Lassie und Kommisar Rex waren noch vierbeinige TV-Stars, die für Menschen spielten. Nun gibt es TV- und Radioprogramme, die für Tiere gedacht sind. Der Hundeexperte Martin Rütter hält davon wenig.

Stuttgart - Ende der Achtziger war die Gesellschaft in großer Sorge. Die wenige Jahre zuvor gestarteten Kabelsender hatten sich rasant verbreitet. Nicht nur der „Spiegel“ schlug Alarm: „Die verführerische Bilderflut hat den kindlichen TV-Konsum dramatisch erhöht. Wissenschaftler warnen besorgt vor der neuen Droge.“ Dreißig Jahre später rückt eine ganz andere, von der Kommunikationswissenschaft bislang vernachlässigte Zielgruppe in den Blick. Während es zum Fernsehverhalten von Kindern Tausende von Studien gibt, hat die Medienforschung die Wirkung auf Hunde bislang sträflich vernachlässigt. Das sollte sich dringend ändern: Nach dem vor knapp drei Jahren gestarteten Dog TV (verbreitet über das Fernsehpaket der Telekom) gibt es mit Hallo Hasso nun auch einen Radiosender für Hunde.

 

Die Programme sind angeblich auf die Tiere zugeschnitten. Das Angebot von Dog TV, einem Import aus Amerika, enthält sogar Lehrfilme. Mit deren Hilfe sollen Hunde lernen, wie sich ein vorbildlicher Vierbeiner verhält, wenn der Briefträger klingelt. Dog TV, heißt es in der Eigenwerbung, bewahre die Hunde „vor Depression und Langeweile, während die Hundeeltern nicht zuhause sind.“

Lieder und Gebell

Hallo Hasso wiederum gehört zum Internetangebot des Heilbronner Unternehmens RadioTon und verfolgt im Grunde die gleiche Strategie: Die Hundewelle, PR-Slogan: „Der treue Begleiter für ihren besten Freund“, soll mit ihrer Mischung aus klassischen und aktuellen Kuschelpopsongs eine entspannte Atmosphäre verbreiten. Zwischendurch gibt es auch mal ein Lied aus Hundegebell oder einen Song direkt für die Zielgruppe („Who let the dogs out“). Sehr praktisch ist das Gassiwetter, dann kann Hasso Herrchen oder Frauchen bei der Rückkehr gleich klarmachen, dass umgehend zum Spaziergang aufgebrochen werden muss, weil’s in zwei Stunden Regen gibt.

Dieser Service ist aber auch das einzige Detail, das vor dem strengen Urteil von Martin Rütter Gnade findet. Der dank seiner TV-Sendung „Der Hundeprofi“ (Vox) und regelmäßiger Tourneen bekannteste deutsche Hundetrainer hat eine klare Meinung zu Fernseh- oder Radiosendern für Hunde: „Das ist Schwachsinn pur. Den Leuten wird ernsthaft suggeriert, es wäre für einen Hund, der mehrere Stunden alleine ist, von Vorteil, wenn der Fernseher läuft.“ Es sei zwar problematisch für die Tiere, wenn sie von ihrem Rudel getrennt seien, „weil sie als soziale Wesen grundsätzlich nicht gern allein sind, aber das können sie lernen. Vier oder fünf Stunden pro Tag sollten kein Problem sein. Bleibt man jedoch länger weg, hilft auch das Fernsehen nicht. Anfangs mag der Hund ja noch abgelenkt sein, aber dann merkt er, dass einige Parameter nicht stimmen, weil zum Beispiel der Geruch fehlt.“

Nicht der echte Postbote

Für „völlig sinnlos“ hält der Trainer auch die Lehrstücke von Dog TV: „Hunde sind zwar ausgezeichnete Beobachter, weil 95 Prozent ihrer Kommunikation über Mimik und Körpersprache stattfinden, und deshalb auch große Imitationslerner, aber das klappt nur, wenn sie einen Bezug zu einem anderen Hund haben.“ Filme wie der mit dem Postboten hätten daher keinerlei Effekt: „Der Hund müsste den Transfer von einem völlig fremden Haus und fremden Menschen auf sein eigenes Leben leisten. Das würde jedoch eine enorme Abstraktionsfähigkeit voraussetzen, über die er schlicht nicht verfügt.“

„Nicht nur gaga, sondern kontraproduktiv“

Rütter hat zwar immer wieder Tiere im Training, „die durchdrehen, wenn sie im Fernsehen Artgenossen erblicken. Wenn ein Hund ausgeprägt territorial veranlagt ist, findet er es nicht besonders toll, dass dauernd fremde Viecher in seinem Wohnzimmer auftauchen.“ Aber das seien Ausnahmen, versichert er: „Bei den meisten Tieren verpufft der Pseudo-Beschäftigungseffekt ganz flott.“ Deshalb hält er Dog TV und Hallo Hasso für „völligen Blödsinn, das braucht kein Mensch; und auch kein Hund. Ich betrachte das als Alibi, um das schlechte Gewissen zu beruhigen.“

Lauter sinnlose Sachen

Für den Hundetrainer, der im Rahmen seiner Wintertournee mit seinem Programm „Freispruch“ am 6. März 2018 auch nach Stuttgart kommt, liegen die Sender trotzdem im Trend: „Es ist eine typische Zivilisationskrankheit, dass wir versuchen, sämtliche Probleme mit technischen Hilfsmitteln zu lösen.“ In seinem Bühnenprogramm stellt er gern sinnlose Sachen vor, die man für seinen Hund kaufen kann.

Neuestes Spielzeug sei ein Bildschirm, den man am Lieblingsplatz des Hundes aufstellt, wenn man zur Arbeit muss: „Aus dem Büro kann man den Hund dann anrufen und ihm Hallo sagen. Das ist nicht nur gaga, sondern sogar kontraproduktiv: Der Hund freut sich, weil er die Stimme von Herrchen oder Frauchen hört, und ist dann enttäuscht, weil gar keiner da ist. Außerdem sind die Tiere ja nicht doof. Wenn mein Hund mich im Fernsehen sieht, dann erkennt er mich zwar, und er reagiert auch, wenn ich pfeife oder rufe, aber höchstens zweimal. Spätestens beim dritten Mal weiß er: Das ist gar nicht der echte Martin.“

Besser gar kein Radio

Rütters Empfehlung bei längerer Abwesenheit: „Überhaupt nicht für Abwechslung sorgen, auch kein Radio anmachen. Auf diese Weise lernt der Hund: Wenn ich alleine bin, habe ich meine Ruhe. Gibt es eine permanente Geräuschquelle, kann er sich ja gar nicht richtig entspannen. Wichtig ist, dass er vorher und nachher eine Aktivitätsphase erlebt. Viele Hundebesitzer sind überzeugt, ein Hund müsste 24 Stunden lang beschäftigt werden. Natürlich gibt es Hunde, die zu wenig Auslauf haben, aber das gegenteilige Extrem ist auch nicht gut. Bei Hunden ist es wie mit Kindern, die müssen ja ebenfalls lernen, dass ihnen auch mal nichts geboten wird.“