Eine große Veränderung des allgemeinen Meinungsbildes zum Bahnprojekt Stuttgart 21ist nicht zu verzeichnen. Es gibt jetzt aber mehr Unentschlossene.  

Stuttgart - Auch bei der jüngsten Meinungsumfrage des Berliner Forschungsinstituts Infratest-dimap im Auftrag der Stuttgarter Zeitung und des Südwestrundfunks (SWR) zur 100-Tage-Bilanz der grün-roten Landesregierung hat sich eine Mehrheit in Baden-Württemberg für Stuttgart 21 ausgesprochen.

 

53 Prozent antworteten am vergangenen Dienstag und Mittwoch auf die Frage, ob sie grundsätzlich für oder gegen das umstrittene Projekt seien, mit dafür; 32 Prozent sind dagegen. Die gleiche Frage hatten im Dezember 2010 im Anschluss an das Schlichtungsverfahren noch 54 Prozent mit "dafür" beantwortet und 38 Prozent mit "dagegen". Die

Fehlertoleranz liegt zwischen 1,4 und 3,1 Prozentpunkten. Wenige Wochen nach der Präsentation eines ersten Stresstest-Zwischenstandes erklären nun allerdings 15 Prozent, sich nicht entscheiden zu können oder zu wollen. Dieser Wert lag im Dezember lediglich bei acht Prozent.

Stärkste Zustimmung aus dem CDU-Lager

Eindeutig gestiegen ist laut der Umfrage die Zustimmung für S21 im Großraum Stuttgart: 60 statt 55 Prozent sind für den Tiefbahnhof, nur noch 28 statt vorher 40 Prozent dagegen. Skeptischer sehen die Bürger außerhalb des Großraumes Stuttgart das auf 4,088 Milliarden Euro veranschlagte Vorhaben: 51 Prozent sind dafür, 34 Prozent dagegen.Die stärkste Zustimmung erhält Stuttgart 21 weiterhin aus dem CDU-Lager. 84 Prozent der Befragten, die sich für Stuttgart 21 aussprachen, gaben an, bei der Landtagwahl eine Präferenz für die Christdemokraten gehabt zu haben. Nur jeder zehnte CDU-Anhänger ist demnach dagegen.

Jeder zweite Befragte mit einer Präferenz für die SPD ist dafür, 36 Prozent dagegen. Auch bei den Grünen, die das Projekt - anders als CDU und SPD - ablehnen, sind mittlerweile 36 Prozent (gegenüber 25 Prozent im Dezember) im Befürworterlager, mit 51 Prozent lehnt aber mehr als die Hälfte Stuttgart 21 ab. Die stärkste Front gegen den Abriss des Hauptbahnhofs bildet die Linke: 78 Prozent wollen S21 nicht.

Thomas Oeben, stellvertretender Pressesprecher der CDU-Landtagsfraktion, fragt: "Wofür braucht Grün-Rot eigentlich eine Volksabstimmung, wenn Umfragen regelmäßig eine Mehrheit für Stuttgart 21 ergeben?" Das Projekt sei nicht nur rechtlich in trockenen Tüchern, sondern erfreue sich auch in der Bevölkerung stetig wachsender Beliebtheit.

Die "Alternative Kopfbahnhof" wurde außen vor gelassen

Die Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, Brigitte Dahlbender sagte, es sei der Bahn bisher nicht gelungen, mit der Falschbehauptung, der Stresstest sei bestanden, die Leute zu überzeugen. Sie glaube, die nächste Präsentation der Prüfergebnisse werde die Unentschlossenen ebenso überzeugen wie Darstellungen zu Kostenüberschreitungen und unüberwindbaren Problemen beim Baurecht.

Das Meinungsforschungsinstitut Infratest-dimap hat sich bei die Frage der Präferenz bewusst kurz gehalten. Es wurden nicht die kontrovers diskutierten Varianten zur Auswahl gestellt; auch hat man nicht zwischen Stuttgart 21 und dem gesamten Bahnprojekt Stuttgart-Ulm, das auch die weniger umstrittene Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm mit einbezieht, unterschieden. Die Vergleichbarkeit mit früheren gleichlautenden Umfragen sei sehr gut gegeben, heißt es bei Infratest-dimap.

Projektkritiker hatten an früheren Umfragen im Auftrag der Bahn und der Stadt Stuttgart, die ebenfalls eine Mehrheit für die Umwandlung des Bahnknotens ermittelten, bemängelt, dass nicht auch nach der Alternative Kopfbahnhof 21 gefragt worden war. Eine vergleichende nicht-repräsentative Online-Befragung bei Studierenden an der Uni Hohenheim vom März ergab tatsächlich, dass sich signifikant mehr Personen gegen Stuttgart 21 aussprachen, als bei der Abfrage auch auf die Möglichkeit des Erhalts des Kopfbahnhofs hingewiesen wurde.