Tanja Gönner versucht weiterhin das Öffentlichwerden ihrer Mails aus dem Herbst 2010 zu verhindern. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen, das ihre Klage auf Löschung der Mails abgewiesen hatte, hat sie jetzt Berufung eingelegt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Ex-Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) kämpft weiter gegen das Öffentlichwerden ihrer Mails aus dem Herbst 2010. Gönner hat jetzt Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen eingelegt, das ihre Klage auf Löschung der Korrespondenz am 20. Mai abgewiesen hatte. Wie ein Gerichtssprecher der StZ sagte, sei die Berufung, für die eine Frist von einem Monat bestand, bereits am 1. Juni eingegangen. Darüber muss nun der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) in Mannheim entscheiden. Damit droht sich die Übergabe der Mails an den Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz im Schlossgarten auf unabsehbare Zeit zu verzögern.

 

Das Verwaltungsgericht hatte die Kontrollrechte des Landtags überraschend klar über das Interesse Gönners am Schutz ihrer persönlichen Daten gestellt. Daher wies es die Klage der Ex-CDU-Politikerin ab, die Mails nach Übergabe an das Landesarchiv zu löschen und nicht dem U-Ausschuss zum „schwarzen Donnerstag“ zu übermitteln. Berufung hatte das Gericht zugelassen, weil das Verhältnis zwischen dem Untersuchungsausschussgesetz und dem Landesdatenschutzgesetz noch „nicht abschließend“ geklärt sei. Gönner, die heute Chefin der staatsnahen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist, hatte beteuert, sie habe nichts zu verbergen, wolle aber ihre Rechte wahren.

Unklarheit über weiteres Vorgehen

Unklar ist, wie sich nun das zuständige Umweltministerium verhält. Nach dem Urteil sei man eigentlich verpflichtet, die Mails an den Ausschuss herauszugeben, sagte ein Sprecher des Ressorts; die Berufung habe da keine aufschiebende Wirkung. Gönners Anwälte könnten die Herausgabe nur mit einer einstweiligen Anordnung verhindern. Auch einer Bitte der Gerichts, damit zu warten, würde man folgen. Bis zu einer Entscheidung des VGH dürften mehrere Monate vergehen. Käme der Fall danach sogar vor das Bundesverwaltungsgericht, dürfte er in der 2016 endenden Legislaturperiode nicht mehr rechtskräftig entschieden werden. Der zweite U-Ausschuss zum Polizeieinsatz wäre dann freilich abgeschlossen, nur ein neues, drittes Gremium könnte die Mails in der nächsten Periode auswerten.

Nach dem Sigmaringer Urteil hatte der Ausschussvorsitzende Jürgen Filius (Grüne) daher die Hoffnung geäußert, die Mails bald zu bekommen. „Wenn Tanja Gönner auf Rechtsmittel verzichtet, würde das die Sache erleichtern”, sagte Filius damals. Die Obmänner von Grünen und SPD reagierten jetzt „mit Verwunderung“ auf Gönners weitere Blockade. „Aus unserer Sicht ist das Urteil eindeutig“, sagte Hans-Ulrich Sckerl (Grüne). Es sei danach rechtens, wenn der Ausschuss die dienstlichen Mails erhält. Sein SPD-Kollege Sascha Binder sagte, er hätte erwartet, dass die Ex-Ministerin nun „endlich mit dem Ausschuss zusammenarbeitet“. Die von diesem vorgeschlagene Auswertung der Mails sei auch nach Auffassung des Gerichts geeignet, die Privatsphäre Gönners zu schützen. Dienstliche und private Korrespondenz sollten danach unter Beteiligung eines Richters und des Datenschutzbeauftragten getrennt werden; dies hatte Gönner aber abgelehnt. Sogar die CDU hatte an ihre Parteifreundin appelliert, die Aufklärung des „schwarzen Donnerstags” zu unterstützen. Sie muss nun fürchten, dass der Streit um die Mails in den Landtagswahlkampf hineinreicht. An diesem Donnerstag wird der Ausschuss über die neue Lage beraten.

Konotrllrecht wichtiger als Datenschutz

Nach der jetzt vorliegenden Begründung war das Verwaltungsgericht der Argumentation Gönners nur teilweise gefolgt. So hatte sie moniert, dass der Zweck für die Speicherung der Mails längst entfallen sei. Etwa 600 Mailkonten waren nach dem Regierungswechsel 2011 wegen eines möglichen Neuzuschnitts der Ressorts gesichert worden; dies hat sich natürlich erledigt. Gönner habe daher grundsätzlich einen Löschungsanspruch, entschieden die Richter. Dieser werde jedoch überlagert vom „umfassenden Beweiserhebungsrecht“ des Ausschusses. Dem parlamentarischen Informationsinteresse komme besonderes Gewicht zu, soweit es um die Aufklärung von möglichen Rechtsverstößen oder Missständen im Bereich der alten Regierung gehe. Seinen Auftrag könne das Gremium nur erfüllen, wenn es Zugriff auch auf die Mails als Beweismittel erhalte. Die Annahme, diese könnten zur Aufklärung beitragen, sei „keineswegs aus der Luft gegriffen“.