auch nicht den allerleisesten Zweifel am Spitzenkandidaten aufkommen zu lassen. Doch Strobl wich wortreich aus. Man gehe „einen Schritt nach dem andern“, warte erst einmal den Sonntag ab und werde dann entscheiden, „wer möglicherweise mit wem sprechen“ werde. Von Wolf war keine Rede, zum Erstaunen der Journalistenschar, die der Einladung zur Präsentation des „Sofortprogramms“ gefolgt war. Dabei hatte Wolf seinen Sitznachbarn Strobl zuvor noch auf die Brisanz der Frage hingewiesen.

 

Erst im Nachhinein dämmerte dem CDU-Chef, welch fatalen Eindruck seine Antwort hinterlassen hatte. Die Partei habe ihren Spitzenkandidaten bereits abgeschrieben, nach dem 13. März spiele er keine Rolle mehr – das musste man daraus folgern. Gleich im Anschluss an den Auftritt korrigierte sich Strobl gegenüber der StZ: Bei den Gesprächen nach der Wahl werde „der Fraktionsvorsitzende selbstverständlich allerengstens eingebunden“. Später schob der Landesverband, aufgeschreckt von den Irritationen im Lager Wolfs, eine klärende Pressemitteilung nach: Jetzt, vor der Wahl spreche man über Inhalte, am Sonntag dann über „Personenkonstellationen“. Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen würden selbstverständlich von ihm und Wolf geführt, ließ sich Strobl zitieren. Damit war der Fauxpas halbwegs repariert.

Grün-Schwarz doch nicht ausgeschlossen

Zuvor hatte Strobl seinerseits einen Patzer Wolfs ausbügeln müssen. Eine schwarz-grüne Koalition könne er sich vorstellen, in Hessen funktioniere das schließlich „geräuschlos“, hatte der im StZ-Interview gesagt, nicht aber eine grün-schwarze. Als Juniorpartner für die Partei Kretschmanns stehe die CDU nicht zur Verfügung; diese Frage werde sich ohnehin nicht stellen, da man stärkste Partei werde. Wenn die inhaltliche Übereinstimmung ausreiche – wie könne man dann die eine Konstellation für möglich erklären und die andere ausschließen? Darauf wusste auch Strobl keine überzeugende Antwort. Man beschäftige sich nicht mit Überlegungen, was wäre, wenn die CDU als „Zweiter oder Dritter“ ins Ziel gehe. Weder er noch Wolf wiederholten freilich die Absage an Grün-Schwarz.

Offiziell plant die Partei derzeit nur bis zum 13. März, was danach komme, werde man sehen. Aber natürlich gibt es längst Überlegungen für die Folgetage – und ganz konkrete Pläne. Am Dienstag, dem 15., wird die Fraktion ihren Vorsitzenden wählen. So hat es der engere Vorstand bereits vor einiger Zeit beschlossen. In dieser Funktion ist Guido Wolf eigentlich noch bis zum Ende der Legislaturperiode gewählt. Doch es ist nicht unüblich, sich nach Wahlen demonstrativ bestätigen zu lassen; das stärkt die Position in den folgenden Verhandlungen. Wolf stelle sich „zur Wiederwahl“, bestätigt sein Sprecher, „um dann mit diesem Votum alle anstehenden Gespräche zu führen“. Aber auch diese Wahl dürfte ganz im Zeichen des Wahlergebnisses stehen.

In der Fraktion droht Katzenjammer

Kommt es für die CDU so schlimm wie erwartet, dann dürfte in der Fraktion großer Katzenjammer herrschen, eine Mischung aus Trauer, Frust und Wut. Es drohe ein „brutales Erwachen“, fürchtet ein Altgedienter, weitaus übler als 2011, nach dem Machtverlust unter Stefan Mappus. Viele Kollegen, die ihr Mandat verloren haben, gälte es zu trösten; die Fraktion könnte schmerzhaft dezimiert sein. Die verbliebenen und die neuen Parlamentarier müssten möglichst schnell ihre Führung klären und sprechfähig sein. Auf keinen Fall dürfte man sich in gegenseitigen Schuldzuweisungen und Vorwürfen ergehen.

Ob Guido Wolf noch die Autorität für diese Rolle hat, hängst stark vom Wahlergebnis ab. Längst werden in der Fraktion potenzielle Alternativen durchgegangen. Winfried Mack, der Vizechef? Nicht mehrheitsfähig, lautet ein oft gehörtes Verdikt. Mehrfach genannt werden die Namen zweier Ex-Minister, Wolfgang Reinhart und Willi Stächele; man brauche nun jemand Alterfahrenes, heißt es da. Aber auch der frühere Fraktionschef Peter Hauk könnte wieder ins Spiel kommen. Nach außen geben sich natürlich alle bedeckt, aber intern wird bereits sondiert.

Ein starker CDU-ler als Vizepremier?

Auch Grün-Schwarz wird, entgegen den offiziellen Beteuerungen, bereits durchgespielt – mit Blick in die etwas fernere Zukunft. Sollte Winfried Kretschmann wieder Ministerpräsident werden, hört man, dann müsse ihm die CDU eine starke Stellvertreterin oder einen starken Vize an die Seite stellen. Gebe der Grüne, wie viele Christdemokraten erwarten, das Amt nach spätestens dreieinhalb Jahren weiter, könne der schwarze Vize die Partei mit besten Chancen in die Wahl 2021 führen – wenn es nicht sogar vorher Neuwahlen gebe. Ohne Kretschmann, so die Hoffnung, werde „das grüne Soufflé in sich zusammenfallen“.

Fehlt nur noch der überzeugende Vize.