Die Talente vom SC Freiburg sind begehrt – bei U-21-Nationaltrainer Stefan Kuntz und den Topclubs der Liga.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart - Wo Christian Streich gerade in seinem Urlaub unterwegs ist, ist nicht überliefert. Vor ein paar Tagen machte der Trainer des SC Freiburg bei einer Tour durch Südbaden noch in Engen im Hegau halt. Er ließ sich mit seinen Kumpels eine Pizza schmecken, ehe er sich wieder aufs Rennrad setzte. Streich mischt sich gerne unters Volk in der freien Zeit. Und er schaut Fußball. Gerne im kleinen Kreis, gerne emotional und immer analytisch. Überliefert sind die Geschichten, dass Streich regelrecht aufblühe, wenn er mit Freunden im Urlaub ist und irgendwo Fußball im Fernsehen läuft. Keiner, so heißt es, kann sich vor seinen Ausführungen retten. Streich ist dann in seinem Element und erklärt, wild mit den Armen fuchtelnd, das Spiel, das er gerade sieht.

 

In diesen Tagen wird Streich wieder Fußball schauen, das aber nicht nur aus Jux und Tollerei. Drei seiner Jungs vom SC Freiburg sind bei der U-21-Europameisterschaft in Polen am Ball, die an diesem Freitag beginnt. Am Sonntag dann greift das deutsche Team mit dem ersten Gruppenspiel in Tychy gegen Tschechien (18 Uhr/ZDF) ins Geschehen ein. Streich wird den Chefananalytiker geben – und womöglich beschleicht ihn dann leise Wehmut, wenn er eines seiner drei Toptalente beim Kicken sieht. Denn einer aus der Freiburger Troika wird nach der Sommerpause nicht mehr zum Training beim SC zurückkehren.

Der Angreifer Maximilian Philipp unterschrieb kürzlich bei Borussia Dortmund. Der BVB hatte einen Ersatz für den verletzten Marco Reus gesucht – und zahlte für Philipp satte 20 Millionen Euro Ablöse. Den Dortmunder Strategen sind die Spielfreude, die starke Technik, die Schnelligkeit und der starke Abschluss Philipps nicht entgangen.

Die Geschichte des Stürmers ist dabei so etwas wie der Klassiker des SC Freiburg. Einen jungen Spieler, den keiner sonst auf der Rechnung hat, entdecken, ihn fördern, weiterentwickeln und gewinnbringend verkaufen – kein anderer deutscher Club lebt diese Form der Aus- und Weiterbildung so vor wie der Sportclub mit dem anerkannten Talente-Entwickler Christian Streich.

Kuntz will mit Freiburger Hilfe den EM-Titel holen

Nun will auch der U-21-Nationaltrainer Stefan Kuntz von der Schule des Sportclubs profitieren. Der Coach peilt den EM-Titel an. „Wir wollen jedes Spiel gewinnen“, sagt Kuntz. Neben Philipp (23), der noch bis Ende Juni in Freiburg unter Vertrag steht, sollen auch der Innenverteidiger Marc-Oliver Kempf (22) und der offensive Mittelfeldspieler Janik Haberer (23) aus der Freiburger Fundgrube dabei mithelfen. Und wenn Kempf und Haberer bei der EM da weitermachen, wo sie zuletzt in der Bundesliga aufgehört haben, dann dürften sie bald einen ähnlichen Weg wie Maximilian Philipp gehen. Weg aus Freiburg, hin zu einem zahlungskräftigeren, großen Club. Womöglich noch nicht in diesem Sommer, aber vielleicht schon im nächsten – wenn die beiden in der Liga ihr hohes Niveau der Vorsaison bestätigen können. Wie Philipp stachen Kempf und Haberer zuletzt aus dem starken Freiburger Kollektiv heraus und empfahlen sich so für das EM-Turnier in Polen.

Haberer passt mit seinem laufintensiven, aggressiven Spiel perfekt zum SC und zu Trainer Streich, bei dem die Angreifer vor allem eines können müssen: laufen, was das Zeug hält, und dem Team dienen. Obendrein vollzog der Stürmer aus Wangen im Allgäu unter Streich seinen nächsten Entwicklungsschritt. Er rennt noch genauso viel wie vorher, ist aber gleichzeitig effektiver geworden. Und hat nach der Eroberung einen klaren Plan, was er mit dem Ball anstellt.

Kempf fiel 166 Tage lang aus

Auch der Abwehrmann Marc-Oliver Kempf weiß etwas mit der Kugel anzufangen. Er überzeugt durch ein starkes Aufbauspiel, zudem ist er kopfballstark, schnell und besticht durch ein gutes Timing beim Tackling – so weckte er zuletzt das Interesse von 1899 Hoffenheim. Wie zu hören ist, entschloss sich Kempf kürzlich aber dazu, zumindest noch ein Jahr in Freiburg zu bleiben. Sollte er nun aber bei der U-21-EM überzeugen, könnte sich die Sache schnell anders entwickeln. Dann, wenn auf dem überhitzten Transfermarkt plötzlich ein Club auftaucht, der ähnlich wie bei Philipp dazu bereit ist, eine hohe Ablöse zu zahlen, und der kleine Sportclub aus finanzieller Sicht nur schwer daran vorbeikommt, das Geld anzunehmen.

Der Haken bei Kempf aber ist das Knie – erst in der Rückrunde der vergangenen Saison kehrte der Hesse, der seit 2014 beim SC Freiburg spielt, nach einem Meniskusriss und anschließender Operation ins Team zurück. 166 Tage fiel Kempf aus – das spricht sich rum bei anderen Vereinen. Sollte der hoch veranlagte Innenverteidiger aber für längere Zeit verletzungsfrei bleiben, dann dürfte sein Weggang aus Freiburg – wie bei Janik Haberer – nur eine Frage der Zeit sein. Die beiden wären die nächsten deutschen Toptalente, die nach Maximilian Philipp das Sprungbrett Freiburg für den ganz persönlichen Karrierehöhenflug nutzen.