Der Karlsruher Energiekonzern EnBW soll seine Tochterfirmen kräftig straffen. Für viele Manager könnten harte Zeiten anbrechen.

Stuttgart - Frank Mastiaux macht es spannend. Gut eine Woche muss sich die Öffentlichkeit noch gedulden, bis der neue EnBW-Chef sein Konzept für den Energiekonzern vorstellt. Erst am übernächsten Montag will er vor Medienvertretern „über die zukünftige Strategie, ihre Umsetzung und die dafür notwendige Neuaufstellung“ des Unternehmens referieren – übrigens nicht am Hauptsitz in Karlsruhe, sondern in der Stuttgarter EnBW-City.

 

Einen halben Tag, bevor am Freitagmorgen die Einladung rausging, hatte Mastiaux einen wichtigen Etappensieg erzielt. Da ließ der EnBW-Chefaufseher Claus Dieter Hoffmann vermelden, das Konzept des Vorstandes habe im Aufsichtsrat „breite Zustimmung“ gefunden. Mehrere Stunden lang hatten die Vertreter von Anteilseignern und Arbeitnehmern über die künftige Strategie und Struktur des Konzerns beraten. Dann verkündete Hoffmann „vollumfängliche“ Unterstützung, verbunden mit einem dicken Lob für Mastiaux: „Die vorgestellte Analyse und die daraus abgeleiteten strategischen Schlussfolgerungen sind schlüssig und konsequent.“

Wenig nach druaßen gesickert

Über die Strategie ist bisher wenig nach draußen gesickert. Da werde sich „die Überraschung in Grenzen halten“, heißt es in informierten Kreisen. Der Vorstandschef steuere die EnBW in jene Richtung, die er schon wiederholt skizziert habe: weg vom zentralen, behäbigen Stromversorger, hin zum dezentralen, flexiblen Energiedienstleister, der „im Dialog mit den Kunden und den Bürgern“ stehe.

Brisanz steckt hingegen in den Plänen für die künftige Struktur, deren Umrisse allmählich deutlicher werden. Mehrere Monate hatte sich Mastiaux Zeit genommen, um sich das Unternehmen in allen seinen Verzweigungen anzuschauen. Sein Befund: in der jetzigen Aufstellung sei es zu unbeweglich und zu schwerfällig, um die Chancen im schneller werdenden Energiegeschäft nutzen zu können. Die Innovationszyklen würden immer kürzer, sagt ein Insider, da könne man sich die alten, langen Entscheidungswege nicht mehr leisten. Es sei daher nur konsequent, wie angekündigt „die Konzernkomplexität zu reduzieren“.

Komplex ist das weitgefächerte EnBW-Reich in der Tat. Im aktuellen Geschäftsbericht sind etwa 350 Tochterfirmen und Beteiligungen aufgelistet. Mehr als 100 Gesellschaften davon gelten als wesentlich, etliche haben einen eigenen Vorstand nebst eigenem Kontrollgremium. Alleine der EnBW-Personalvorstand Bernhard Beck sitzt in neun Aufsichtsräten von Konzerntöchtern, seine Kollegen sind ebenfalls gut mit Nebenämtern beschäftigt. Kritiker sprechen schon lange von einem Wildwuchs, der dringend zurückgeschnitten gehöre.

Einen ersten Anlauf gab es bereits im Rahmen von Tarifverhandlungen im Dezember: Da war die Zusammenlegung von Töchtern im Vertriebsbereich angedacht, unter anderem der Privatkundenmarke Yello und ihrer Gewerbekundenschwester Watt. Doch die Pläne verschwanden wieder in der Schublade. Ein Grund: die Gewerkschaft Verdi war erzürnt über Überlegungen, mit der Fusion auch gleich die Tarifbindung aufzugeben.

Nun soll es zu einer ungleich umfassenderen Zusammenlegung von Gesellschaften kommen, und das möglichst im Einklang mit den Arbeitnehmervertretern. Zentralisieren und verschlanken, lautet die Parole. Wie viele Firmen aufgelöst und mit anderen verschmolzen werden, wie viele am Ende übrig bleiben, steht offenbar noch nicht genau fest. Klar ist nur, dass wegen regulatorischer Vorgaben für Netze und Kernkraftwerke weiterhin eigene Gesellschaften nötig sind. Ansonsten scheint es wenig Tabus zu geben.

Für eine dreistellige Zahl von Führungskräften, vor allem der ersten und zweiten Ebene, beginnt damit das große Zittern. Ihre bisherigen Funktionen fallen weg, die künftige Verwendung ist noch unklar. Unter den Managern herrsche deshalb schon länger erhebliche Unruhe, berichtet ein Insider: „Da überlegt jetzt jeder, ob und wo er sich in der künftigen Struktur wiederfindet.“ Mastiaux müsse schwer aufpassen, dass er mit dem „Riesenumbau“ nicht zu viele Nebenkriegsschauplätze eröffne.

Auch Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter dürften nicht begeistert sein, wenn sie ihre Mandate in den Gremien der Tochterfirmen verlieren. Die Pöstchen sollen schließlich zum Teil recht einträglich sein. Leichter als fürs eigene Interesse können sie indes für die Mitbestimmung streiten, die bei der EnBW traditionell großgeschrieben wird. Da scheint es noch einigen Gesprächsbedarf zu geben, auch wenn Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) – wie man hört – im Hintergrund schon viel Überzeugungsarbeit geleistet hat. Mastiaux wurde jedenfalls beauftragt, bei der Konkretisierung seiner Pläne „insbesondere die mitbestimmungsrechtlichen Aspekte“ zu berücksichtigen. Für die Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern hat er noch einige Wochen Zeit, dann soll die Vorlage in einer Sondersitzung des Aufsichtsrates verabschiedet werden. Ein ehrgeiziger Zeitplan steht intern offenbar bereits fest.

Erste Zweifel an seiner Durchsetzungskraft dürfte der neue EnBW-Chef damit zerstreut haben. Er sei eben nicht nur smart, heißt es nun, sondern könne, wo nötig, auch hart sein. Aufatmen dürfen indes die Mitarbeiter der Konzernholding, die eigentlich als vorrangiges Ziel eines Umbaus galt. Die von einst 100 auf 500 Mitarbeitern gewachsene (laute Kritikern „aufgeblähte“) Holding bleibt wohl nicht nur unangetastet, sondern könnte sogar noch an Bedeutung gewinnen. Noch größer werden aber soll sie dann doch nicht.