Ulrike Weinbrenner aus Sillenbuch, sah sich vor einigen Jahren gezwungen, einen Teil ihres Grundstücks an die Stadt abzutreten. Heute will sie es nicht mehr zurück. Eine skurrile Geschichte von der Tuttlinger Straße.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Sillenbuch - Gerne hat sie die Treppe, die zu ihrer Eingangstür führt, nicht verkauft. „Man könnte sagen, ich bin genötigt worden“, sagt Ulrike Weinbrenner. Doch sie sah keinen anderen Weg. „Ich wäre ja sonst enteignet worden.“ Die 72-jährige Sillenbucherin lebt an der Tuttlinger Straße 90. Das Haus, erbaut anno 1806, hat Historie. Die erste Schule des Dorfs war darin untergebracht, später der Konsum. 1983 hat Ulrike Weinbrenner das Haus gekauft, ein Jahr später musste sie einen 25 Quadratmeter großen Streifen entlang der Tuttlinger Straße an die Stadt abtreten. Dazu gehört auch die Treppe. „Sie steht jetzt auf städtischem Grund“, sagt sie.

 

Die Stadt schob den Fuß in den Türspalt

Die Stadt hat die Fläche erworben, weil es den Plan gab, die schmale Tuttlinger Straße zu verbreitern. Der Hausbesitzerwechsel war für die Stadt eine Chance, quasi den Fuß in den Türspalt zu schieben. Auf amtlichen Papieren ist die Straße den angestrebten Maßen entsprechend eingezeichnet. Mit der Folge, dass sie mancherorts durch Häuser verläuft. Denn in dem einstigen Straßendorf stehen die Gebäude bis heute dicht an der Fahrbahn.

Über Ulrike Weinbrenners Grundstück ist in den amtlichen Schriftstücken zu lesen: Von der geplanten Straßenfläche „ist ein geringer Teil mit Tuttlinger Straße 90 überbaut.“ Eben jene 25 Quadratmeter, auf der die Treppe steht. 2500 D-Mark hat Ulrike Weinbrenner damals von der Stadt bekommen. Um all das zu zeigen, öffnet sie eine blaue Mappe, auf der „Casa mia“ steht, „mein Haus“ auf Italienisch.

Sie will ihr einstiges Eigentum nicht mehr zurück

Der Zeitgeist ändert sich. Und wenn Ulrike Weinbrenner wollte, könnte sie ihr 1984 verkauftes Eigentum vermutlich wieder zurück haben. Doch dafür sieht sie inzwischen keinen Grund mehr. Denn spätestens seit diesem Jahr ist klar, dass die Stadt die Tuttlinger Straße in absehbarer Zeit nicht ausbauen will. Mehr noch, die Verwaltung schützt den Status quo.

Die Stadt Stuttgart arbeitet bekanntlich zurzeit an einer Gestaltungssatzung für Alt-Sillenbuch. Ziel ist es, dass im historischen Ortskern von Sillenbuch nach Möglichkeit alles so bleibt, wie es ist und schon vor mehr als hundert Jahren war. Damit hat die Stadt die Treppe voreilig gekauft.