In dem Machtkampf um Linksparteichef Lafontaine und Bundesgeschäftsführer Bartsch sieht der Fraktionsvize Maurer auch einen Klärungsprozess.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)
Berlin - In dem Machtkampf um Linksparteichef Oskar Lafontaine und Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sieht der Fraktionsvize Ulrich Maurer auch einen notwendigen, bisher versäumten Klärungsprozess. Im StZ-Interview sagt er, warum.

Herr Maurer, 2009 war für Ihre Partei durch Wahlerfolge geprägt. Wird 2010 das Jahr, in dem die Linke sich zerlegt?


Nein.

Trotzdem erinnert derzeit nicht nur das Wetter an den Spruch: Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis tanzen. Hat der Erfolg Ihre Parteifreunde übermütig gemacht?


Da ist was dran. Einige sind nach dem Erfolg bei der Bundestagswahl einer gewissen Disziplinlosigkeit erlegen.

Die einen drängeln, die Post-Lafontaine-Ära einzuläuten. Andere fordern den Rücktritt von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. Was kocht da hoch?


Wir sind mit drei Jahren eine extrem junge Partei. Auch treffen bei uns unterschiedliche Kulturen und Biografien aufeinander. In Wahlkämpfen und bei starkem Druck von außen wissen alle, was sie verbindet. Wenn der Druck fehlt, besteht die Gefahr, dass Verschiedenheiten und wechselseitiges Nichtverstehen die Oberhand gewinnen. Es war unvermeidlich, dass wir da irgendwann durch müssen.

Wieso bricht das jetzt auf?


Die Erfahrung, dass wir nach unserer Gründung von allen politischen Konkurrenten angefeindet wurden, hat den Zusammenhalt natürlich zunächst gestärkt. Dann kamen wir aus den Wahlkämpfen überhaupt nicht mehr heraus. Wir mussten beweisen, dass wir keine Ostpartei sind, die im Westen nichts zustande bringt. Damit waren wir ausgelastet. Deshalb sind viele Verständigungs- und Klärungsprozesse unterblieben, die wir jetzt nachholen müssen.

Anders als zunächst angekündigt kommt Oskar Lafontaine am Montag nicht zur Klausursitzung der Fraktion. Ziert er sich und spannt alle auf die Folter? Oder ist nach wie vor unklar, ob er den Belastungen als Parteichef nach seiner Krebserkrankung noch gewachsen ist?


Oskar Lafontaine verhält sich so, wie jeder normale Mensch sich in seiner Lage verhalten würde: Er muss sehen, ob seine Operation erfolgreich war, und abwarten, ob dieser Erfolg sich bestätigt. So ist das nun mal in der Medizin. Lebensentscheidungen sollte man erst dann treffen, wenn klar ist, wie es persönlich mit einem weitergeht.

Wann erwarten Sie seine Entscheidung?


Das ist eine Frage von ein paar Wochen.

Weil er die Debatte angeheizt hat, wie es ohne Lafontaine an der Parteispitze weitergehen könnte, ist der Rücktritt von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch gefordert worden. Muss er weg?


Ich äußere mich öffentlich dazu nicht. Intern habe ich eine dezidierte Meinung zu dem, was da abgelaufen ist, zum Ausdruck gebracht. Bei der Gründung der Linkspartei haben wir genau auf eine ausbalancierte Statik geachtet, damit die verschiedenen Kulturen und Biografien sich wiederfinden. Wir müssen diese Statik unbedingt erhalten, sonst scheitert das Projekt.

Ist Bartsch verzichtbar für die Statik?


Das ist ein fragiles Gebilde. Aber bei der Linken gibt es wie in jeder anderen Partei ein paar Selbstverständlichkeiten: dass Parteitagsbeschlüsse gelten und dass Hierarchien und die damit verbundenen Loyalitätspflichten eingehalten werden.

Ihr Landesvorsitzender Bernd Riexinger ist nicht so diplomatisch. Von ihm ist jetzt ein Brief öffentlich geworden, der Bartschs Rücktritt verlangt.


Es ist nicht im Interesse der Linken, diese Debatte öffentlich fortzusetzen. Wir müssen Konsequenzen ziehen und einen gemeinsamen Weg finden. Da sind wir dabei.

Sie sind nicht nur Vize-Fraktionschef im Bundestag, sondern Beauftragter für die Parteibildung West. Was haben Sie sich für 2010 vorgenommen?


Weil das in unseren Statuten als Übergangsfunktion vorgesehen ist, bin ich der erste und letzte Beauftragte für den Parteiaufbau, den es bei uns geben wird. Beim Parteitag im Mai endet diese Tätigkeit. Wir hatten das Ziel, in relativ kurzer Zeit im Westen funktionsfähige und autonome Landesverbände aufzubauen. Bei der Gründung der Partei hatten wir im Westen 12.000 Mitglieder. Jetzt sind es mehr als 30.000.

Was ist Ihr Ziel für die Wahl in Nordrhein-Westfalen?


Wir wollen reinkommen in den Landtag.

Wie lange wird es dauern, die Koalitionsfähigkeit der Linkspartei mit der SPD auf Bundesebene herzustellen?


Das kommt darauf an, wie schnell die SPD sich bewegt. Solange sie an der Agenda 2010, den Hartz-Gesetzen und dem Afghanistankrieg festhält, wird das nichts mit uns. Bei Afghanistan kann man immerhin erste Anzeichen von Bewegung erkennen.