Der Rems-Murr-Kreis sucht händeringend weitere Unterkünfte für Flüchtlinge und bereitet vorsorglich die Turnhalle der Kreissonderschule für die Aufnahme vor. Der Rektor kritisiert das. Eine wichtige Quelle des Unterrichts werde massiv leiden.

Fellbach-Schmiden - Noch redet die Sprecherin des Landratsamts Waiblingen, Marie-Christine Scholze, von „Vorbereitungen“. Nur „vorsorglich“ würden die Turnhallen der Fröbelschule in Schmiden und der Bodelschwingh-Schule in Murrhardt als vorübergehende Asylunterkünfte hergerichtet. Es sei noch nicht klar, ob die Turnhalle der Sonderschule für Geistig- und Körperbehinderte in Schmiden wirklich mit bis zu 70 Menschen belegt wird. „Wir haben immer noch die Hoffnung, dass sich andere Objekte auftun. Aber nicht jede Halle ist gleich gut geeignet.“

 

Doch bereits am nächstem Freitag wird die Turnhalle für den Schulbetrieb – und die sie abends nützenden Sportvereine – wegen dieser Vorbereitungen erst einmal gesperrt. Frühestens vom Donnerstag, 15. Oktober, könnte sie dann belegt werden. „In den Turnhallen der Kreissonderschulzentren könnten maximal 150 Flüchtlinge untergebracht werden“, teilt die Sprecherin mit. Denn die stetig wachsende Zahl der Asylbewerber, die nach Baden-Württemberg kommen, lasse der Behörde keine andere Wahl. Ab wann die zwei Hallen für Flüchtlinge benötigt werden und wie lange die Unterbringung andauern wird, könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Bisher seien die Zuweisungszahlen an den Rems-Murr-Kreis für den laufenden Monat Oktober von der Landeserstaufnahmestelle noch nicht übermittelt worden. Ausweichstandorte für den Schul- und Vereinssport würden derzeit gesucht.

Die Flüchtlinge unterzubringen wird immer schwieriger

Turnhallen als Unterkünfte sind für Landrat Richard Sigel, den Chef der Kreisverwaltung, eine absolute Notlösung. Allein im September sind 28 698 Flüchtlinge nach Baden-Württemberg gekommen. Rechnerisch ist der Rems-Murr-Kreis verpflichtet, 4,4 Prozent von ihnen zu beherbergen, also 1263 Personen nur für den Monat September. „Die immense Herausforderung, Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge zu schaffen, wird daher von Woche zu Woche größer“, sagt Marie-Christine Scholze. „Wir brauchen noch viel mehr Plätze und Angebote. Wir prüfen Objekt für Objekt, das uns angeboten wird.“

Rektor hat Verständnis und kritisiert den Beschluss doch

Der Leiter der kreiseigenen Schule, Hans-Joachim Strohbach, hat Verständnis für das Vorgehen des Landratsamts und doch größte Bedenken: „Ich denke, dass der Kreis Platz braucht, ist überhaupt nicht abzustreiten. Dass er alle Möglichkeiten nützt, ist auch klar. Aber für uns ist diese kleine Turnhalle mehr als Sport. Sie ist einzige, wo wir mit unseren Schülern hinkönnen. Und sie ist der einzige Ort mit ihren Bewegungslandschaften, wo vor allem die mehrfach behinderten, die geistig- und zusätzlich körperbehindert sind, ihre motorische Kompetenz weiterentwickeln können.“ Für die jungen Menschen im Alter von 6 bis 18 Jahren ist dies nicht einfach Sport, es ist Therapie. Er sagt daher: „Eine Quelle des Unterrichts wird ganz massiv leiden.“

Etwa ein Drittel der etwa 100 Schüler an der Fröbelschule sind mehrfach behindert. Gerade zum Schuljahresbeginn sind einige Schwer-Mehrfachbehinderte neu aufgenommen worden. Auch die 18 Kinder in der zugehörigen Kindertagesstätte und 12 im Schulkindergarten nützen die Turnhalle. Strohbach kritisiert, dass er im Vorfeld keine Möglichkeit erhalten habe, auf diese Zusammenhänge und die Folgen hinzuweisen.

Ausweichmöglichkeiten versprochen, aber nicht in Sicht

Das Versprechen der Beamten in Waiblingen, nach Ausweichquartieren zu suchen, kann Strohbach nicht mit dem Beschluss versöhnen. „Wir waren 15 Monate lang ausgelagert nach dem Brand der Schule. Viele haben uns geholfen, Klassen unterzubringen. Aber für Sport und Therapie ist es uns nicht gelungen, Neues zu finden“, erzählt Strohbach. Denn die Sonderschule braucht ganz spezielles Material und besondere Geräte, „nicht das klassische. Es ist sehr, sehr bedauerlich, dass man sich eine solche Schule aussucht.“

Der Vereinssport wird noch am ehesten ausweichen können. Hauptsächlich der TSV Schmiden nützt die Halle für Judo, Fußball, Jazztanz, aber auch die Volkshochschule. Daneben kamen auch Klassen der privaten Helmut von Kügelgen-Schule und Swiss International School in die Turnhalle.

Sonderschulrektor Strohbach weist darauf hin, dass für viele Kinder an seiner Einrichtung der Schulsport die einzige Chance ist, sich zu bewegen: „Die können nicht in den Sportverein gehen oder auf der Straße rennen. Sie brauchen stets eine Aufsicht dabei. Das Angebot in unserer Halle ist das einzige. Ich verstehe nicht, dass man behinderten Kindern diese Möglichkeit nimmt. Die Eltern sind schon empört.“

Zusage der Stadt Fellbach für zwei weitere Unterkünfte

Die Entscheidung aus dem Landratsamt kommt für Strohbach kurzfristig und für die Öffentlichkeit vor dem genannten Hintergrund überraschend. Denn die beiden Hallen der Sonderschulen sind keineswegs die letzten im Besitz des Kreises, die noch nicht als Unterkunft dienen. An zwei Kreisberufsschulzentren sind noch insgesamt zwei Hallen nicht von Flüchtlingen belegt. Auch hat sich gerade erst in der jüngsten Gemeinderatssitzung der Gemeinderat Fellbach darauf verständigt, der Kreisverwaltung den Parkplatz P3 und die Lehmgrube in Schmiden als Standort für winterfeste, wenn auch einfache Unterkünfte bereitzustellen. Damit würde auch ein gewisses Ungleichgewicht in der vorläufigen Unterbringung der Neuankömmlinge im Kreis beseitigt: Auf dem Parkplatz an der Esslinger Straße sollen vermutlich noch im Herbst, aber spätestens von Januar an 60 Menschen zeitweise in Containern wohnen. 40 weitere sollen in der Lehmgrube in einer solchen Unterkunft eine vorläufige Bleibe finden. Um weitere Plätze verhandelt die Waiblinger Behörde mit einer Kirchengemeinde und mit einem Privatmann. Gerechnet nach der Größe der Bevölkerung, so hatte der Fellbacher Oberbürgermeister Christoph Palm in der Sitzung eingeräumt, haben aber andere Große Kreisstädte an Rems und Murr dem Landratsamt zuvor mehr Unterkünfte ermöglicht als Fellbach. Wie es heißt, soll bei der Entscheidung der Kreisverwaltung dieses bestehende Missverhältnis und der Wunsch nach Gleichbehandlung der Städte eine Rolle gespielt haben. Palm wies in der Sitzung allerdings den Gedanken zurück, die Stadtverwaltung Fellbach könnte sich eines Versäumnisses schuldig gemacht haben.