Beim „Show-Gipfel“ in Köln denken Vertreter der TV-Branche darüber nach, wie sich die Lücke, die „Wetten, dass..?“ hinterlassen hat, schließen lässt.

Stuttgart - Es steht nicht gut um das Genre Fernsehshow. Und das nicht erst, seit „Wetten, dass . . ?“, das einstige Schlachtschiff der Samstagabendunterhaltung, im Vorjahr vom ZDF endgültig versenkt wurde. Der nächste große Primetime-Hit, wo bleibt er bloß? War es etwa das kurz vor Ostern von Johannes B. Kerner im ZDF moderierte „Große Schlüpfen“, bei dem man Zeuge berstender Eier wurde? Wohl eher nicht. Da waren sich alle Beteiligten beim „Großen Show-Gipfel“ am Freitag in Köln einig. Das alljährlich von der Produktionsfirma Brainpool („TV total“) und der Medienagentur HMR International veranstaltete Seminar versammelte Fernsehmacher, um über „Trends und Tendenzen der Fernsehunterhaltung“ zu sinnieren. Ein umwerfend neues Showkonzept brachte keiner mit, geschweige denn Zuversicht. Es wird also noch dauern, bis wieder was richtig Großes im Fernsehen schlüpft – wenn überhaupt.

 

Es entspreche doch gar nicht mehr der Lebenswirklichkeit, sich samstags um 20.15 Uhr mit der ganzen Familie vor dem Fernseher zu versammeln, sagte etwa Marcus Wolter, dessen Firma Endemol Shine Germany die Moderatoren Joko und Klaas zum „Duell um die Welt“ schickt. Viel sinnvoller sei es, gezielt für bestimmte Zielgruppen Formate zu entwickeln. Markus Küttner, beim Privatsender RTL zuständig für Comedy und Show, ergänzte: „Wenn es das eine große Schiff nicht mehr gibt, muss man es vielleicht mit vielen kleinen Schiffen versuchen.“

„Magische Momente“ in der Primetime sind Mangelware

Das „Versuchen“ hält sich gerade bei RTL allerdings in Grenzen. Der Showlieferant jagt „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Let’s Dance“ bis zur x-ten Staffel immer weiter – weil es sich offenbar rechnet. Es sei leicht zu fordern, schneidet die alten Zöpfe ab, sagte Küttner, dessen Sender im Vorjahr mit der neuartigen Talentshow „Rising Star“ kenterte. „Aber was machst du als kommerzieller Sender mit einer Show, die den Laden am Laufen hält?“ Die „kleinen Schiffe“, die im besten Fall Innovationen sind, sehen die meisten Gipfelteilnehmer denn auch eher an den Rändern schwimmen. Zum Beispiel um Mitternacht im ZDF, wo Jan Böhmermann, medienkritisch wie er auch gegenüber dem eigenen Haus ist, in seinem „Neo Magazin Royale“ gerade „das kleine Schlüpfen“ präsentierte.

Charmant war die Spinnerei von Klaudia Wick, der langjährigen Jurorin des Deutschen Fernsehpreises, Böhmermann einfach „Wetten, dass . . ?“ moderieren zu lassen. Wick zumindest glaubt noch an das Potenzial einer „shiny floor show“, sofern sie überrasche. Leider fehle es aber in der nahezu komplett durchformatierten Unterhaltungswelt an „Kontrollverlust“, an „magischen Momenten“, wie ihn zuletzt beim ESC-Vorentscheid Barbara Schöneberger und der Gewinner Andreas Kümmert kreierten: Da läuft etwas anders als geplant. Und ich war dabei!

Während die großen Sender also potenzielle Pleiten, Pech und Pannen einer Live-Show scheuen und lieber vorher aufzeichnen, perfektionieren und duplizieren, blicken Kreative in Richtung Internet. Dort wartet ein Millionenpublikum und will bedient werden. Zwar nicht mit einer teuren Abendshow, wie Jürgen Irlbacher von der Hamburger Agentur Pilot referierte. Auch kleine, einfach umzusetzende Ideen könnten im Netz Millionen erreichen. So schlüpfte unlängst ein australisches Comedy-Trio in ein Auto und rockte zum Queen-Song „Bohemian Rhapsody“. Simpel, kurz und witzig – mehr als vierzig Millionen Mal wurde dieses virale Video inzwischen geteilt. So viel „Quote“ schaffte nicht mal „Wetten, dass . . ?“ zu seinen besten Zeiten.