Die Toten aus dem malayischen Unglücksflugzeug sind auf dem Weg in die Niederlande. Die haben offiziell die Leitung der Untersuchung übernommen, um den Absturz von MH 17 zu klären. Die Ukraine macht mobil – und Frankreich liefert Waffen an Russland.

Kiew - Die Ermittler aus Malaysia wirken müde und sind sichtlich genervt. Seit den frühen Morgenstunden warten sie am Bahnhof von Charkiw auf die Ankunft des Zuges mit den Opfern des Absturzes der Malaysia-Airlines-Maschine über der Ostukraine. Immer wieder werden die Männer vertröstet. Inzwischen ist es kurz vor Mittag, und die Informationen von ukrainischer Seite fließen äußerst spärlich. Der Zug sei kurz nach dem Start von prorussischen Separatisten aufgehalten worden, heißt es, dann geht das Gerücht, die Lok habe einen technischen Defekt. Erst als die Ermittler der OECD eintreffen, wird die Lage klarer. Der Zug habe Verspätung und werde am Nachmittag in Charkiw eintreffen, sagen sie. Trotz der Anspannung verliert niemand ein schlechtes Wort über die ukrainische Seite. „Alle tun ihr Bestes“, sagt eine OECD-Mitarbeiterin.

 

Am Nachmittag schließlich kann Esther Naber, die Sprecherin der niederländischen Polizei vor Ort in Charkiw, die ersten gesicherten Informationen geben. „Der Zug ist inzwischen eingetroffen“, sagt sie. Man warte jetzt auf zwei Flugzeuge, in die die Opfer verladen würden. „Alle Leichname werden in die Niederlande transportiert.“ Sie sollen in einer Kaserne in Hilversum aufgebahrt und identifiziert werden. Das könne Wochen, wenn nicht Monate dauern. Ob die Ermittler inzwischen ungehinderten Zugang zu dem Absturzgebiet haben, kann Naber nicht sagen. Es ist offensichtlich, dass niemand mit einer falschen Aussage provoziert werden soll.

Der Vizepremier glaubt an Manipulationen

Wolodimir Groisman, Vizepremier der Ukraine, erklärt derweil in Charkiw, dass sein Land alles dafür tun werde, das Unglück schnell und objektiv aufzuklären. „Wir wollen wissen, was passiert ist. Wir werden bei der Untersuchung eine offene und objektive Position einnehmen und alles dafür tun, dass der Absturz schnell aufgeklärt wird.“ Allerdings ließ Groisman durchblicken, dass die Separatisten genau daran kein Interesse hätten. Er sei sich sicher, dass die Flugschreiber, die bereits vor einigen Tagen gefunden wurden, manipuliert worden seien.

Die Separatisten überreichten am Morgen einem Vertreter der malaysischen Sicherheitsbehörden die Flugschreiber des mutmaßlich abgeschossenen Fliegers. Um deren Auswertung sollen sich nun britische Experten kümmern. Auf Bitte der Niederlande würden Spezialisten in Südengland die Daten der Blackboxes von Flug MH17 sichern, damit sie international ausgewertet werden können, teilte Premierminister David Cameron mit. Ein belgisches Militärflugzeug wird die Flugschreiber von der Ostukraine nach Großbritannien bringen. Die Niederlande haben die Leitung der internationalen Untersuchung zur Absturzursache von Flug MH17 in der Ostukraine übernommen.

Kiew ordnet Teilmobilmachung an

Die Führung in Kiew beschloss unterdessen eine Teilmobilmachung, um den militärischen Druck auf die prorussischen Separatisten im Osten erhöhen. Dies bedeutet, dass Reservisten und Männer im wehrdienstfähigen Alter einberufen werden. In Kiew wurde allerdings nicht erwartet, dass tatsächlich viel mehr Männer zum Militär gehen werden. Mit zusätzlichen Kräften will der ukrainische Präsident Petro Poroschenko härter gegen die Separatisten in der Ostukraine vorgehen. Die ukrainische Armee steht im Ruf, schlecht mit Personal, Nahrung und Technik ausgestattet zu sein.

Ungeachtet der Debatte über ein mögliches Waffenembargo zeigte sich Frankreichs Präsident François Hollande fest entschlossen, im Oktober ein Kriegsschiff an Russland auszuliefern. „Die Russen haben bezahlt; wir müssten 1,1 Milliarden Euro zurückzahlen, wenn das Schiff nicht geliefert würde“, so Hollande. Russland hatte vor drei Jahren zwei Hubschrauber-Träger der Mistral-Klasse bestellt, derzeit werden im französischen St. Nazaire rund vierhundert russische Soldaten für die Bedienung der Schiffe geschult.

Letzte Frist für EU-Außenminister

Die EU-Außenminister haben am Dienstag gezielte Maßnahmen gegen Russland beschlossen. So soll bis Donnerstag die Liste der sanktionierten Personen und Firmen ausgeweitet werden. Zudem streben die EU-Staaten gezielte Wirtschaftssanktion für Militärgüter und Schlüsseltechnologien, etwa aus dem Bereich der Hochtechnologie und Energie, an. Zudem soll es auch Beschränkungen für Finanzgeschäfte geben. Die EU-Kommission erhielt den Auftrag, entsprechende Vorschläge zu erarbeiten. Über die Umsetzung muss dann ein EU-Gipfel entscheiden. Scharfe Sanktionen folgen also später. Wie es hieß, auch mit Rücksicht auf die Niederlande, um deren Ermittlern einen freien Zugang zu der Absturzstelle zu ermöglichen.