Winfried Kretschmann erzielt Bestwerte, muss aber um sein Amt bangen. Guido Wolf bleibt unter seinen Möglichkeiten, hat aber durch das Erstarken der AfD gute Chancen, neuer Ministerpräsident in Baden-Württemberg zu werden, analysiert StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Ziemlich genau zwei Monate vor der Landtagswahl am 13. März zeichnen sich die Konturen des möglichen Wahlausgangs ab: nach Lage der Dinge wird es weder für eine Fortsetzung der grün-roten Koalition noch für die Ablösung durch ein schwarz-gelbes Bündnis ausreichen. Die AfD drängt mit Macht in den Landtag, was die Chancen von CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf erhöht, womöglich trotz eines enttäuschenden persönlichen Ergebnisses nächster Ministerpräsident Baden-Württembergs zu werden.

 

Mit den Rechtspopulisten will zwar niemand koalieren, und doch besetzen sie das Thema, das die Wahl beherrscht. Die Flüchtlingsfrage steht im Mittelpunkt der Auseinandersetzung um die Wählergunst, und die Ereignisse der Silvesternacht in Köln haben dies nochmals stark akzentuiert. So ist es kein Wunder, dass derzeit in der Unions-Bundestagsfraktion neben den Bayern etliche baden-württembergische Abgeordnete – ein schwaches Abschneiden ihres Spitzenkandidaten Guido Wolf vor Augen – eine Verschärfung der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung fordern. Selbst wenn es wohl nicht zu dem für die Kanzlerin peinlichen Antrag in ihrer Fraktion kommt: Für Angela Merkel läuft die Zeit ab, um europäische Lösungen zur Begrenzung des Zuzugs zu finden.

Wiedereinführung von Grenzkontrollen

Zwar weist sie absolut zu Recht darauf hin, dass die Wiedereinführung nationaler Grenzkontrollen nicht nur das Schengen-Abkommen außer Kraft setzt, sondern mit der Einschränkung des freien Personen- und Warenverkehrs auch den Euro gefährdet. Das ändert jedoch nichts daran, dass im gegenwärtigen System weder die Zahl der Flüchtlinge zu kontrollieren ist noch deren Identität. Ein islamistischer Attentäter, der an unterschiedlichen Orten mit unterschiedlichen Namen aber gleichen Fingerabdrücken registriert ist und Sozialleistungen bezieht; eine große Anzahl von nordafrikanischen Flüchtlingen aus dem Maghreb, die kaum Chancen auf Anerkennung haben, aber nach Polizeistatistiken oft straffällig werden; eine zwar steigende, aber immer noch geringe Zahl von freiwilligen Ausreisen und Abschiebungen: All dies schafft Unsicherheit und bringt staatliche Institutionen an ihre Grenzen. Die CDU, zu deren Kernkompetenzen Sicherheit und Ordnung gehören, ist zerrissen.

Wolf hat oft durchblicken lassen, dass er in der Flüchtlingsfrage härter vorgehen würde

Es ist kein Geheimnis, dass Guido Wolf Freund einer härteren Gangart gegenüber Flüchtlingen ist. Er hat das verbal immer wieder deutlich gemacht, ohne sich zu sehr von seiner Kanzlerin absetzen zu wollen. Die Ereignisse von Köln und Wahlumfragen wie die jetzige sind dazu angetan, diese Haltung zu verändern, sprich: zu verschärfen. Dies gilt umso mehr, als Umfragen den Wahlerfolg von Parteien wie der AfD eher unter- als überbewerten. Das Aufkommen einer Partei rechts von sich kann der CDU nicht gleichgültig sein. Dass Wolf am Wochenende die Übergriffe von Köln als „Zeitenwende“ bezeichnet hat, zeigt, wohin die Reise geht, selbst wenn die befragten Wähler in der Ausländerfrage offenbar genau so gespalten sind wie die Partei selbst.

Während der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach wie vor von einer Zustimmungswelle getragen wird (und trotzdem sein Amt verlieren kann), bleibt die CDU unter Wolf weit unter ihren Möglichkeiten. Wenn der alte Satz des Ex-Ministerpräsidenten Erwin Teufel noch stimmt, dass nicht Oppositionsparteien gewählt, sondern Landesregierungen abgewählt werden, müsste es Wolf Angst und Bange werden. Denn weder gibt es eine ausgeprägte Wechselstimmung im Land, noch hat er selbst in befriedigendem Maße Bekannt- und Beliebtheit erlangt. Wenn bei einer Direktwahl des Ministerpräsidenten mehr CDU-Anhänger den Amtsinhaber Kretschmann als den Spitzenmann der Union wählen würden, zeigt dies, dass es von der Wolf’schen Zeitenwende zur Wendezeit noch ein weiter Weg ist.