Welchen Blick haben junge Muslime in der arabischen Welt auf ihre Religion? Eine repräsentative Umfrage in acht muslimischen Ländern gibt interessante Einblicke in die Sichtweisen einer ganzen Generation.

Stuttgart - Sie stellen die größte Altersgruppe der arabischen Welt: Die Generation der 15- bis 34-Jährigen. Aus ihren Reihen stammten die meisten Demonstranten des Arabischen Frühlings – sie sind aber auch am anfälligsten für die Rhetorik radikal-islamischer Gruppen. Eine Umfrage der Tabah-Stiftung in Abu Dhabi hat nun die Einstellung dieser jungen Muslime zum Islam und seinem Einfluss auf die Gesellschaft untersucht. In acht arabischen Staaten wurden Frauen und Männer befragt, unter anderem in Marokko, Ägypten, Saudi-Arabien und Jordanien.

 

Das Ergebnis zeigt eine Generation, der der Islam sehr wichtig ist – die sich aber gleichzeitig Veränderungen im religiösen Bereich wünscht. Die große Mehrheit in allen acht Staaten betrachtet sich als gläubige Muslime. Die Mehrzahl der Befragten wünscht sich allerdings, dass religiöse Prediger und Gelehrte sich mehr mit den Themen der modernen Gesellschaft beschäftigten und dafür eine neue Rhetorik entwickeln.

Der Westen trägt nicht die Schuld

Bei einer entscheidenden Frage zeigen sich die jungen Muslime aber gespalten: Steht der Islam im Konflikt mit der modernen Welt und sollte sich dementsprechend modernisieren? In Marokko, den Palästinensergebieten und Bahrain stimmt eine Mehrheit zu. In Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien spricht sich eine Mehrheit dagegen aus.

Islamistische Terrorgruppen wie den sogenannten Islamische Staat und Al-Kaida nehmen eine Mehrzahl der Befragten als „Perversion“ des Islam war. Doch auch hier zeigen sich Unterschiede: Die deutlichste Ablehnung zeigt sich in Marokko, wo 99 Prozent der Befragten die IS-Ideologie als vollkommen oder größtenteils falsch betrachten. In Saudi-Arabien meinen dagegen 15 Prozent, dass der IS den Islam größtenteils oder vollkommen richtig auslegt. Hier zeigt sich deutlich ein Nährboden für islamistische Terrorgruppen.

Was treibt junge Muslime in die Arme solcher religiöser Extremisten? Hier sehen die Befragten vor allem die korrupten und repressiven Regierungen der Region in der Verantwortung. Die Propaganda radikaler Prediger und ein schlechtes Bildungsniveau betrachten viele als weitere Gründe. Die westliche Militärpolitik sieht nur eine Minderheit als Auslöser.

Junge Marokkaner sind liberaler

Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern ziehen sich dabei durch die gesamte Studie: Junge Marokkaner zeigen sich in der Regel am liberalsten, gefolgt von Palästinensern und Muslimen in Bahrain. Am konservativsten zeigen sich die Befragten in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Jordanien. Junge Ägypter nehmen eine Sonderrolle ein: Sie zeigen sich teils streng religiös, teils weltoffen. Die Spaltung des Landes wird deutlich.

Ein überraschendes Ergebnis findet sich mit Blick auf die Rolle der Frau. Eine Mehrzahl der Befragten fordert mehr weibliche Religionsgelehrte und Prediger – eine Rolle, die der muslimischen Frau in der Regel nicht zusteht. Zur Unterdrückung der Frau trägt der Islam aus der Sicht der meisten Befragten allerdings nicht bei – in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten verneinen 84 beziehungsweise 93 Prozent diese These.