Mit Quizshows bringt die ARD den Vorabend nach vorn, während Seriendauerbrenner schwächeln. In Krisenzeiten sehen Zuschauer lieber Unterhaltung statt Krimi und Drama.

Stuttgart - Fünf Jahre lang hat die ARD unter der Dachmarke „Heiter bis tödlich“ am umkämpften Vorabend alle möglichen regionalen Krimiserien ins Quotenrennen geschickt – genützt hat es nichts. Den größten Erfolg hatte „Großstadtrevier“, was nicht weiter überrascht: Der Klassiker wird in diesem Jahr dreißig Jahre alt. Ansonsten aber konnte allein „Hubert & Staller“ einen bleibenden Eindruck hinterlassen; die bayerische Comedyserie mit Christian Tramitz und Helmfried von Lüttichau ist im Frühjahr bereits in die fünfte Staffel gegangen.

 

Deutlich erfolgreicher war das Erste mit dem einfachsten und ältesten Unterhaltungsgenre im Fernsehen: Einer stellt Fragen, die anderen müssen antworten. Schon im letzten Jahr hatte sich „Quizduell“ überraschend gut behauptet, und in diesem Frühjahr setzte die ARD mit „Wer weiß denn sowas?“ noch eins drauf. Die Sendung bewegte sich mit der zeitgleich ausgestrahlten ZDF-„Soko“ auf Augenhöhe, was laut dem NDR-Fernsehdirektor Frank Beckmann, der für die ARD den Vorabend koordiniert, „viele Jahre undenkbar gewesen wäre“. Kürzlich hatte die Quizshow mehr als drei Millionen Zuschauer; so einen Wert hat die ARD am Vorabend schon lange nicht mehr erzielt.

Selbst beim „Tatort“ sind die Zuschauerzahlen leicht rückläufig

Interessanterweise ist es auf einem anderen Sendeplatz genau andersrum: Seit einigen Monaten macht das ZDF dem ARD-Dauerbrenner „Sturm der Liebe“ (15.10 Uhr) am Nachmittag mit „Bares für Rares“ (15.05 Uhr) harte Konkurrenz. Das von Horst Lichter moderierte Antiquitäten-Format, eine Variation des BR-Klassikers „Kunst oder Krempel“, existiert bereits seit 2013, lief zunächst aber nur sonntags; seit Ende 2015 wird es täglich ausgestrahlt. Sind die beiden Programmerfolge Zeichen dafür, dass etablierte fiktionale Formate ihren Reiz verlieren? Immerhin hat selbst der „Tatort“ im ersten Halbjahr 2016 Federn gelassen; die Zuschauerzahlen sind leicht rückläufig, der Marktanteil ist im Schnitt um 1,6 Prozent gesunken.

Der ZDF-Programmplaner Martin Berthoud glaubt trotzdem nicht an die These, schließlich habe es gerade bei langlaufenden Formaten „schon immer Schwankungen in der Zuwendung gegeben, die zu Auf- und Abwärtsbewegungen geführt haben, das ist nichts Ungewöhnliches.“ Dennoch räumt er Entwicklungen ein, die über temporäre Schwankungen hinausgingen: „Wir stellen derzeit in besonderem Maße fest, dass konflikthafte, zuweilen auch unangenehme Filme weniger nachgefragt werden.“ Die Offenheit für Krimis zum Beispiel sei „nicht mehr so hoch, wie sie schon einmal war.“ Berthoud führt dies auf gesellschaftliche Krisen zurück: „Flüchtlingsproblematik und Terrorgefahr beeinflussen die Wahrnehmung und wohl auch das Lebensgefühl vieler Menschen, weshalb die Suche nach eskapistischen oder humorvollen Programmangeboten gestiegen ist. Schwierige gesellschaftliche Situationen drücken sich bis zu einem bestimmten Grad auch in der Abwendung von bestimmten Fernsehangeboten aus.“

Die ARD setzt weiter auf Mischkultur

Berthoud weist aber auch darauf hin, dass die Quotengewinne des ARD-Quiz’ nicht allein von den ZDF-Serien stammten. Der ARD-Programmdirektor Volker Herres ist gleichfalls der Meinung, ein Vergleich nur zwischen ARD und ZDF greife zu kurz: „Der deutsche Fernsehmarkt ist viel breiter aufgestellt, viel differenzierter geworden. Wenn man das große Ganze betrachtet, kann ich einen Trend, wonach Unterhaltungssendungen gegenwärtig den Publikumsgeschmack besser treffen als Serien, nicht erkennen.“ Auch Beckmann glaubt nicht, dass Fiktion als Genre gewisse Schwächen zeige. Er sieht einen anderen Grund für das gute Abschneiden von „Wer weiß denn so was?“: „Ein Dauererfolg führt häufig dazu, dass die Menschen irgendwann nach Abwechslung suchen, und am Vorabend haben wir mit der Quizschiene offensichtlich ein gutes Alternativangebot zu den ZDF-Krimis geschaffen.“

Ein Dauererfolg war einst auch die tägliche ARD-Vorabendserie „Verbotene Liebe“, die vor einem Jahr nach mehr als 4600 Folgen eingestellt worden ist, weil das Interesse des Publikums immer mehr nachgelassen hat. Das gleiche Schicksal könnte irgendwann den „Soko“-Serien im ZDF blühen. Mit seinen vielen Krimiserien im Tagesverlauf macht sich das Zweite angreifbar. Der Konkurrenz ist sicher nicht verborgen geblieben, wie gut sich die ARD am Vorabend schlägt. Beckmann versichert, man werde dennoch weiterhin auf Mischkultur setzen: „Starke Fiktion gehört zum Markenkern des Ersten und hat auch am Vorabend eine lange erfolgreiche Tradition. Auf diese Weise schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Mit Quiz haben wir immer etwas Neues zu bieten, und mit Serien wie ‚Hubert & Staller’ oder ‚In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte’ versuchen wir, hochwertige Klassiker zu schaffen.“