Um die Sanierung der Landesbibliothek gibt es neuen Ärger. Der Direktor mahnt das fehlende Gesamtkonzept an und befürchtet, dass sich die Modernisierung des 45 Jahre alten Gebäudes über Jahre hinziehen könnte.

Stuttgart - Eigentlich hätte Direktor Hannsjörg Kowark allen Grund zur Freude: Vor „seiner“ Landesbibliothek nimmt der Erweiterungsbau Formen an, und alles deutet darauf hin, dass Anfang 2018 wirklich die Eröffnung gefeiert werden kann. Doch jetzt hängt der Haussegen wegen der Sanierung des Altgebäudes schief. „Ich habe vor Kurzem erst erfahren, dass es noch gar keine Gesamtkonzeption gibt“, sagt Kowark. Seit April 2015 wisse das Finanzministerium von der Dokumentation der Architekten zur Sanierung und müsse auch den Inhalt kennen. Ministerium und Staatliches Bauamt hätten also Zeit für die Entwicklung der Konzeption gehabt, stellt er fest. Doch: Fehlanzeige.

 

An Gesamtkonzeption wird noch gearbeitet

Dass an dieser noch gearbeitet werde, hatte das Ministerium selbst gesagt, nachdem Kowark vor einigen Wochen aus organisatorischen Gründen zur Eile gemahnt hatte. Eine Sprecherin wiederholte zuletzt nahezu gebetsmühlenartig: „Wie bereits erwähnt, soll auf der Grundlage der Gesamtkonzeption für das Bestandsgebäude der Landesbibliothek über das weitere Vorgehen entschieden werden. Die Gesamtkonzeption soll dem Finanzministerium Mitte des Jahres 2016 vorliegen.“ Quasi beiläufig erfuhr Kowark, dass diese Planung auf Basis von Kosten in Höhe von zunächst nur fünf Millionen Euro erstellt werden solle, einer aus seiner Sicht völlig unrealistischen Summe.

29 Millionen sind laut Kowark zwingend

Vor rund einem Monat hatte er vom Asbestfund im Magazinboden berichtet und erstmals von geschätzt 40 Millionen Euro Sanierungskosten für den Bestandsbau gesprochen. Mit fünf Millionen Euro, ist Kowark überzeugt, lasse sich kaum vernünftig beginnen. Er schlüsselt jetzt die erste Kostenschätzung weiter auf. 29 Millionen sind demnach unverrückbar. Die fünf Millionen Euro für die bauliche Anpassung des Altbaus an den Erweiterungsbau sind dabei der kleinste Posten.

Der Brandschutz schlägt mit 18 Millionen Euro besonders heftig zu Buche. Der Betonbau aus den 1970er Jahren müsse in Brandabschnitte unterteilt werden. Außerdem lägen in den Doppelböden des ersten Stocks und der Cafeteria viele Kabel und damit eine hohe Brandlast, die dringend verringert werden müsse. Eine Sprenkleranlage benötige der Altbau auch. Der Wassertank dafür sei im Neubau geplant.

Die hohen Sanierungskosten seien absehbar gewesen, erklärt Kowark. „Hier ist halt seit 45 Jahren nichts gemacht worden.“ Der Brandschutz habe schon bei der Einweihung kaum den damaligen Standards entsprochen. Er habe Sorgen, dass die Behörden eines Tages die Bücherei schließen könnten. „Ich habe außerdem eine Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Nutzern“, macht er deutlich. Diese Verantwortung den Kollegen gegenüber spielt auch eine Rolle bei der Bodensanierung im Magazin, die durch die böse Asbest-Überraschung nötig wird. Sie koste rund sechs Millionen Euro.

Der jetzige Standort ist zu gut, um ihn aufzugeben

In der Summe von 29 Millionen Euro seien noch keine Kosten für die Fassadensanierung, neue Sanitäranlagen, Aufzüge, Elektronik oder Heizungen enthalten. Mit diesen Maßnahmen komme man auf Kosten von 40 Millionen Euro – zusätzlich zur 52 Millionen teuren Erweiterung. „Dafür hätte man auf dem flachen Land eine hübsche Bibliothek bauen können.“ Aber ihr jetziger, zentraler Standort sei zu gut, um ihn aufzugeben. Aus organisatorischen Gründen wäre es auch unrealistisch gewesen, einen kompletten Neubau auf dem Gelände zu stemmen. Hinzu kommt, dass der Altbau seit Mai 2015 unter Denkmalschutz steht, „was uns bis heute noch nicht offiziell mitgeteilt wurde“, moniert Kowark.

Anfangs seien Neubau und Sanierung noch als ein Projekt betrachtet worden. Erst zum Architektenwettbewerb hin habe man zwei Projekte daraus gemacht, sagt Kowark. Dabei hingen sie eng zusammen. Das ganze Vorhaben sei „komplex und schwierig“. Die tolle, moderne Buchförderanlage im Neubau funktioniere beispielsweise erst, wenn auch im Altbau die Voraussetzungen geschaffen sind. Und dessen Umbau ergebe erst Sinn, wenn man Brandschutz und Asbest im Griff habe. Das Gesamtkonzept werde also dringend gebraucht. „Ich muss wissen, wie ich den Betrieb in der Bauphase organisieren kann.“

Direktor beklagt fehlende Lobby

Manchmal blickt Kowark etwas neidvoll auf die andere Straßenseite zur Oper. Hier stehen 350 Millionen Euro für Sanierung und Erweiterung im Raum, und viele machen sich Gedanken um die besten Lösungen. „Wir haben einfach keine Lobby“, sagt er. Nach der Eröffnung ihres Erweiterungsbaus müsse die Modernisierung des Altbaus so schnell wie möglich durchgezogen werden, sinnvollerweise in maximal zwei Abschnitten. Mit fünf Millionen Euro komme man da schon deshalb nicht weit, weil die Brandschutzmaßnahmen und die Asbestsanierung zuerst erfolgen müssten.

Die Sanierung aus Kostengründen in Mini-Etappen aufzusplittern bringe nichts außer einem Zeitverlust, so Kowark. Schon jetzt werde die Zeit knapp, wolle man die Garage so vorbereiten, dass die sechs Millionen Magazinbücher während des Asbestsanierung kostengünstig hierhin ausgelagert werden können. Dies müsse bis spätestens zum Sommer erfolgen.