Auch von Ex-Umweltministerin Tanja Gönner gibt es bisher unbekannte Mails vom Herbst 2010. Dafür interessiert sich nun der U-Ausschuss – nicht aber die Justiz, trotz laufender Ermittlungen gegen Gönners Ex-Amtschef.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Besuch von der Staatsanwaltschaft ist man im Staatsministerium von Winfried Kretschmann (Grüne) mittlerweile gewöhnt. Drei mal schon kamen die Ermittler in die Regierungszentrale, um Sicherungskopien von Mails des früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) sicherzustellen. Mal ging es um den EnBW-Deal, mal um den Polizeieinsatz im Schlossgarten, zuletzt kam um das Verfahren wegen des Verdachts auf Falschaussage vor dem ersten Untersuchungsausschuss dazu. Mehrfach anrücken mussten die Ankläger, weil sie jeweils nur die themenbezogenen Daten auswerten durften und den Rest vernichten mussten.

 

Beim Umweltministerium ist die Staatsanwaltschaft hingegen noch nie vorstellig geworden, wie ein Sprecher des Hausherrn Franz Untersteller (Grüne) bestätigt. Dabei verfügt das Ressort über einen ungleich größeren Bestand von möglicherweise aufschlussreichen Mails aus dem ereignisreichen Herbst 2010. Auf drei Magnetbändern ist der gesamte Serverbestand des damaligen Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr gespeichert: rund 600 Outlook-Postfächer aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Abteilungs- und Referatsablagen. Gesichert wurden die Daten kurz nach der Landtagswahl 2011 wegen des anstehenden Neuzuschnitts der Ressorts. Um sie heute lesen zu können, müssten sie allerdings erst einmal technisch aufbereitet werden.

Staatsanwaltschaft nicht interessiert

Bisher hat das niemand veranlasst, auch nicht die Staatsanwaltschaft. Dabei befinden sich auf den Bändern auch die Mailkonten der damaligen Hausspitze: der Ministerin Tanja Gönner und ihres Ministerialdirektors Bernhard Bauer (beide CDU). Letzteren haben die Ermittler seit diesem März offiziell im Visier: ebenso wie Mappus und den früheren Landespolizeipräsidenten Wolf Hammann verdächtigen sie Bauer, vor dem ersten Schlossgarten-Ausschuss uneidlich falsch ausgesagt zu haben. Ihre sinngemäße Beteuerung, die Politik habe im Zusammenhang mit Stuttgart 21 „zu keinem Zeitpunkt” Einfluss auf die Polizei genommen, habe „nicht der Wahrheit entsprochen”. Als es darum gegangen sei, im August 2010 einen Bagger auf die Baustelle zu bringen, habe Mappus über die beiden Beamten sehr wohl versucht, Druck auf die Polizei auszuüben.

Noch laufen die Ermittlungen, zum aktuellen Stand ist nichts zu erfahren. Eines aber weiß die Staatsanwaltschaft schon jetzt: die elektronische Post von Bauer, Gönner & Co. interessiert sie nicht. Die zuständige Ermittlerin habe „keinen Anlass gesehen”, die gespeicherten Mails zu beschlagnahmen, sagt eine Behördensprecherin. Näher könne man das nicht erläutern, weil man sonst Einblicke in ein offenes Verfahren geben müsste.

Widersprüchliches zu den Protokollen

In landespolitischen Kreisen wird das mit Verwunderung registriert, aus verschiedenen Gründen. Schon im Zusammenhang mit dem Baggereinsatz wäre es seltsam, wenn die Ermittler mögliche Beweismittel ignorierten – es sei denn, sie sähen ihren Verdacht bereits ohne diese hinreichend erhärtet. Aber auch andere Widersprüche in Aussagen vor dem ersten U-Ausschuss ließen sich vielleicht mithilfe der Backup-Daten klären – zum Beispiel zur Frage, warum von den zentralen Besprechungen im Hause Gönners keine Protokolle existierten. Der Amtschef Bauer hatte angegeben, es seien bewusst keine angefertigt worden, damit diese nicht „Füße“ bekämen. Die zuständige Referatsleiterin sagte hingegen, sie sei einfach nicht dazu gekommen. Eigentlich kann nur eine Version stimmen, doch die Staatsanwaltschaft sah in dem Widerspruch bisher keinen Grund zu Ermittlungen.

Nun könnten die Mails zumindest von Gönner und Bauer doch noch durchforstet werden – nicht von der Justiz, sondern vom Landtag. Grüne und SPD im zweiten U-Ausschuss haben sie als Beweismittel angefordert. Die offiziellen Akten aus den Bereichen Umwelt und Verkehr, so ihre Begründung, seien auffällig dünn gewesen - womöglich, weil sie vorher selektiert wurden? Auch eine aus den Mappus-Mails bekannt gewordene Nachricht von Gönner an den Ex-Premier werfe Fragen auf. Dessen Regierungserklärung habe bei der Terminierung des Polizeieinsatzes vielleicht doch eine größere Rolle gespielt als bisher vermutet. Wenn die Mappus-Mails demnächst gelöscht werden, könnte die elektronische Korrespondenz seiner Vertrauten Gönner umso wichtiger werden. Prompt forderte die CDU Grüne und SPD auf, auch diesen Beweisantrag zurückzunehmen.

Die GIZ-Chefin bleibt in Deckung

Im Umweltministerium wird nun geprüft, wie man mit dem Antrag des Ausschusses umgeht. Die Betroffenen, sagt ein Sprecher, würden auf jeden Fall eingebunden. Einstweilen bleibt die Ex-Ministerin Gönner, inzwischen Chefin der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), weiter in Deckung. Seit Monaten lässt Gönner alle Mediennachfragen durch die GIZ gleichlautend beantworten: Bisher liege ihr „keine Anfrage des Untersuchungsausschusses vor“.