Kirchengeschichten als gelungene Abendunterhaltung: Der Sender Arte zeigt die zweite Staffel der preisgekrönten Serie „Dein Wille geschehe“, in der sich alles um fünf angehende Priester dreht.

Stuttgart - Yann leitet eine Pfadfindergruppe und einen Kirchenchor in der Bretagne, Emmanuel erholt sich gerade von einer schweren Depression, Guillaume ersetzt seiner verantwortungslosen Mutter und der siebzehnjährigen Schwester den Mann im Haus, und Raphael sieht im großbürgerlich-korrupten Unternehmerhaushalt seiner Eltern keine Zukunft. Und dann kommt noch José dazu, ein gerade entlassener Häftling, der im Gefängnis zur Religion gefunden hat. Zusammentreffen sieht man diese fünf Personen in einem renommierten Kapuzinerseminar im Pariser Quartier Latin, hier wollen sie ihrer Berufung folgen und sich zu Priestern ausbilden lassen. Doch ihr Glaube wird auf vielfältige Weise in Frage gestellt, und jeder Einzelne bringt dazu noch seine ganz eigenen Probleme mit.

 

Kirchengeschichten als Abendunterhaltung, mit stimmungsvollen Bildern von jungen Männern, von flackernden Kerzen, glänzenden Messbechern und ehrwürdigen Gemäuern, und das in Zeiten, in denen die Institution durch die sexuellen Verbrechen einiger Geistlicher mit einem überaus schlechten Ruf kämpft? Er habe ein echtes „Drama à la française“ entwickeln wollen, aber ausnahmsweise nicht mit Polizisten oder Rechtsanwälten als Helden, sagte der Produzent Bruno Nahon, als die erste Staffel seiner Serie „Dein Wille geschehe“ 2012 auf Arte lief. Obwohl oder gerade weil die allermeisten Beteiligten keine Katholiken sind, sondern Andersgläubige oder Atheisten, stimmte jedes optische Detail, spielte die Kamera ebenso verliebt wie kritisch mit den verführerischen Riten und Bildern dieser auf eine Männergemeinschaft gegründeten Religi-on, nahm die Musik eine wichtige Rolle ein.

Acht Folgen à fünfzig Minuten lang konnte man verfolgen, wie die Debütanten vor Gott lernen, mit dem charismatischen Abtprimus Pater Fromenger zurechtzukommen, wie sie mit ihren Gefühlen und ihrer Sexualität hadern und versuchen, den seelsorgerischen Anforderungen der Außenwelt durch die Unterstützung von Familienzentren oder Obdachlosenheimen nachzukommen.

Schuld, Strenge, Verrat, Vergebung

Nicht nur in ihnen, sondern auch um sie herum herrschte öfter Chaos: Das Kloster ist baufällig, es wird Geld unterschlagen, die Beziehungen zur Kurie und zum Vatikan sind angespannt. Auch wenn die Themen ähnlich sein mögen – mit dem heiteren Geplänkel der ARD-Produktion „Um Himmels Willen“ hat das nichts zu tun. Stattdessen versucht die französische Serie sehr ernsthaft, bildgewaltig und spannend, vom Prozess des Erwachsenwerdens junger Männer, von Eitelkeit, Angst, Machtkämpfen, Liebe und Hass vor einem sehr speziellen Hintergrund zu erzählen. Und nebenbei erlaubt sie einen sehr gut recherchierten, nicht gerade idealisierten Einblick in die Verkrustungen des klerikalen Apparats, in Frankreich, aber auch in Rom. Gut also, dass diese, inzwischen preisgekrönten acht Folgen jetzt im September auf Arte wiederholt werden, bevor vom 2. Oktober an dort die zweite Staffel von „Dein Wille geschehe“ läuft.

„Was ist das Leben, in dem man sich entfalten kann?“ werden sich Yann, Guillaume und Raphael auch in den weiteren acht Folgen fragen – Emmanuel ist wegen einer homosexuellen Affäre aus dem Kloster ausgetreten, José wurde in eine Schießerei verwickelt und hofft in einer Rehaklinik auf Begnadigung durch den inzwischen das Seminar leitenden Pater Bosco. „Diese jungen Seminaristen stellen sich dieselben Fragen wie alle, die darüber nachdenken, ob sie fähig sind, Verpflichtung und Verantwortung im Leben zu übernehmen“, so einer der Drehbuchautoren, Vincent Poymiro. Wobei sie an innere und äußere Grenzen stoßen. Es werden also auch weiterhin durchaus weltliche Angelegenheiten verhandelt werden, darunter die Finanzkrise, die gleichgeschlechtliche Ehe, Krankheit, Schuld und Vergebung. Es wird um verflossene oder nicht ganz verflossene Amouren gehen, um Verrat, um Toleranz und Strenge.

Und ganz nebenbei wird dem Zuschauer ein gewisser Einblick in die derzeitige Gesellschaft des uns in vielem verbundenen und doch so fremden Nachbarlandes ermöglicht. Wie sehr unsere Wahrnehmung inzwischen von anglo-amerikanischen Produktionen, deren Erzählhaltung und Weltsicht geprägt ist, (wobei die Macher von „Dein Wille geschehe“ den herausragenden Vertretern in den USA deutlich nachstreben), wird einem erst richtig klar, wenn man einmal ein paar Folgen lang diesen so ganz anderen Gesichtern zugeschaut, und diesen so ganz anderen Dialogen zugehört hat, in denen „l’esprit“, der Geist, in sehr unterschiedlichen Formen eine Rolle spielt. Wobei die Synchronisation wirklich verbesserungswürdig wäre – ein Wermutstropfen bei der ganzen Sache. Französisch ist eine formelle Sprache, so steif aber wie manchmal in dieser Übersetzung muss sie nicht klingen. Mon Dieu!

Produktion – „Dein Wille geschehe“ ist die erste eigenproduzierte Serie von Arte für die Primetime. Sie wurde von dem Produzenten Bruno Nahon, den Drehbuchautoren David Elkaim, Vincent Poymiro und Arthur Harari sowie dem Regisseur und Art Director Rodol-phe Tissot umgesetzt. Kamerafrau war Pénélope Pourriat.

Darsteller – In den Hauptrollen der Serie sind die hervorragenden französischen Schauspieler Jean-Luc Bideau, Thierry Gimenez, Julien Bouanich, Clément Manuel, David Baiot, Clément Roussier und Samuel Jouy zu sehen.

Sendetermine – Arte sendet die acht Folgen der ersten Staffel von 4. September an jeweils donnerstags um 23.15 Uhr; eine Wiederholung gibt es zudem freitags um 00.05 Uhr. Die zweite Staffel startet direkt anschließend am 2. Oktober: An insgesamt vier aufeinanderfolgenden Donnerstag zeigt der Sender jeweils um 21 Uhr eine Doppelfolge von „Dein Wille geschehe“.

ulf