Bereits seit fünf Jahren laufen die Planungen für die Zukunft des Wilhelmspalais – aber die Vorarbeiten für das Stadtmuseum stocken.

Stuttgart - Jürgen Sauer, der kulturpolitische Sprecher der CDU-Ratsfraktion, ist sichtlich verärgert: "Seit fünf Jahren schon laufen die Planungen für die Zukunft des Wilhelmspalais, im Sommer zieht die Stadtbücherei am Charlottenplatz aus und in die neue Bibliothek - aber die Vorarbeiten für das Stadtmuseum stocken." Er und seine Fraktion seien "nicht mehr länger bereit, weitere Verzögerungen hinzunehmen". Deshalb hat Jürgen Sauer beim Oberbürgermeister einen Antrag eingebracht, in dem es heißt: "Wir fordern, dass das Thema Stadtmuseum am 10. Mai im Technikausschuss und am 11. Mai im Finanzausschuss auf die Tagesordnung kommt."

 

Was steckt dahinter? Im Oktober beginnen im Rathaus die aufwendigen Debatten über den neuen Stuttgarter Doppelhaushalt für 2012/13. Dabei allerdings können nur solche Projekte berücksichtigt werden, deren Pläne praktisch den Status der Baureife besitzen. Deshalb fordert der CDU-Stadtrat Jürgen Sauer jetzt kategorisch, "dass die Verwaltung uns bis zu den gesetzten Terminen im Mai den sogenannten Vorprojektbeschluss vorlegt, damit wir dann darüber diskutieren können". Nur auf diese Weise sei gewährleistet, dass die Vorarbeiten nicht länger stocken, sondern bis zum Herbst zügig vorankämen.

CDU-Ratsfraktion will Signal setzen

Denn am Umbau des alten Wilhelmspalais in ein modernes Stadtmuseum will die CDU-Ratsfraktion nicht rütteln lassen. "Jeder Tag, den das Wilhelmspalais nach dem Auszug der Stadtbücherei leersteht, ist ein verlorener Tag", sagt Jürgen Sauer. Rund um dieses Kulturprojekt seien viele Leute ehrenamtlich tätig und beteiligt, nicht zuletzt der Beirat für die Zeitgeschichte - deshalb wolle er mit seinem Antrag "jetzt ein politisches Signal setzen: Wir stehen zu diesem Projekt und hoffen auf eine breite Mehrheit im Gemeinderat, wenn am 16. Dezember der neue Doppelhaushalt verabschiedet wird", sagt Sauer.

Wie wiederholt berichtet, soll das 1944 im Krieg zerstörte, in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wieder aufgebaute Wilhelmspalais - einst die Wohnung des letzten württembergischen Königs Wilhelms II. - in ein Stadtmuseum umgebaut werden. Die Kosten dafür sind auf 30 Millionen Euro veranschlagt, annähernd die Hälfte dieser Summe soll aus diversen Zuschüssen des Landes aufgebracht werden. Das renommierte Stuttgarter Architekturbüro Lederer, Ragnarsdíttir und Oei hat vor mehr als einem Jahr den von der Landeshauptstadt ausgelobten Gestaltungswettbewerb gewonnen. Arno Lederer will das unter Denkmalschutz stehende Palais innen völlig ausbeinen und neu konzipieren. Ein Sprecher seines Büros sagte jetzt auf Anfrage: "Die Vorentwurfsplanung haben wir bereits im Februar abgeschlossen. Wir sind, was unsere Planungen angeht, im Zeitplan."

Zuschüsse sollen nicht verloren gehen

Vorgesehen im Wilhelmspalais sind eine ständige Ausstellung zur Stadtgeschichte, dazu sogenannte Themeninseln; nach dem Willen von Oberbürgermeister Wolfgang Schuster soll das künftige Stadtmuseum vor allem auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet sein. Der OB möchte, dass dem Thema Integration ein breiter Raum gegeben wird, ebenso der dunklen Zeitspanne des Dritten Reiches in Stuttgart.

Monika Wüst, die kulturpolitische Sprecherin der SPD, belächelt den plötzlichen Eifer ihres CDU-Kollegen Roland Sauer: "Er weiß doch ganz genau, dass sich die Mitteilungsvorlage zum Stadtmuseum gerade im üblichen Ämterdurchlauf befindet", sagt sie. Alles sei auf einem guten Wege, selbstverständlich stehe die SPD "nach wie vor mit Herzblut hinter diesem Projekt". Ihrer Kenntnis nach habe "sogar der Stadtkämmerer die Pläne gutgeheißen"; Michael Föll (CDU) hatte noch im letzten Jahr angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise erklärt, man müsse, notgedrungen, das Wilhelmspalais vielleicht ein bis zwei Jahre leerstehen lassen, falls es nicht gelinge, die Finanzierung des Stadtmuseums rasch auf die Beine zu stellen. In einer finanziell kritischen Situation könne sich Stuttgart eben nicht alles leisten, und schon gar nicht alles sofort.

Von derlei Bedenken will der Grünen-Stadtrat Michael Kienzle, kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion, nichts mehr wissen: "Wir stehen nach wie vor fest zu diesem Projekt. Wichtig ist jetzt, dass es zügig vorangeht, damit die Zuschüsse des Landes rechtzeitig beantragt werden und uns nicht verloren gehen." Er selbst, so Michael Kienzle, sei Mitglied im Beirat für die Zeitgeschichte - der habe sich mit seinen Empfehlungen zur Konzeption sehr viel Mühe gemacht. Nun sei "alles auf einem guten Weg", so Kienzle.

Die Geschichte des Wilhelmspalais

Historie: Der italienische Hofbaumeister Giovanni Salucci hat in den Jahren 1836 bis 1840 das Wilhelmspalais erbaut. Sein Auftraggeber war der württembergische König Wilhelm I., dessen Töchter Marie und Sophie das dreistöckige Palais im klassizistischen Stil bewohnten. Die Innengestaltung stammte von dem Hofbaumeister Ludwig Zahnt. Nach dem Tode von Prinzessin Marie zog der neue König, Wilhelm II. in das Palais. Nach seiner Abdankung 1918 verließ er den Ort und kehrte nie wieder nach Stuttgart zurück.

Weltkrieg: Im Sommer 1944, als die Stuttgarter Innenstadt unter Dutzenden von Luftangriffen in Schutt und Asche sank, brannte auch das Palais am Charlottenplatz fast völlig aus. Zu Beginn der sechziger Jahre erhielt der Architekt Wilhelm Tiedje den Auftrag zum Wiederaufbau. Die Stadtbücherei zog ein, viele Jahre lang gab es im Haus auch eine ständige Ausstellung zur Stadtgeschichte.