Wenn Sebastian Krimmer turnt, schaut die Teammanagerin des Bundesliga-Tabellenführers MTV Stuttgart konsequent weg. Dabei verpasst die Mutter des Nationalturners so einiges.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Wenn Sebastian Krimmer turnt, schaut die Teammanagerin des Bundesliga-Tabellenführers MTV Stuttgart konsequent weg. Das hat schon Tradition, das macht sie schon immer so – Claudia Krimmer kann einfach nicht hinsehen, wenn ihr Sohn ans Gerät geht. Das ist zurzeit besonders schade, denn so verpasst sie richtig sehenswerte Übungen. Das kann sie aber nur dem entnehmen, was ihr Augenzeugen berichten. „Wir freuen uns, dass er so unbekümmert wieder Anschluss an die nationale Spitze gefunden hat“, sagt die Backnangerin vor dem Spitzenduell am Samstag (17 Uhr) in der heimischen Scharrena gegen die zweitplatzierte TG Saar.

 

Bei den drei Stuttgarter Kantersiegen zum Saisonbeginn avancierte Sebastian Krimmer jeweils zum Topscorer. Gegen das MTT Chemnitz/Halle (69:18) steuerte der Nationalturner zum Auftakt 15 Zähler bei; beim Aufsteiger Siegländer KV (67:14) zwölf Zähler; am Sonntag gegen den SC Cottbus (63:20) sogar 22. Mit 49 Punkten ist er der erfolgreichste Deutsche der Liga, er belegt Platz drei – knapp hinter dem Ukrainer Oleg Wernjajew von der TG Saar mit 51 Punkten und dem Weißrussen Andrey Likhovitskiy von der KTV Obere Lahn (50).

Das ist umso bemerkenswerter, weil Sebastian Krimmer erst seit vier Monaten wieder voll im Training steht. Vergangenes Jahr bremsten ihn eine Handoperation und ein Bizepssehnenabriss aus, wodurch der 23-jährige Olympiateilnehmer die Europameisterschaften und später auch die Weltmeisterschaften verpasste. „Die Zwangspause hat mir gutgetan. Mir macht Turnen wieder richtig Spaß, und ich bin voll motiviert“, sagt er.

Der MTV Stuttgart verpflichtet Donnell Whittenburg nach

Dem MTV Stuttgart tut Sebastian Krimmer in guter Form immer sehr gut – und augenblicklich ganz besonders. Denn Marcel Nguyen, der Star der Mannschaft, hat den ersten Wettkampf ausgelassen und wird auch den abschließenden Wettkampf der ersten Saisonphase am Samstag verpassen. Der Olympiazweite ist zwar eigentlich nach einem viermonatigen Asien-Aufenthalt mit Basisstation in Hongkong in die Heimat zurückgekehrt, aber am Wochenende von Porsche als Repräsentant für eine Automesse in Peking gebucht. Im Herbst wird er dann aber bei allen MTV-Auftritten in der Bundesliga mitturnen.

Weil er am Samstag fehlt, hat der MTV Stuttgart kurzfristig Donnell Whittenburg verpflichtet. Der 19-jährige US-Amerikaner fliegt extra aus Colorado Springs ein. Auf etwa 3000 Euro werden sich die Kosten dafür belaufen. Der Vorjahresvierte der Bundesliga macht im Kampf um den ersten Titel seit 2002 also ernst. „Das kann man so sagen, und das müssen wir auch tun, so eng wie es dieses Jahr in der Bundesliga zugeht, um am Ende ins große Finale um die Meisterschaft einzuziehen“, sagt Claudia Krimmer.

Pro Gerät darf ein Ausländer eingesetzt werden. Die Briten Daniel Purvis und Kristian Thomas erhalten zurzeit von ihrem nationalen Verband wegen der Vorbereitung auf die Europameisterschaften im Mai in Sofia keine Freigabe. Zunächst besetzte der Ukrainer Igor Radivilov, Europameister an den Ringen, deshalb zweimal diese Position. Zurzeit ist er aber nicht verfügbar, denn am Wochenende ist er in ukrainischem Auftrag bei einem Einladungsturnier in Südkorea am Start.

Die TG Saar kommt mit Oleg Wernjajew in die Scharrena

Zuletzt gegen die Cottbuser turnte der Schweizer Pascal Bucher, der diesmal Donnell Whittenburg Platz machen muss. Der US-Amerikaner gesellt sich zu Anton Wirt, Daniel Weinert, Thomas Andergassen, Felix Pohl sowie Sebastian Krimmer, der sagt: „Es wird schwer, wir dürfen keine Fehler machen.“ Denn nach drei leichteren Aufgaben geht es am Samstag mit den entscheidenden Duellen los. Die TG Saar etwa kann auf Oleg Wernjajew bauen, den aktuell wohl besten europäischen Turner, der 2013 auch den DTB-Pokal in Stuttgart gewann. „Er ist ein absoluter Kracher. Er turnt jedes Wochenende volles Programm, echt bewundernswert“, sagt Claudia Krimmer.

Am Samstag führte Oleg Wernjajew seine Mannschaft als Topscorer mit 14 Punkten bei der zuvor unbezwungenen KTV Straubenhardt zu einem 37:27-Sieg, zeigte dabei beispielsweise den schwierigen Dragulescu-Sprung (Überschlag-Doppelsalto mit halber Schraube). „Und den bolzt der auch noch volle Kanne in den Stand. Wahnsinn“, sagt Claudia Krimmer. „Ich verspreche auch für Samstag Weltklasseturnen, beide Teams werden sich nichts schenken.“

Dank dem 20-jährigen Überflieger Oleg Wernjajew wird auch ohne Marcel Nguyen beim Spitzenduell in der Scharrena ein internationaler Spitzenmann antreten. Und was Sebastian Krimmer zeigt, ist ja ebenfalls absolut sehenswert – auch wenn seine Mutter immer noch lieber wegschaut.