Es war ihre letzte große Chance vor der Bundestagswahl. Die Vertreter von sieben Parteien durften im Fernsehen für ihre Positionen werben. Das ist kaum gelungen, es gab wenig neues. Die Marotte, klare Fragen nicht zu beantworten, eint praktisch alle Kandidaten.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Ganz am Ende haben sie sich die Moderatorinnen dann doch noch etwas halbwegs originelles ausgedacht. Die Spitzenvertreter der sieben Parteien, die es voraussichtlich in den Bundestag schaffen werden, sollten tippen, wie viel Prozent die jeweils eigene Gruppierung wohl bekommen wird. Eine klare Frage bei der letzten großen Chance, die Fernsehzuschauer noch vom Kreuzchenmachen zu überzeugen. Chance vertan.

 

Klare Frage, klare Antwort – sollte man meinen. Doch Ursula von der Leyen (CDU) gab schon einmal den Ton vor, dem die meisten folgen sollten: „Wer Angela Merkel als Kanzler will.......“. Oder Katrin Göring-Eckardt (Grüne): „Wer Umwelt und Klima wichtig nimmt“. Oder Manuela Schwesig: „Wer für soziale Gerechtigkeit stimmt...“. Nein, liebe Politikerinnen, es ist gerade nicht das, was das Wahlvolk zu hören wünscht, dieses runterbeten von Plattitüden, das immer wiederkehrende, immer gleiche. Es wäre die Chance gewesen, einfach mal die Frage zu beantworten. Vertan.

Joachim Herrmann bewirbt sich für ein Ministeramt

Und in den eineinhalb Stunden zuvor? Vier Frauen (neben den bereits erwähnten noch die Linke Sahra Wagenknecht) haben bewiesen, dass sie in Sachen dazwischenquatschen den sonst eher männlich dominierten Runden dieser Art durchaus das Wasser reichen können. Wobei es FDP-Chef Christian Lindner war, der in dieser Beziehung völlig neue Maßstäbe gesetzt hat. Fast 80 Minuten war die Werbeikone der Liberalen bemüht brav, doch als die Zeiger der Uhr unaufhaltsam vorangerückt waren, unterbrach er einfach mal die Ausführungen um mit dem Satz: „wenn ich jetzt schon dran bin“ fortzufahren.

Neben Lindner komplettierten AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland und dessen CSU-Pendant Joachim Herrmann das Feld, wobei letzterer eine beeindruckende Bewerbungsrede für ein Ministeramt in der künftigen Regierung zum Besten gab. Gerne sei er bereit, in Berlin mitzuhelfen, die augenblickliche Situation zu verbessern, „Erfahrung und Kompetenz“ einbringen, aus dem sichersten Bundesland, dem mit der geringsten Arbeitslosigkeit, oder kurz: dem Besten.

Kaum Hilfe für die Unentschlossenen

Umfragen zu Folge ist noch immer ein großer Anteil der Bundesbürger unentschlossen, was er denn am Sonntag wählt, nachdem die Frage Kaffee oder Tee entschieden ist. Ob die 90 Minuten, die ARD und ZDF von 22 Uhr an zur Entscheidungsfindung bereit gestellt haben, tatsächlich eine Hilfestellung gebracht haben, das ist schon mehr als fraglich. Tina Hassel (ARD) und Bettina Schausten (ZDF) haben es größtenteils mit den klassischen Themen versucht: Flüchtlinge, Rente, Bildung und Innere Sicherheit. Sie haben die klassischen Antworten bekommen.

Ursula von der Leyen erklärt, dass ihre CDU die Jugendarbeitslosigkeit besiegt und die Renten erhöht hat, kann aber nicht so recht erklären, warum die Zahl der armutsgefährdeten gestiegen ist. Manuela Schwesig erklärt, wie die Pflege in den Vordergrund gerückt werden soll, umschifft aber lieber die Fragen, warum ihre Partei das in der Vergangenheit nicht gemacht hat, obwohl sie in den letzten zwei Dekaden rund 15 Jahre mitregiert hat. Wer bisher auch nur ein bisschen vom Wahlkampf mitbekommen hat, den erinnert das alles in leichter Abwandlung an Klaus Lage. 1000 mal berührt hat der 1984 gesungen, 1000 mal gehört, heißt es jetzt. In beiden Fällen gilt: 1000 mal ist nichts passiert.

Tausend mal gehört

Das gilt nicht nur für die Vertreter der ehemals großen Volksparteien. Alexander Gauland zum Rentenkonzept: „Wir sind eine junge Partei und haben noch kein ausgearbeitetes Konzept“. Tausend mal gehört. Sahra Wagenknecht zur Rente: „Riester ist ein Flopp, das hat nur Banken und Versicherungen reich gemacht“. Tausend mal gehört. Joachim Herrmann: „Die Mietpreisbremse schafft keine einzige neue Wohnung“. Tausend mal gehört. Katrin Göring-Eckardt: „Es bringt nichts, jeden zu überwachen“. Tausend mal gehört.

Alle wollen sie mehr Polizei und mehr für die Polizei (Ausrüstung, Möglichkeiten), mehr für Bildung sowieso. Darüber, ob das Kooperationsverbot fallen soll, sind Union (eher nein) und andere (eher ja) unterschiedlicher Ansicht. Was dieses Verbot besagt – nämlich dass der Bund nicht durch Finanzierung Einfluss auf die Schulpolitik nehmen darf – wird dem Zuschauer nicht wirklich erklärt. Noch fünf Minuten für die Klimapolitik, dann kommt die Schlussrunde, und jeder sagt erst mal, was er will, auch wenn die Frage nach den erwarteten Prozenten so kurz und einfach zu beantworten gewesen wäre.

Mit etwas Verzögerung kommen dann doch noch Antworten, wenigstens teilweise. Ursula von der Leyen für die Union: „In Richtung 40 Prozent“. Manuela Schwesig für die SPD: „Mehr als in den Umfragen“. Sahra Wagenknecht für die Linke: „Auf jeden Fall zweistellig“. Katrin Göring-Eckardt für die Grünen: „Zweistellig und dritte Kraft“. Alexander Gauland und Christian Lindner schweigen beharrlich. Lindner versucht, noch das Gespenst einer neuen Groko an die Wand zu malen, Schwesig erklärt, dass die FDP doch ganz heiß auf die Regierung sei, Lindner verdreht die Augen. Ende. Am Sonntag wird dann gewählt.

Im Video sehen Sie, was sich junge Stuttgarter von der neuen Bundesregierung wünschen: