Die ARD zeigt „Monsoon Baby“, einen differenzierten, berührenden Film über das Thema Leihmutterschaft. Der Drehbuchautor Florian Hanig ist durch eine eigene Recherche für das Magazin „Geo“ auf das schwierige Thema gestoßen

Stuttgart - Eigentlich geben Nina und Mark ein ziemlich gutes Paar ab. Sie sind Ende dreißig, lieben sich noch, können reden, haben Spaß miteinander. Nur Kinder bekommen können sie auf natürlichem Wege nicht. Nach zahllosen In-vitro-Befruchtungsversuchen, drei Fehlgeburten und einigen Nervenzusammenbrüchen entscheiden sie sich dafür, nach Indien zu reisen und gegen Bezahlung eine Leihmutter zu suchen.

 

Das heißt, vor allem Nina entscheidet sich. Mark bleibt skeptisch, stellt kritische Fragen, wo seine Gefährtin, berauscht von der Hoffnung, einen Blindflug in Richtung Familienfreuden antreten will. Doch obwohl bald im Bauch der jungen Shanti in einer auf unfruchtbare Paare aus den reichen Ländern spezialisierten Klinik in Kalkutta eine kleine Tochter heranwächst, hören die Probleme für die beiden Deutschen nicht auf. Die Leihmutter scheint ihnen etwas zu verbergen, ihr Mann macht Schwierigkeiten, kurz vor der Entbindung ist Shanti plötzlich verschwunden.

Der sehr differenzierte Film „Monsoon Baby“, in dem diese Geschichte erzählt wird, platzt mitten hinein in eine weltweite Diskussion über Leihmutterschaft, ausgelöst durch mehrere Skandale um von bezahlten Frauen ausgetragene Kinder. Kein leichter Stoff, ein Glücksfall deshalb, dass der Drehbuchautor Florian Hanig viele Facetten des Themas kennt, weil er bereits vor fünf Jahren eine große Reportage dazu veröffent-lichte. Durch Zufall war der „Geo“-Redakteur damals während einer Recherche in Bombay auf eine kleine Klinik gestoßen, in der einheimische Frauen für britische, amerikanische und australische Paare Nachwuchs austrugen, um mit dem Geld ihren eigenen Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Nur auf den ersten Blick eine Win-Win-Situation

„Das interessierte mich auch, weil zu der Zeit in meinem Bekanntenkreise zwei Paare seit einigen Jahren verzweifelt versuchten, schwanger zu werden. Mir schien das auf den ersten Blick eine Win-win-Situation“, erzählt der Vater zweier Söhne. Dann aber sei es vor Ort für ihn ein verstörendes Bild gewesen, wie aus dem Bauch einer dunkelhäutigen Frau im Sari ein weißes Kind gezogen wurde, das man ihr nicht zeigte, sondern direkt an ein europäisches Paar vor der OP-Tür weiterreichte. „Während sich die indische Frau nur zur Seite drehte und von Krämpfen geschüttelt wurde. Ich habe gemerkt, dass die Sache doch schwieriger ist, als ich dachte, und dass gerade in einer fremden Kultur, die man nicht versteht, vieles schieflaufen kann.“

In einem Spielfilm nun, sagt der Journalist und Drehbuchautor, ließen sich solche Problematiken viel emotionaler und in Bildern erzählen als in einer Reportage. Wobei „Monsoon Baby“ in manchen Teilen auch wirkt wie eine gelungene Reportage, der Regisseur Andreas Kleinert hat die Reise seiner beiden Protagonisten, dargestellt von der großartigen Julia Jentsch und dem ihr ebenbürtigen Robert Kuchenbuch, überaus geschickt inszeniert. Hanigs Drehbuch war als Vorlage schon deshalb sehr authentisch und kitschfrei, weil seine Frau und die Mutter seiner Kinder Inderin ist. „Sie hat das alles auch gelesen, und wir haben viel darüber diskutiert, was da hineingehört und was nicht. Indien ist eine alte Hochkultur mit eigenen Werten, das sollte schon eine Rolle spielen.“

Wichtig sei ihm beim Schreiben aber auch der Respekt vor der Position der anderen Seite gewesen. Der gebürtige Niederbayer hat Kontakt mit mehreren Paaren, die ihre Kinder von einer Leihmutter austragen ließen, „und keines der Paare, die ich begleitet habe, wollte ein Baumarkt-Baby“. Es seien eher sensible Leute, die nach langem Leiden und Ringen zu ihrer Entscheidung gekommen waren. „Wenn bei einem Paar eine medizinische Indikation vorliegt, kann ich sie auch nicht verurteilen“, erklärt er. „Ich weiß als Vater ja selber, welches Glück Kinder bedeuten können.“

Moderne Form des Menschenhandels

Indiskutabel und menschenunwürdig ist es für ihn allerdings, wenn, wie manche Prominente das tun, das Kinderkriegen „outgesourct wird, weil man seinen Körper nicht malträtieren möchte“. Und dass es neben einigen seriösen Anbietern längst auch reine Geldschneider gebe, „das ist teilweise Wildwest“. In Thailand und in Mexiko etwa, „aber ich habe mir auch Seiten angeschaut von Kliniken in der Ukraine, in Weißrussland, das geht da auch in Richtung Prostitution“, sagt Florian Hanig.

Ist es also Zeit, diese moderne Form des Menschenhandels öffentlich zu verhandeln und eventuell auch gesetzlich neu zu regeln? Die ethisch und juristisch umstrittene Frage, was denn in Sache Kinderwunsch rechtens sei und was nicht, prophezeit er, werde sich künftig noch häufiger stellen, „schon jetzt kann ja jedes sechste Paar in Europa keinen Nachwuchs bekommen“. „Monsoon Baby“, mit seinem ebenso empathischen wie analytischen Blick auf das Gefälle zwischen reichen und armen Ländern, auf Menschen und ihre manchmal egoistischen, irrationalen Nöte, Sehnsüchte und Handlungsweisen, gibt da durchaus eine gute Diskussionsgrundlage ab, das ist eine Leistung. Dass der Spielfilm aber außerdem auch noch ein spannendes, berührendes Stück Fernsehunterhaltung geworden ist: ein kleines Kunststück!