Uli Hoeneß will trotz der Steueraffäre seine Ämter beim FC Bayern München behalten. Der Aufsichtsrat des Clubs stärkt ihm den Rücken.

München - Vielleicht muss man ganz weit zurückgehen zu den Anfängen, um seinen Kampf gegen das drohende Ende zu verstehen. Im Arbeiterviertel im Norden Ulms, in der kleinen Straße Am Eselsberg 1, hat für Uli Hoeneß alles begonnen. Hier war er der kleine Metzgersohn aus einfachen Verhältnissen, der es einmal besser haben wollte als seine Eltern Paula und Erwin. Hier hat er beobachtet, wie der Vater nachts um drei in der Wurstküche anfing zu schuften. Als Zehnjähriger stand Hoeneß an der Kasse, samstags, wenn unterrichtsfrei war in der Hans-Multscher-Grundschule gegenüber. Das Kassieren sei seine Leidenschaft gewesen, hat Uli Hoeneß einmal gesagt, und er habe gesehen, „dass man für alles, was man erreichen will, hart arbeiten muss“.

 

Der Kampf um den sozialen Aufstieg hat ihn geprägt. Er hat in seinem Leben gelernt, dass sich Einsatz auszahlt. Den FC Bayern hat Hoeneß wirtschaftlich und sportlich zu einem Club von Weltformat geformt. In dieser Saison könnte sein Lebenswerk gekrönt werden mit dem sogenannten Tripel, den Titelgewinnen in der Meisterschaft, in der Champions League und im DFB-Pokal.

Gefangen im eigenen Belohnungssystem

Vielleicht ist Hoeneß nun gefangen in seinem Belohnungssystem. Er will und kann nicht loslassen. Hoeneß bleibt vorerst trotz der Steueraffäre Aufsichtsratsvorsitzender und Präsident des FC Bayern, behält alle Fäden in der Hand, obwohl er sich eigentlich schon lange aus dem operativen Geschäft zurückziehen wollte. Und wieder kämpft er mit allen Mitteln für den Erfolg, jedenfalls für das, was er als solchen bewerten würde: glimpflich herauszukommen aus dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München II. Er hofft, dass sein Belohnungssystem aus Ehrgeiz und Ertrag auch diesmal greift.

Hoeneß ist nur noch sehr selten in Ulm, und wer die Gegend um den Eselsberg aufsucht, der sieht, wie weit das damalige Leben von seinem heutigen entfernt ist. In der ehemaligen Metzgerei der Eltern befindet sich nun Joe’s Getränkelädle. Sein erster Verein aus dem Viertel, der VfB Ulm, kickt in der Kreisliga B. Sein zweiter, die TSG Ulm 1846, heißt inzwischen SSV und stagniert in der vierten Liga. Früher war Hoeneß ein bisschen pummelig, heute wäre das untertrieben. Einst kämpfte er auch dagegen an, mit stundenlangen Waldläufen, denn: „Ich wollte die soziale Leiter hochsteigen. Ich habe im Fußball für mich eine Chance gesehen.“ Im Jahr 1970 wechselte er zum FC Bayern.

Aus seinen Ulmer Anfängen ist eine Anekdote überliefert, die seine Verhaltensmuster vielleicht bis heute erklären. An Pfingsten 1960 hatte ihn Mama Paula zu einem Zeltlager der Ministranten ins 60 Kilometer entfernte Memmingen geschickt. Doch der acht Jahre alte Hoeneß schnappte sich dort ein Fahrrad und haute wieder ab. Sein VfB spielte ja um die Bezirksmeisterschaft, und als Hoeneß endlich verschwitzt und zittrig in Ulm ankam, lag seine Mannschaft 0:4 zurück. Zur zweiten Halbzeit wurde er eingewechselt, schoss vier Tore, der VfB siegte 6:4. Danach bekam er seine erste Siegprämie – und von Mama Paula trotz der Verärgerung über den unerlaubten Ausflug einen Erdbeerkuchen, seinen Lieblingskuchen.

Hoffnungslos ehrgeizig

„Ich war fast hoffnungslos ehrgeizig“, hat er über seine Kinder- und Jugendzeit einmal gesagt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Aussicht auf Belohnung, und sei sie noch so gering, treibt ihn immer noch an. Als Weltmeister 1974 verkaufte sich sein WM-Buch sehr gut, und Hoeneß signierte den Einband oft stundenlang. Bis zu 2500 Unterschriften schaffte er an einem Abend, und sein Mitspieler und Zimmerkollege Karl-Heinz Rummenigge, heute Vorstandsvorsitzender des FC Bayern, schaute damals nebenbei Fernsehen und fragte irgendwann: „Sag mal, Uli, nervt dich das nicht?“ Hoeneß, so erzählte es Rummenigge in seiner Rede auf der Gala zu dessen 60. Geburtstag, habe geantwortet: „Weißt du was? Für jede Unterschrift kriege ich eine Mark.“

Längst geht es für Hoeneß um die ganz großen Kuchenstücke. Er hat jetzt allerdings sehr viel zu verlieren, und er will den Schaden in Grenzen halten. In seiner Laudatio zum 60. sagte Rummenigge auch: „Außerdem setzt sich Ulrich aus den altdeutschen Wörtern Uodal und Rihhi zusammen, also aus ‚Herrscher über die Heimat‘ und aus ‚reich und mächtig‘, was keine schlechten Voraussetzungen für eine spätere Managerkarriere sind.“ Für einen Rückzug offenbar schon. Uli Hoeneß hat zu seinem 60. gesagt: „Schuberts Unvollendete ist nicht in meinem Repertoire.“