Der Westen unterstützt Poroschenkos Friedensinitiative und ruft Russland zur Kooperation auf. José Manuel Barroso und Kanzlerin Angela Merkel appelierten an beide Seiten, die seit Freitagabend geltende Feuerpause einzuhalten.

Der Westen unterstützt Poroschenkos Friedensinitiative und ruft Russland zur Kooperation auf. José Manuel Barroso und Kanzlerin Angela Merkel appelierten an beide Seiten, die seit Freitagabend geltende Feuerpause einzuhalten.

 

Moskau/Berlin - Der ukrainische Präsident Poroschenko will den von blutigen Kämpfen erschütterten Osten des Landes mit einem Friedensplan wieder zur Ruhe bringen. Die Aufständischen glauben den Ankündigungen nicht, und auch Moskau ist zurückhaltend. Werden die Waffen nun schweigen?

Der Westen hat Russland aufgefordert, den Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko für den umkämpften Osten des Landes zu unterstützen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Kanzlerin Angela Merkel riefen beide Seiten dazu auf, die seit Freitagabend geltende Feuerpause einzuhalten. Auch US-Präsident Barack Obama und sein französischer Kollege François Hollande begrüßten die Initiative, die nicht nur bei prorussischen Separatisten, sondern auch im ukrainischen Militär umstritten ist.

Der ukrainische Staatschef hatte am Freitagabend eine einwöchige einseitige Feuerpause in Kraft gesetzt. Sein 15-Punkte-Plan sieht unter anderem vor, dass die prorussischen Aufständischen in der Ostukraine die Waffen niederlegen und besetzte Gebäude in den Gebieten Lugansk und Donezk freigeben. Zudem müssten Gefangene und Geiseln befreit werden, darunter seit Wochen festgehaltene Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Barroso sagte nach einem Treffen mit den Regierungschef Estlands, Lettlands und Litauens in der estnischen Hauptstadt Tallinn: "Alle Parteien müssen den Bedingungen des Friedensplans folgen und seine Umsetzung aktiv fördern."

Mit Poroschenkos Friedensinitiative seien die Voraussetzungen für eine Entspannung und zur Aufnahme von Verhandlungen erfüllt, stellten Hollande und Obama bei einem Telefonat fest. Sollte es dabei keinen Fortschritt geben, würden neue Maßnahmen gegen Russland erörtert werden, hieß es.

EU-Außenminister befassen sich Montag mit der Ukraine

Die EU-Außenminister werden sich am Montag in Luxemburg mit der Lage in der Ukraine befassen. Entscheidungen über eine mögliche Verhängung von Wirtschaftssanktionen werden dabei jedoch nicht erwartet. Ob die EU-Staats- und Regierungschefs beim Gipfel am Freitag in Brüssel über Sanktionen entschieden, hänge von der Lage in der Ukraine ab: "Wir tun alles, damit wir uns die Frage nicht stellen müssen", sagte ein Diplomat unter Hinweis auf die Suche nach einer politischen Lösung.

Die Kanzlerin sei überzeugt, "dass es jetzt an der Zeit ist, eine politische Lösung zu finden und dass der vom ukrainischen Präsidenten vorgelegte Friedensplan eine sehr gute Grundlage dafür bildet", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Samstag in Berlin. Außenminister Frank-Walter Steinmeier rief Russland zur Unterstützung auf. "Es kommt jetzt darauf an, dass auch Russland kooperiert", sagte Steinmeier am Samstag in Istanbul. Moskau müsse seinen Einfluss auf die prorussischen Separatisten geltend machen und dazu beizutragen, "die Grenze zwischen Russland und der Ukraine dichter zu machen".

Obama, Hollande und Merkel forderten Moskau zum Abzug der russischen Truppen von der Grenze zur Ukraine auf. Das teilte das Weiße Haus nach getrennten Telefonaten Obamas mit Merkel und Hollande am Freitag (Ortszeit) mit. Zudem müssen der Strom von Waffen und Milizen über die Grenze gestoppt werden, sagte sie demnach übereinstimmend. Die USA warfen Russland vor, Panzer und Raketenwerfer an die Separatisten in der Ostukraine zu liefern.

Russischer Außenminister kritisiert Friedensplan

Der russische Außenminister Sergej Lawrow kritisierte den Friedensplan scharf. Das Papier enthalte keine Aufforderung zum Dialog und sei in einigen Punkten im Ton eines Ultimatums abgefasst, sagte Lawrow der Agentur Interfax zufolge am Samstag bei einem Besuch in Saudi-Arabien. Die Initiative sei eine "radikale Abweichung" auch von den Genfer Friedensvereinbarungen im Ukraine-Konflikt.

Zugleich äußerte sich Russlands Chefdiplomat besorgt über die ukrainischen Truppenbewegungen an der Grenze zu Russland. Zwar sei eine einseitige und einwöchige Feuerpause angeordnet, dennoch gebe es gleichzeitig militärische Aktivitäten, kritisierte Lawrow. Der Nationale Sicherheitsrat in Kiew hatte zuvor mitgeteilt, die Grenztruppen in Verteidigungsbereitschaft versetzt zu haben.

Für Aufsehen sorgten Meldungen, wonach Kremlchef Wladimir Putin die Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte in Zentralrussland überprüfen lässt. Dabei geht es allerdings um eine standardmäßige Überprüfung. Bei Manövern mit verschiedenen Übungsaufgaben werde zwischen dem 21. bis 28. Juni die Kampfbereitschaft der Armee im Zentralen Verteidigungsbezirk Russlands überprüft, teilte Verteidigungsminister Sergej Schoigu der Agentur Interfax zufolge mit. Der Ort des Manövers im Wehrbezirk Tscheljabinsk am Ural an der Grenze zu Sibirien liegt Tausende Kilometer von der russisch-ukrainischen Grenze entfernt.

Moskau stand zuletzt wegen Manövern und Truppenkonzentrationen an der Grenze zur Ostukraine in der Kritik. Die Ukraine hatte Russland vorgeworfen, durch die Truppenpräsenz den Konflikt in der Ex-Sowjetrepublik anzuheizen.

Der Friedensplan Poroschenkos stößt auch beim eigenen Militär auf Kritik. Die einseitige Feuerpause für die ukrainischen Truppen sei ein "strategischer Fehler", sagte der Kommandeur des Bataillons "Asow", Andrej Bilezki, dem Internetkanal Gromadske.TB. Für einen solchen Schritt hätten aus Sicht des Kommandeurs erst die Grenzen zu Russland geschlossen werden müssen, damit ein weiteres Einsickern von "Terroristen" aus Russland verhindert werden könne.

Die Separatisten und der für den russischen Grenzschutz zuständige Inlandsgeheimdienst FSB sprachen am Samstagmorgen noch von Kämpfen in der Krisenregion. Es gab aber zunächst keinen ausdrücklichen Vorwurf, dass proukrainische Kräfte die Waffenruhe verletzt hätten.